Hilfe für Frauen in der DR Kongo: Dem Opferfonds fallen die Opfer zum Opfer
Der Staatsfonds Fonarev in der DR Kongo soll Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt unterstützen. Seine Leitung bereichert sich offenbar massiv.
Es klingt nach einer guten Idee: Staatseinnahmen aus dem Bergbau, der an der Wurzel vieler Konflikte und Menschenrechtsverletzungen liegt, gehen an Opfer sexualisierter Kriegsverbrechen. In der Demokratischen Republik Kongo, wo brutale sexualisierte Gewalt als Kriegsmethode viel Horror angerichtet hat, ist das Realität – auf dem Papier.
2023 gründete die Regierung den „Nationalen Reparationsfonds für Opfer sexualisierter Gewalt im Zusammenhang mit Konflikten und Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit“ (Fonarev). 216 Millionen US-Dollar hat er bis Mitte 2025 eingesammelt, mehr als das Budget mancher kongolesischer Ministerien.
„Opfer identifizieren, ihnen Zugang zur Justiz verschaffen, sie über ihre Rechte sensibilisieren und Reparationen zuteilen“, nennt Fonarev-Direktor Patrick Fata in einer Videopräsentation die Hauptaufgaben seiner Behörde, und seine Mitarbeiter loben ihre Bilanz: 730.000 Opfer als Überlebende sexualisierter Verbrechen seien identifiziert und 17.071 Akten angelegt worden, in 12 Gerichtsentscheidungen seien 1.717 Entschädigungen zugesprochen worden.
Unabhängige Berichte zeichnen ein anderes Bild. Aus Finanzprüfberichten, die im September an die Öffentlichkeit gelangten, geht hervor, dass nur wenige Prozent der Fondseinnahmen an die Begünstigten geflossen sind. Die zivilgesellschaftliche Aktivistengruppe Filimbi nennt knapp 5 Millionen US-Dollar – realisiert worden sei damit eine renovierte Schule, ein Denkmal in der Stadt Kisangani und drei Wasserpumpen.
Millionenzahlungen an Kongos First Lady
In Fonarev-Berichten werden viele sinnvolle Dinge genannt, etwa Workshops, Befragungen in Vertriebenenlagern oder Fortbildungen für Juristen. Doch der Finanzbericht für die erste Jahreshälfte 2025, der der taz vorliegt, nennt für diesen Zeitraum 30,3 Millionen US-Dollar Verwaltungskosten – und nur 16 Millionen US-Dolllar „Reparationsausgaben“, also Aktivitäten zugunsten der Opfer. 14,5 Millionen davon, heißt es, flossen als Zuwendung an die Stiftung der First Lady der DR Kongo, Denise Nyakéru Tshisekedi.
Kongos First Lady engagiert sich für weibliche Kriegsopfer. In diesem Fall ging es um kongolesische Flüchtlinge in Burundi. Nachweisbar ausgegeben wurden dafür aber weniger als 500.000 US-Dollar, in Form gespendeter Güter an das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.
Aus den Fonarev-Enthüllungen geht hervor: Denise Nyakérus Finanzberater Eddy Mbanzu ist Vorsitzender des Fonarev-Verwaltungsrates. Erster Fonarev-Generaldirektor war Lucien Lundula, der 2017 die Trauerfeiern für Étienne Tshisekedi organisiert hatte, Vater des Staatspräsidenten und historischer Gründer von dessen Partei. Lundula wurde 2024 von Patrick Fata abgelöst, bis dahin stellvertretender Leiter der „Geschäftsklimaeinheit“ in Kongos Präsidialamt.
Sie lassen sich fürstlich bezahlen. Laut Fonarev-Gehaltstabelle verdient der Generaldirektor 38.000 US-Dollar im Monat netto, dazu 10.000 US-Dollar Wohnzulage, Urlaubsgeld, Dienstwagen und kostenlose private Gesundheitsversorgung im In- und Ausland. Selbst Regierungsminister verdienen weniger. Der Verwaltungsratsvorsitzende kommt auf 35.000 US-Dollar im Monat.
Wer Kritik übt, kriegt Probleme
Kritik daran kann Ärger bringen. Am 24. April sperrten Kongos staatliche Rechnungsprüfer die Konten von Fonarev wegen des Verdachts auf Untreue, nachdem im Februar über 13 Millionen US-Dollar in bar von einem Bankkonto des Fonds abgehoben wurden – angeblich hatten die Fondsdirektoren beschlossen, sich selbst einen 8-Prozent-Anteil an den Einnahmen von 2024 auszuzahlen. Die Rechnungsprüfbehörde IGF ist im Präsidialamt angesiedelt und musste die Sperrung wieder zurücknehmen.
Im Juni beschwerte sich Kongos Menschenrechtsministerin Chantal Chambu Mwavita, die die Aufsicht über Fonarev hält, über fehlende Berichte. Es sei auch nicht in Ordnung, dass die Fonarev-Direktoren sich selbst neue Monatszulagen in Höhe von insgesamt 850 US-Dollar pro Person unter anderem für „Telefonkosten“ und „Kaffee“ bewilligt hätten. Fonarev wies die Vorwürfe zurück, die Ministerin wurde bei der nächsten Regierungsumbildung im August entlassen.
Am 14. Oktober verwahrte sich Fonarev in einer Erklärung gegen „Versuche der Destabilisierung und Einschüchterung“, dementierte aber die einzelnen Vorwürfe nicht. Der Fonds kündigte eine unabhängige Buchprüfung an und warf seinen Kritikern vor, sie wollten „vom Wesentlichen ablenken: die Millionen Kongolesinnen und Kongolesen, die auf Reparationen und Anerkennung warten“.
Seitdem besteht die Hauptaktivität von Fonarev darin, auf internationalen Konferenzen mit Regierungsbeteiligung für die Anerkennung eines „Völkermords“ in der DR Kongo zu werben. Die Kriege der letzten dreißig Jahre werden in staatlichen Kampagnen unter Tshisekedi als „Genozid aus wirtschaftliche Motiven“ (Genocost) mit 10 Millionen Toten bezeichnet – eine Zahl, für die es keine empirische Grundlage gibt.
In den Fonarev fließen gesetzlich 11 Prozent der Einnahmen aus der Bergbauabgabe (redevance minière), die alle in der DR Kongo tätigen Bergbaufirmen als Steuer auf den Wert ihrer Mineralienförderung zahlen müssen – 10 Prozent auf die „strategischen Mineralien“ Kobalt, Coltan und Germanium, 3,5 Prozent auf alle anderen. Den Finanzberichten zufolge werden diese Einnahmen allerdings nicht vollständig abgerufen – oder nicht vollständig verbucht.
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