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Black Friday und PaketzustellerSchwere Päckchen zu tragen

Paketboten müssen derzeit bis zu 70 Wochenstunden arbeiten. Verdi fordert nun ein Verbot von Subunternehmern und Grenze von 20 Kilogramm pro Paket.

Das Paket wiegt hoffentlich nicht mehr als 20 Kilogramm: Paketbote an seinem Arbeitsplatz Foto: Sina Schuldt/dpa

Die Arbeitsbedingungen bei Paket- und Kurierdiensten werden von den rund 270.000 Beschäftigten der Branche als schlecht empfunden. Von 100 möglichen Punkten auf der Skala für gute Arbeit des DGB erreichten die Paketdienste nur 40. Damit fällt die Branche in die DGB-Kategorie für schlechte Arbeit. Dafür hat die Gewerkschaft Verdi knapp 3.000 Beschäftigte befragt. Die Studie ergab eine Reihe von Verstößen gegen geltendes Recht.

Kritisch sieht Verdi vor allem die Praktiken der Subunternehmen in der Paketbranche. Deren Zahl wird auf bis zu 18.000 geschätzt. Betriebsräte oder Tarifverträge gibt es hier in der Regel nicht. Die Befragung ergab, dass die Beschäftigten hier im Durchschnitt zehn Überstunden pro Woche ableisten. Im Extremfall mussten Boten bis zu 72 Wochenstunden schuften. „Wir konnten auch andere Verstöße feststellen“, sagt Studienautor Robert Koepp. So hätten sechs von zehn Beschäftigten bei Subunternehmen angegeben, wenigstens einmal in der Woche mehr als zehn Stunden zu arbeiten. Für jeden Siebten ist das sogar die Regel. Jeder Zweite schafft es nicht, während der Schicht eine halbstündige Pause zu machen.

Bei der Arbeitszeit zeigt sich ein großer Unterschied zwischen Diensten mit Betriebsrat und Tarifvertrag und denen ohne beides. Erstere halten sich an die vertraglichen Regelungen, letztere oft nicht. Da die Behörden die Betriebe kaum kontrollieren können, hält Verdi ein Verbot der Werkverträge mit Subunternehmen für zwingend. „Das ist der einzig mögliche Weg, die Arbeitsbedingungen in der Branche zu verbessern“, sagt die stellvertretende Verdi-Chefin Andrea Kocsis. Der Zoll komme mit den Kontrollen nicht hinterher.

Doch manchmal schauen die Behörden sehr genau hin. So hat das Sozialministerium in Nordrhein-Westfalen gerade die Ergebnisse einer landesweiten Kontrollaktion bekannt gegeben, die im Frühjahr und Sommer dieses Jahres durchgeführt wurde. 54 Lieferunternehmen wurden besucht und 222 Beschäftigte befragt. Bei mehr als der Hälfte der Subunternehmen stellten die Prüfer gravierende Mängel fest. So hatten die Paketboten oft keine Arbeitsunterweisung erhalten oder wurden nicht vor Gefahren gewarnt.

Arbeitszeit, die nicht als solche erfasst wird

Auch mit der Erfassung der Arbeitszeiten nehmen es Betriebe häufig nicht genau. So würden Zeiten für das Be- oder Entladen der Fahrzeuge nicht als Arbeitszeit erfasst, ebensowenig die Zeit an der Zapfsäule oder für die Wagenpflege. Hilfsmittel für den Transport schwerer Lasten wie Sackkarren fehlten bisweilen. Zusteller beklagten auch, dass sie keine Sicherheitsausrüstung wie besondere Schuhe oder einen Witterungsschutz erhalten. Nur bei sechs Prozent der Subunternehmen wurden keine relevanten Mängel festgestellt.

Schützenhilfe aus der Politik erwartet Kocsis auch bei einem anderen Problem. Viele Pakete sind für die Boten zu schwer. Eigentlich sollte das Maximalgewicht zumindest für die Auslieferung auf 20 Kilogramm begrenzt werden. Doch das konnte die Ampel nicht mehr gesetzlich umsetzen. So entspricht die Höchstgrenze derzeit entsprechend der Geschäftsbedingungen der Dienste meist 31,5 Kilogramm. Verdi fordert nun eine einheitliche Maximalgrenze von 20 Kilogramm, „von der Einlieferung bis zu Auslieferung“, wie Kocsis betont. Für schwerere Lasten müsste die Anbieter dann zwei Lieferanten einsetzen.

Die Kritik an den Arbeitsbedingungen bei den Paketdiensten kommt pünktlich zur Hochsaison der Branche. In dieser Black-Friday-Woche und der anstehenden Adventszeit haben die Lieferdienste alle Hände voll zu tun. Allein im vergangenen Jahr haben die Unternehmen knapp 4,3 Milliarden Pakete ausgeliefert. In diesem Jahr könnte die Zahl weiter steigen.

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