Migrationspolitik in Uganda: Willkommenskultur im Stich gelassen
Ugandas Open-Door-Policy gegenüber Geflüchteten galt lange als Vorzeigemodell. Doch mit der Kürzung internationaler Hilfen stößt das Land an seine Grenzen.
Vor dem heruntergekommenen Gebäude der Flüchtlingsbehörde in Ugandas Hauptstadt Kampala herrscht schon am frühen Morgen Trubel. Hunderte Kongoles*innen, Sudanes*innen, Eritreer*innen und Geflüchtete aus Somalia stehen in den engen staubigen Gassen Schlange.
Unter ihren Armen klemmen braune Briefumschläge oder bunte Plastikhefter, in welchen sie ihre Bewerbungsunterlagen und ausgefüllte Formulare einsortiert haben. Viele sind ohne Reisepässe oder sonstige Ausweispapiere aus ihren Konfliktländern geflohen. Die meisten kamen zu Fuß oder mit dem Bus über die Grenze, besitzen nur noch das, was sie am Leib tragen oder in eine Reisetasche passt.
Sie alle ersuchen nun Asyl in Uganda. Das ostafrikanische Land ist weltweit berühmt für seine offenherzige Flüchtlingspolitik, ein Vorzeigeland quasi. Nach der Türkei steht Uganda weltweit auf Platz zwei hinsichtlich Aufnahmezahlen, in Afrika selbst gar auf Platz eins.
Zwei Millionen Geflüchtete beherbergt Uganda derzeit, fast die Hälfte von ihnen aus dem konfliktgeplagten Nachbarland Südsudan und mehr als 600.000 aus den Kriegsgebieten der Demokratischen Republik Kongo. Die übrigen stammen aus Sudan, Eritrea, Äthiopien oder Somalia – also aus der erweiterten Region. Sie alle haben den beschwerlichen Weg über mehrere Grenzen auf sich genommen, meist zu Fuß, denn sie sind sich sicher: In Uganda erhalten sie auf jeden Fall Asyl.
Seit dem Fluchtsommer 2015 stemmt sich die deutsche Politik gegen das Ankommen der Geflüchteten: mit Arbeitsverboten, Wohnsitzauflagen, unterfinanzierten Integrationskursen genauso wie mit rassistischen Debattenbeiträgen. Und doch haben es Millionen Geflüchtete geschafft, ihren Platz in diesem Land zu finden – und jeden Tag werden es mehr. Sie finden Wohnungen, Jobs, Freund*innen und manchmal auch die Liebe. Sie lassen sich einbürgern, gehen wählen, gründen Betriebe. Sie werden Teil dieser Gesellschaft. Allen Widerständen zum Trotz.
Wir widmen uns dem Thema in der taz vom 27.11.2025 mit einem dritten Dossier zum Fluchtsommer vor 10 Jahren. Und wie in den vorangegangenen Sonderausgaben stehen verstreut auf den Seiten auch dieses Mal wieder Gedichte von Autor*innen, die selbst einst nach Deutschland geflohen sind. Ihr Werk ist der Beweis: Ankommen ist möglich.
Alles Texte aus den drei Dossiers erscheinen online nach und nach hier.
„Meine Tante und andere Verwandte leben bereits hier“, erklärt ein junger Mann aus Eritrea auf gebrochenem Englisch, der nur mit seinem Vornamen Eyob genannt werden will. In Jeans, schwarzem T-Shirt und Flipflops an den Füßen steht er in der Warteschlange. Seine wild abstehenden Haare sind staubig. Es wirkt, als habe er seit Langem nicht mehr duschen können. „Ich bin erst vorgestern hier angekommen, zu Fuß nach drei Wochen durch die Wüste“, berichtet er. Er habe sich von Eritrea via Äthiopien und Kenia nach Uganda durchgeschlagen, sei illegal über die grüne Grenze marschiert.
Geflüchtetenunterkünfte sind voll
Aus dem Backsteingebäude treten Polizisten in schwarzer Uniform hervor, Kalaschnikows über den Schultern. Sie mahnen die Menschenmasse, in welcher sich einige Leute vordrängeln wollen, zur Ordnung. „Diejenigen, die aus Eritrea, Äthiopien oder Somalia kommen, müssen bitte gehen“, tönt einer der Polizisten mit lauter Stimme. „Wir nehmen gerade niemand mehr auf, der nicht aus einem Kriegsgebiet stammt.“
Eyob guckt entsetzt. Die Betroffenen fangen an zu diskutieren – auf der eritreischen Sprache Tigrinya oder auf Somali. Dann machen sich Dutzende, darunter Eyob, mit hängenden Köpfen davon.
Ugandas zahlreiche Geflüchtetensiedlungen sind voll. Das Land stößt mit seiner Willkommenskultur an seine Grenzen. Ugandas Regierung hat keine Kapazitäten, all die Geflüchteten zu versorgen – und die internationale Gemeinschaft gibt nicht genug, als dass es für alle zwei Millionen reichen würde. Täglich kommen durchschnittlich weitere 600 Menschen an.
Die Ugander waren bislang stolz auf ihre „Open-Door-Policy“, wie sie es nennen. Denn während der Diktaturen und Bürgerkriege in ihrem eigenen Land waren die meisten Ugander selbst einmal Geflüchtete, die politische Elite Ugandas ist im Exil in den Nachbarländern aufgewachsen. Aus dieser Erfahrung heraus wurde die Flüchtlingspolitik so liberal wie möglich gestaltet.
Grundstück, Acker und Gartengeräte
Ugandas Politik ist so angelegt, dass die Menschen die Chance erhalten, sich ein neues Leben aufzubauen: Die meisten Geflüchteten bekommen innerhalb von drei Monaten neue Ausweispapiere ausgestellt, sogar Pässe, mit denen sie reisen können. Sie dürfen unbegrenzt in Uganda bleiben und arbeiten, viele sind schon ein halbes Leben lang hier, einige sind in Uganda geboren.
Wer nicht genug Geld mitbringt, um sich selbst zu finanzieren, erhält einen Platz in den Dutzenden Flüchtlingslagern zugeteilt – riesige Siedlungen entlang der Landesgrenzen. Dort bekommen die Familien ein Grundstück, Gartengeräte, Baumaterialien und ein Startpaket mit Kochgeschirr, Decken oder Matratzen und Samen zum Aussähen. Sie sollen sich selbst eine Hütte bauen, einen Gemüseacker anlegen.
Bis zur ersten Ernte erhalten sie Lebensmittel wie Reis, Bohnen, Salz und Bratöl vom UN-Welternährungsprogramm (WFP). Dann sollen sie sich selbst ernähren – so die Idee. Diejenigen, die lieber in den Städten leben, erhalten eine Arbeitserlaubnis sowie die Genehmigung, einen Laden, ein Restaurant oder Friseursalon aufzumachen. Damit werden die Geflüchteten zum aktiven Teil der Wirtschaft.
Doch auch dieses Konzept stößt nun an seine Grenzen. Laut dem offiziellen Budgetplan benötigt Ugandas Flüchtlingsministerium knapp eine Milliarde Dollar jährlich, um die Flüchtlingslager zu unterhalten. Doch laut aktuellem Stand sind für das laufende Haushaltsjahr 2025/26 nur rund 170 Millionen Dollar, also nicht einmal 20 Prozent, von der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden. Die Lücke – rund 800 Millionen Dollar – kann Uganda nicht alleine füllen.
Nur noch die „dringenden Fälle“
Deswegen ist das Land, wo sich seit Jahrzehnten die Geflüchteten Ost- und Zentralafrikas hin retten, nun gezwungen, seine Grenzen zu schließen. „Wir sind dazu übergegangen, nur noch die ganz dringenden Fälle aufzunehmen“, so Geoffrey Mugabe vom Flüchtlingsministerium Ende Oktober: „Anträge von denjenigen, die nicht aus einem Kriegsgebiet kommen, also konkret aus Somalia, Äthiopien oder Eritrea, werden derzeit nicht mehr angenommen.“
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass viele, wie der junge Eritreer Eyob, letztlich illegal in Uganda verbleiben und keinen Zugang mehr haben zu Bildung, Lebensmittelpaketen oder Unterkunft. Woanders hinzugehen, ist ebenfalls keine Option. Die meisten tauchen daher einfach in Kampala unter oder wenden sich an illegale Schlepper- und Schleusernetzwerke, um nach Europa oder Nordamerika zu gelangen.
Die Bundesregierung und viele weitere westliche Staaten sind bereits seit Langem Partner, um die Flüchtlingssituation in Uganda mitzufinanzieren. Doch während die Zahl der Geflüchteten in Afrika stetig zunimmt, werden in Europa die Budgets für Entwicklungszusammenarbeit mit dem Globalen Süden immer weiter zusammengestrichen.
Fehlende internationale Hilfen
Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hatte zu Beginn des Jahres begonnen, die Entwicklungsagentur USAID abzuwickeln und die Beiträge für internationale Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das Welternährungsprogramm WFP und für NGOs einzustampfen. Dies riss zusätzlich ein gewaltiges Loch in das Budget in Uganda.
Das WFP kann mittlerweile nur noch die Hälfte der Lebensmittellieferungen an die Familien verteilen, wenn überhaupt. Für die zahlreichen Schulküchen in den riesigen Lagern bleibt nun nichts mehr übrig. Japan ist kurzfristig eingesprungen, um in einem der Lager den Kindern Schulhefte und ein warmes Mittagessen zu spendieren.
Trotz der prekären Lage klopfen nun US-amerikanische und europäische Delegationen beim Flüchtlingsministerium in Kampala an und bieten Uganda einen Deal an: Das Land soll ungewollte Migranten aus den Niederlanden und den USA aufnehmen, dafür würden dann für Ugandas Unterkünfte Gelder bereitgestellt – so das Angebot.
Ugandas Präsident hat diesem Deal prinzipiell zugestimmt, hat jedoch Bedingungen gestellt: Die Menschen, die nach Uganda deportiert werden sollen, sollen afrikanische Herkunft haben und freiwillig das Einverständnis geben, nach Uganda ausgeflogen zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!