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Familienunternehmer und AfDKuscheln mit Rechtsextremen

Der Lobbyverband Die Familienunternehmer will sich der AfD öffnen. Erste Mitglieder treten aus. Gemeinsame Interessen sind aber offensichtlich.

Mit Rechtsextremen reden? Geschichtsvergessen. Doch Marie-Christine Ostermann von Die Familienunternehmer hat damit kein Problem Foto: Andreas Teichmann/laif

Die Kritik an dem Verband Die Familienunternehmer wird immer lauter. Dieser hat beschlossen, die Brandmauer zur AfD aufzugeben, und Ende Oktober den ersten AfD-Politiker zu einer Veranstaltung eingeladen. Richtig hoch kocht das Thema, seit das Handelsblatt Anfang der Woche darüber berichtete.

Als erstes Unternehmen reagierte die Deutsche Bank, in deren Räumlichkeiten die Veranstaltung stattgefunden hat. Auf Anfrage der taz sagte sie, sie habe „keine Kenntnis von der Gästeliste“ gehabt. Aus Kreisen der Bank heißt es, die Lokalität würde dem Verband künftig nicht mehr zur Verfügung gestellt. Die Deutsche Bank ist als Partnerin des Verbands gelistet. Dazu, was das beinhaltet, möchte sie keine Auskunft geben.

Die Mitglieder des Verbands selbst fühlten sich teils überrumpelt. Die Drogeriekette Rossmann und der Haushaltsgerätehersteller Vorwerk kündigten am Mittwoch den Austritt aus dem Verband an. Der Getränkehersteller Fritz-Kola folgte am Donnerstag.

„Wir sind selbst von der Meldung überrascht worden“

Andere positionierten sich auf Anfrage. „Henkel steht für Weltoffenheit, Vielfalt, Meinungsfreiheit und demokratische Werte. Wir sehen die Zukunft Deutschlands in einem starken, geeinten Europa. Diese Grundsätze sind aus unserer Sicht mit den bekannten Positionen der AfD nicht vereinbar“, kommentierte der Düsseldorfer Konzern, der unter anderem Klebstoff und Spülmittel herstellt.

Eine Sprecherin des Schuhdiscounters Deichmann sagte: „Wir sind selbst von der Meldung überrascht worden. Hätten wir im Vorfeld davon erfahren, hätten wir von einem solchen Vorgehen abgeraten.“

Besser spät aufgewacht als nie: Der Getränkehersteller Fritz-Kola verlässt nun auch den Verband der Familienunternehmer Foto: Manfred Segerer/imago

Ein Pressesprecher von Rossmann-Konkurrent dm teilte der taz mit, die Drogeriemarktkette haben den Austritt aus dem Verband bereits „vor vielen Monaten erklärt“ und sei daher nicht mehr Teil der internen Meinungsbildung darin. Dm-Chef Christoph Werner ließ ausrichten, er lehne „die polarisierende Brandmauer-Debatte ebenso entschieden ab wie Positionen der Partei AfD, welche die freiheitlich-demokratische Grundordnung infragestellen“.

Mitglieder verschwinden von der Webseite

Die Gremien des Verbands hatten sich offenbar schon vor Monaten für eine Öffnung zur AfD entschieden: „Dass wir mit einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch kommen, ohne ihnen eine Bühne zu geben, haben wir im Frühjahr mit unserem Bundesvorstand, unseren Landesvorsitzenden und unseren Kommissionsvorsitzenden beschlossen und die Rückmeldungen aus der Mitgliedschaft unterstützen dieses Vorgehen“, heißt es in einer Stellungnahme, die am Mittwoch auf der Webseite veröffentlicht wurde.

Der Verband inszeniert sich als Sprachrohr deutscher Familienunternehmen oder des Mittelstands. Nach eigenen Angaben vertritt er „die Interessen von 180.000 Familienunternehmen“. Ebenfalls nach eigenen Angaben hat er aber nur rund 6.500 Mitglieder.

Auf Bitte der taz um Listeneinsicht reagierte der Verband nicht. Eine Rubrik mit „Unternehmensportraits“ verschwand von der Webseite und auch der Reiter „Präsidium/Gremien“, der die Führungsriege des Verbands listete, wurde entfernt. Viele der Firmen, die im Zusammenhang mit dem Verband zirkulieren, waren nie Mitglieder oder sind in den vergangenen Jahren ausgetreten, so etwa Merck, BMW, Thalia, Bahlsen oder Kärcher.

Fest steht aber: Einige von Deutschlands reichsten Unternehmern sind weiterhin Mitglied. Und auch: Der Name „Die Familienunternehmer“ ist vor allem politisch. Die Stiftung Familienunternehmen geht von etwa 2,9 Millionen Familienunternehmen in Deutschland aus – das wären 83 Prozent aller Firmen. Der Verband würde demnach nur 0,02 Prozent der tatsächlichen Familienunternehmer vertreten.

Lobby der Familienunternehmer

Und: „Familienunternehmer“ – das klingt nach dem Buchladen von nebenan oder dem Handwerksbetrieb, der seit Generationen weitergegeben wird. Tatsächlich betreibt der Verband aber Klientelpolitik für Überreiche. Für seine parlamentarische Lobbyarbeit gab er im Jahr 2024 laut Lobbyregister 1,6 Millionen Euro aus. Auf seinen Veranstaltungen tauchen regelmäßig Bundeskanzler und Mi­nis­te­r*in­nen auf.

Neben dem Verband tritt die Stiftung Familienunternehmen als Vertretung der Familienunternehmen auf. Sie hat formal nichts mit dem Verband zu tun und bekräftigt bisher öffentlich, weiterhin zur Brandmauer zu stehen. Beide eint jedoch ein erfolgreicher Kampf gegen eine wirksame Vermögensteuer ohne Schlupflöcher für Milliardäre, die ihr Erbe möglichst unversteuert an ihre Sprösslinge weitergeben wollen.

Der Soziologe Andreas Kemper sah die AfD schon 2013 als politisches Sprachrohr für den Verband Die Familienunternehmer, damals noch Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer

Die reichsten Männer Deutschlands haben ihren Reichtum über Unternehmen geerbt und vererbt. Etwa Dieter Schwarz, dessen Vermögen das Manager Magazin auf 46,5 Milliarden Euro schätzt. Seine Schwarz Gruppe umfasst unter anderem die Ketten Lidl und Kaufland. Auch mit von der Partie: die Aldi-Brüder, die Familien Klatten und Quandt, denen BMW gehört, oder die Oetker-Familie.

Was die reichen Familienunternehmer auch eint: Viele haben in der Zeit des Nationalsozialismus von den Kriegsverbrechen der Nazis profitiert oder gar Adolf Hitler unterstützt.

Schnittmengen zur AfD

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin von Die Familienunternehmer, betont: „Das Weltbild der AfD passt nicht zu unserer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Grundüberzeugung, weshalb wir Familienunternehmer die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD nicht scheuen.“ Das „Überbieten mit immer heftigeren Antifa-Parolen“ habe nichts gebracht.

Das Wirtschaftsprogramm der AfD bietet jedoch durchaus Schnittmengen. Auch die AfD inszeniert sich als Partei des kleinen Mannes, schützt aber vor allem Reichtum. Das spiegelt sich auch in der Einschätzung des AfD-Politikers, der bei der kritisierten Veranstaltung des Verbands im Oktober als Gast geladen war – Leif-Erik Holm. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, wo die AfD aktuell bei 38 Prozent liegt. Nächsten September wird dort gewählt.

Holm beschreibt den Abend gegenüber dem Deutschlandfunk als harmonisch. Man habe über Themen geredet, wo man Gemeinsamkeiten sieht. „Es ging natürlich um das Erbschaftssteuerthema, es ging um Entlastungen von Steuern und Abgaben, Energiepreise, Deregulierung“, sagte Holm dem Radiosender. Die AfD und der Verband wollen jeweils Reiche von Steuern entlasten, befürworten Investitionen in Fossile Energien und wollen Pflichten zu nachhaltigem und sozialem Wirtschaften abschaffen.

AfD und Familienunternehmer haben Geschichte

Die Nähe zwischen dem Verband und der AfD geht aber tiefer. Bereits 2013, wenige Wochen nach Gründung der AfD, schrieb der Soziologe Andreas Kemper: „Die Alternative für Deutschland ist gefährlicher als jede andere rechtspopulistische Partei, weil sie sich als parlamentarischer Arm der Familienunternehmer formiert.“ Er sah die AfD als „politisches Sprachrohr“ für den Verband Die Familienunternehmer, damals noch Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer, und die Stiftung Familienunternehmen.

Ein Jahr zuvor saß Ostermann noch als Vorsitzende des Junior-Ablegers des Verbands gemeinsam mit Beatrix von Storch, heute Vizechefin der AfD-Fraktion, und Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des rechtsextremen Magazins Compact, auf einem Panel zur Kritik am Euro. 2017 war Ostermann als Kuratoriumsmitglied zudem in beratender Funktion bei der libertären Hayek-Gesellschaft tätig, die sich für eine extreme Form der Deregulierung einsetzt und ebenfalls Verbindungen in die AfD hat.

Was viele nun als Tabubruch kritisieren, könnte auch ein weiterer Teil der Strategie sein, die AfD zu normalisieren und ihr rassistisches Gedankengut zu verharmlosen.

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