Neugründung der AfD-Jugend in Gießen: Bündnis widersetzt sich Aufmarsch der Höcke-Jugend
Zehntausende wollen die Neugründung der AfD-Jugend in Gießen blockieren. Die Polizei will mit über 5.000 Beamten ein Demoverbot durchsetzen.
Vor den Gegenprotesten gegen die Neugründung der Jugendorganisation der AfD haben am Mittwoch in Gießen Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU), Mittelhessens Polizeipräsident Torsten Krückemeier und Polizeiführer Jürgen Fehler das polizeiliche Einsatzkonzept vorgestellt. „Es wird hier an diesem Tag der größte Polizeieinsatz in Deutschland stattfinden“, sagte Poseck. Eingesetzt werden sollen Polizeihubschrauber, Drohnen, Wasserwerfer und die Pferdestaffel der Polizei. Die Polizei plane mit einer Einsatzstärke von 5.000 bis 6.000 Beamten, unterstützt durch 14 Bundesländer sowie der Bundespolizei.
Hessens Innenminister Poseck sprach in Gießen von einer „herausfordernden Großlage“, auf die sich die Polizei seit Monaten „mit Hochdruck“ vorbereite. Der überwiegende Teil der Protestierenden werde voraussichtlich friedlich demonstrieren, jedoch müsse man auch damit rechnen, dass wenige gewaltbereite und gewalttätige Teilnehmer dabei sein werden.
Poseck sprach von einer voraussichtlich dreistelligen Zahl solcher Teilnehmer, auch eine vierstellige Zahl sei nicht ausgeschlossen. Zudem gebe es entsprechende Gewaltaufrufe aus dem linken Spektrum, so der Innenminister. Die Gegendemonstrationen dürften außerdem nicht darauf ausgerichtet sein, eine andere Versammlung zu verhindern, sagte Poseck mit Blick auf die angekündigten Blockaden.
Das Bündnis „widersetzen“ widerspricht dem hessischen Innenminister: Alle ihre Versammlungen seien legitim, wichtig und vor allen Dingen notwendig, so das Bündnis der taz. „Unser Aktionskonsens besagt ganz klar, dass von uns keine Eskalation ausgehen wird.“ Der Innenminister antworte darauf mit einer Aufzählung seines Arsenals, von Pferden über Boote bis Unimogs sei alles dabei. „Diese Panikmache von Politik und Polizeipräsident soll mögliche Gewalt der Polizei rechtfertigen“, so das Bündnis. „An dieser Stelle sehen wir wieder einmal, wie Innenministerium und Polizei sich vom rechtsextremen Populismus beeinflussen lassen.“
Protest in der Nähe der Messe Gießen verboten
Die hessische Polizei rechnet inzwischen mit rund 57.000 Anreisenden aus dem gesamten Bundesgebiet. Für eine Überraschung sorgte die Stadt Gießen Ende vergangener Woche mit der Entscheidung, in der Gießener Weststadt, also im gesamten Umfeld des Veranstaltungsorts, keine Protestkundgebungen zuzulassen. Die Anti-AfD-Proteste sollen auf die andere Seite der Lahn ausweichen.
Zur Begründung verwies die Stadt auf Sicherheitsbedenken. „Die Sicherheitsbehörde war angesichts der gerade verstärkten Mobilisierung für diese Versammlungen wie auch durch Gewaltdrohungen zu der Einschätzung gelangt, dass eine Gefahr für die Unversehrtheit des Lebens der Versammlungsteilnehmenden selbst dort bestehe, wenn die Versammlungen im näheren Umfeld der Hessenhallen stattfänden.“ Grundlage der Entscheidung sei eine aktuelle Gefahrenanalyse der Polizei gewesen.
Betroffen sind unter anderem die angemeldeten Versammlungen des DGB Gießen, der Partei Die Linke, von Attac und des anarchistischen Camps, die dagegen vor Gericht ziehen. Das Bündnis erklärte, damit habe die Stadt einen ganzen Stadtteil zur „demokratiefreien Zone“ gemacht und rolle „den Faschisten den roten Teppich“ aus. „Wir werden das nicht zulassen und alle gemeinsam protestieren: Großeltern mit ihren Enkeln, migrantische Gruppen, Gewerkschaftlerinnen, Beschäftigte der Uni-Klinik, lokale Antifaschistinnen, Studierende und Schüler*innen.“ Ein erster Eilantrag des DGB Hessen scheiterte jedoch am Verwaltungsgericht.
Stadtversammlung Gießen gegen Extremismus
Zuletzt hatte die Gießener Stadtverordnetenversammlung sich mit der Resolution „Gießen steht zusammen: Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt – gegen Extremismus“, getragen von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, CDU, SPD, Gießener LINKE, Gigg+Volt, FDP und FW gegen die geplante Gründungsveranstaltung positioniert. „Die Gründung dieser Jugendorganisation, die rechtsextremes und demokratieverachtendes Gedankengut in die junge Generation tragen soll, stellt eine Bedrohung für unsere Demokratie dar – gleichwohl die Regeln unseres demokratischen Rechtstaates diese Veranstaltung erlauben“, hieß es von den Parteien gemeinsam.
Dem Bündnis, das für das Wochenende mit 200 Bussen Aktionen plant, gehören nach eigenen Angaben Gewerkschaften, Initiativen, antifaschistische Gruppen sowie NGOs aus über 80 Städten an. Zu konkreten Blockadepunkten äußerte sich das Bündnis zunächst nicht. Diese sollen am Samstag in den frühen Morgenstunden öffentlich gemacht werden, geplant sind Livestreams sowie fortlaufende Informationen über Social Media. Die Stadt bittet zudem darum, beim Besuch in der Weststadt ein Ausweisdokument mit Adressnachweis mitzuführen. Dieses dient als Nachweis dafür, dass ein berechtigtes Interesse besteht, die Weststadt zu betreten.
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