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Verstoß gegen TierschutzgesetzVerdächtige für Robbentötung im Visier

Vor einem Jahr starben 40 Kegelrobben vor Rügen. Nun wurden Tatverdächtige ermittelt. Ihnen drohen Geld- und sogar Haftstrafen.

Robben werden oft für schwindende Fänge und wirtschaftliche Schäden verantwortlich gemacht und dämonisiert – zu Unrecht Foto: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Es klingt nach einer neuen Folge der Krimi-Reihe „Stralsund“ – allerdings in einer ziemlich übergeigten Hardcore-Version mit Überlänge: Mehr als 40 Tote werden in nur rund vier Wochen im Greifswalder Bodden an der Südostküste der Insel Rügen aufgefunden. Die Ermittelnden sind ratlos. Trotz intensiver Untersuchungen kann keine gesicherte Ursache diagnostiziert werden, aber alle Opfer sind zweifelsfrei keines natürlichen Todes gestorben. Ihr Allgemeinzustand war blendend, gemeinsames Merkmal: „gut genährt“. Wer ist der Serienkiller, der die Moppelchen auf dem Gewissen hat? Und wie hat er es gemacht?

Ziemlich genau ein Jahr danach hat die Staatsanwaltschaft diese Woche zwei Verdächtige im Visier. Es ist vom „Anfangsverdacht einer vorsätzlichen Tötung“ die Rede. Die Motivlage ist noch unklar. Denkbar wären Gier, Eifersucht oder auch Hassverbrechen.

Tatsächlich hat dieser Krimiplot sich so ereignet, nur dass die Opfer Kegelrobben waren. Experten des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund vermuteten, dass die Tiere ertrunken sind. Nun ertrinken Robben natürlich nicht einfach so, weshalb der Verdacht nahelag, sie hätten sich in Netzen oder Reusen verfangen.

Mecklenburg-Vorpommerns Umwelt- und Fischereiminister Till Backhaus (SPD) hatte deshalb schon Ende letzten Jahres als Sofortmaßnahme verfügt, dass alle größeren Fischreusen mit speziellen Robbenschutzvorrichtungen versehen werden müssen, auch wenn ein Zusammenhang mit dem Tod der Tiere nicht bewiesen werden konnte und von Vertretern der Fischereiwirtschaft auch zurückgewiesen wurde.

Dass nun aber gegen zwei Verdächtige mit dem Verdacht der vorsätzlichen Tötung ermittelt wird, wirft ein anderes Licht auf den Fall.

Das größte Raubtier Deutschlands

Die Kegelrobbe ist mit einem Gewicht von bis zu 350 Kilo und einer Länge von bis zu 2,60 Metern das größte Raubtier Deutschlands. Ihren Namen verdankt sie der vage kegelförmigen, langgezogenen Kopfform, die auch das deutlichste Unterscheidungsmerkmal zum gemütlicheren und kleineren Seehund ist. Die Kegelrobbe ist gerade erst wieder zurückgekehrt in ihre angestammten Gewässer in der deutschen Ostsee, denn vor etwa hundert Jahren ist sie dort weitgehend ausgerottet worden.

Was die einen als großen Erfolg für den Naturschutz feiern, ist den anderen ein Dorn im Auge. Denn die großen Robben konkurrieren mit dem Menschen um den ohnehin knapp gewordenen Fisch in der Ostsee. Im Schnitt zehn Kilo davon verputzen sie durchschnittlich pro Tag.

Wie bei Wolf oder Kormoran werden die Robben deshalb oft für schwindende Fänge und wirtschaftliche Schäden verantwortlich gemacht und dämonisiert, und wer sich für ihren Schutz einsetzt, gleich mit. Dabei sind die zumindest unter Wasser ausgesprochen eleganten Jäger selbstverständlich unschuldig am weitgehend verschwundenen Fischbestand. Wer allerdings auf dessen tatsächliche Ursachen hinweist – Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung, Überfischung –, macht sich bei den Kegelrobbenhassern schnell ähnlich unbeliebt wie die Robben selbst.

Bei der klassischen Krimi-Frage also, wer denn ein Motiv gehabt haben könnte, muss man leider festhalten: viel zu viele. Höchste Zeit also, dass die Kegelrobbenskeptiker ihre unsachliche Rhetorik herunterfahren, um nicht weitere Verbrechen zu provozieren. Sollte im aktuellen Fall Anklage erhoben werden, drohen den Tätern wegen Verstoßes gegen Tier- und Artenschutzgesetze hohe Geld- und sogar Haftstrafen.

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1 Kommentar

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  • Aus Spaß Tiere abschlachten gehört doch zur Norm dachte ich? Kühe, Schweine, Hühner, da zahlen die Mörder keine Strafen.