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Unionsstreit über RentenreformJunge-Union-Chef sagt „Nein“ zum Rentenpaket

Die Mitglieder der Jungen Gruppe wollen einzeln entscheiden, wie sie im Rentenstreit abstimmen. Die CDU-Spitze gibt sich trotzdem optimistisich.

Johannes Winkel, der Vorsitzende der Jungen Union (JU), am 27. November im Bundestag Foto: Annegret Hilse/reuters

Zumindest bei einem ist es jetzt klar: Johannes Winkel, der Vorsitzende der Jungen Union (JU), wird dem Rentenpaket der Koalition im Bundestag nicht zustimmen. Das kündigte Winkel am Montagvormittag im CDU-Bundesvorstand an, wie Generalsekretär Carsten Linnemann mitteilte. Aus Parteikreisen hieß es, der JU-Chef werde mit Nein stimmen, sich also nicht enthalten.

Weiter offen ist, wie sich die anderen 17 jungen Unionsabgeordneten verhalten werden. „Als Junge Gruppe halten wir das Rentenpaket für nicht zustimmungfähig. Dabei bleibt es.“, hieß es zwar am Montagnachmittag in einer gemeinsamen Erklärung. Danach ist aber auch von staatspolitischer Verantwortung die Rede, von Rücksicht auf den Koalitionsfrieden und der weiteren Regierungsarbeit. Am Ende heißt es: „Vor diesem Hintergrund wird jedes Mitglied der Jungen Gruppe die Argumente abwägen und eine Entscheidung treffen.“

Seit Wochen äußern die jungen Abgeordneten von CDU und CSU scharfe Kritik an dem Rentenpaket, dem das Kabinett bereits zugestimmt hat. Ihre Forderung, es noch einmal aufzuschnüren, blieb ohne Erfolg. Als Zugeständnis soll es einen Entschießungsantrag geben, der die noch im Dezember einzusetzende Rentenkommission mit Aufträgen austattet – auch die Forderung der jungen Abgeordneten, soll dann dort zumindest geprüft werden. Die Junge Union stößt sich am Vorhaben der Koalition, das Rentenniveau über 2031 hinaus bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens zu stabilisieren. Das verursache insbesondere für die nachfolgenden Generationen Kosten in Milliardenhöhe.

Weil die Junge Gruppe 18 Mitglieder hat, die schwarz-rote Koalition aber nur eine Mehrheit von 12 Stimmen, ist das Abstimmungsverhalten der jungen Abgeordneten entscheidend. Inzwischen geht es dabei nicht mehr nur um eine Sachfrage, sondern um die Zukunft der Koalition.

Unterdessen bemüht man sich in der CDU um Optimismus. „Ich gehe davon aus, dass dieses Rentenpaket so den deutschen Bundestag passieren wird“, sagt Linnemann. Er sei „sehr, sehr zuversichtlich“, sagt Fraktionsvize Matthias Middelberg im Deutschlandfunk. Und Fraktionschef Jens Spahn hatte bereits am Sonntagabend in der Talkshow „Caren Miosga“ die Parole ausgegeben, „die Mehrheit ist im Werden“.

Einzelgespräche bei Pizza und Rotwein

Dazu werden die Mitglieder der Jungen Gruppe derzeit bearbeitet, zum Teil in Einzelgesprächen bei Pizza und Rotwein bei Spahn zu Hause. Dass er dabei auch Druck anwende, wie einige der jungen Abgeordneten beklagten, stritt Spahn ab. Er führe „freundliche, klare“ Gespräche. Drohungen gehörten nicht zu seinem Handwerkszeug. Das allerdings darf man getrost bezweifeln. Nicht nur für die Koalition, auch für Spahn persönlich steht viel auf dem Spiel. Es ist sein Job, die notwendige Mehrheit in der Unionsfraktion zu organisieren. Das ist bei der verpatzten Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin bereits einmal schief gegangen. Ein zweites Versagen dürfte auch für ihn persönlich Konsequenzen haben.

Ich gehe davon aus, dass dieses Rentenpaket so den deutschen Bundestag passieren wird

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär

Öffentlich äußern sich die einzelnen Mitglieder der Jungen Gruppe bislang nicht. Aber es mehren sich die Stimmen aus der Fraktion die von einem Splitting der Stimmen ausgegehen. Einige könnten zustimmen oder sich enthalten und eine Erklärung abgeben, dass sie inhaltliche Bedenken haben, aber die Koalition nicht gefährden wollen. Das Vorbild dafür könnten ausgerechnet die linken Grünen um Christian Ströbele und ihr Verhalten bei der Abstimmung über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan sein, den 2001 der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einer Vertrauensabstimmung verknüpft hatte.

Schon länger wird darüber spekuliert, dass etwa Philipp Amthor, der Staatssekretär im Digitalministerium und damit Regierungsmitglied ist, für das Rentenpaket stimmen könnte. In einer schwierigen Rolle ist als Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion auch Catarina dos Santos. Die Unionsfraktion wird am Dienstagnachmittag noch einmal über die Rente diskutieren, die Sitzung werde „lange dauern“, glaubt Linnemann. Wie viele Ab­weich­le­r*in­nen es geben werde, wisse er nicht. In der Sitzung werde „einmal abgestimmt und dann geschaut“. Steht bei der Probeabstimmung die Mehrheit, will die Koalition den Gesetzentwurf noch in dieser Woche durch den Bundestag bringen. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte, er rechne mit einer Abstimmung am Freitag.

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11 Kommentare

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  • Was mich aufregt ist der grundsätzliche Stuss, der wohl schon im Koalitionsvertrag steht!

    Wer zur Hölle kommt darauf erst für Tatsachen zu sorgen und DANACH eine Expertenkommission einzusetzen?

    Das kann doch nur in die Hose gehen!

    Daher kann ich sehr gut verstehen dass manche sich auch aus diesem Grund quer stellen. In Summe aber leider zu wenig!

    Was steckt da dahinter? Mit gesundem Menschenverstand und Realitätssinn hat das gar nichts mehr zu tun!

    Gesinnung schlägt Realität und verbaut eine sinnvolle Lösung für die Zukunft

  • Das gleiche was hier die jungen Unioner als großen Fehler anführen bestätigen alle Ökonomen, selbst Jens Südekum, der persönliche Berater von Klingbeil. Ich finde es super das sich Politiker endlich wieder Gedanken machen wie etwas zu finanzieren ist, außerhalb der Generallösung von Links ( für alle Themen ) sich einfach bei den "Reichen" zu bedienen. Wer noch einen Beweis gebraucht hat das die SPD null Interesse an einer Reform hat, zeigt der Satz von Bas : die Beiträge bleiben gleich, die Mehrkosten werden aus Steuermittel bezahlt.

  • Nuja. Als vermutlich eifrige Springer-Leser folgen diese Leute willig dem Irrsinn, der aus Hamburg in die Welt gespien wird. Lenin hatte mal ein schönes Wort für solche Leute.



    Aus Sicht der SPD muss man sich die Frage stellen, wozu Vereinbarungen mit den Schwatten überhaupt gut sind, wenn bei jeder Gelegenheit ein paar Hinterbänkler die getroffenen Vereinbarungen gegenstandslos machen.

  • Ja Springer wirkt mächtig. Inzwischen sogar bis hier: gegen "Vorhaben der Koalition, das Rentenniveau über 2031 hinaus bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens zu stabilisieren." ist sachlich falsch. Nach 2031 soll laut Entwurf der Nachhaltigkeitsfaktor wirken und zu einer langsamen Senkung führen. Die andere Behauptung macht nicht mal die JU selbst, sondern nur die Springer Presse.

  • Bitte beim Nein bleiben!



    Das Rentenpaket ist keine Reform, sondern das Verschließen der Augen vor Tatsachen.



    Nicht nur, dass der jüngeren Generation unverhältnismässig hohe Kosten bleiben. Es wird sogar noch mehr obendrauf gepackt.

  • Für mich riecht das alles nach einer abgekarteten Farce, mit der die Union sich aus dem gemeinsamen Beschluss mit der SPD rauswinden will.

    Merz gibt sich optimistisch, verliert die Abstimmung, weint eine Krokodilsträne und beschwört die SPD auf ihre staatspolitische Verantwortung, und das war es dann.

  • Völlig unrealistisch, aber ein bisschen I have a dream: Parteiausschlussverfahren für diese "Jungen" mit den altversteinerten Ansichten.

  • Junge Menschen wie vom Typus Johannes Winkler, aus der JU versuchen sich durch Starsinnigkeit zu profilieren, es geht Johannes Winkler offensichtlich parteipolitisch in erster Linie um die eigene Position / Karriere, nicht um die Sache an sich. Solche egomanen, Karriere fixierten Leutz braucht unser Land nicht in unserem Parlament, schon gar von unserem Steuergeldern finanziert.

  • Junge Union, junge Union..., man kann es nicht mehr hören.

    Wie man schon in den 80ern Weise über die hören sagte: „Alt geboren und nichts dazugelernt“ — eine Bemerkung, die nicht ohne Grund nicht in Vergessenheit geraten ist. Es ist kaum zu leugnen, dass es nicht unproblematisch ist, wenn sich eine deutsche Bundesregierung von einem solchen Verein, der nicht zufällig vom Axel‑Springer‑Verlag präsentiert und gebrieft wird, in eine dauerhafte Abhängigkeit begibt. Es wäre nicht klug, sich dem Dauererpressungspotenzial auszuliefern; Standhaftigkeit ist nicht ohne Bedeutung, zumal es nicht an Unterstützern aus Grünen und Linken bei Renten-Abstimmungen mangeln würde, 20-30 wären da locker ohne Gespräche möglich. Am sinnvollsten wäre es wohl, wenn der harte Kern der Axel‑Springer‑Verlag-Fans nicht untätig bliebe und in die AfD-Fraktion wechselte — es dürften nicht mehr als fünf bis sechs Abgeordnete sein; die übrigen 12 sind ohnehin Mitläufer, die auch unter Merz noch was werden wollen. So bliebe weiterhin eine Mehrheit von 6 Stimmen für Union/SPD.

    Reisende soll man nicht aufhalten; mit Erpressern lässt sich nicht regieren.

  • Ein klares "Nein" wäre besser. Dieses Rentenpaket ist keine Reform, sondern ein Verschliessen der Augen vor der Realität. Oder direkt gesagt, nicht nur das Verschieben der Probleme hin zur jüngeren Generation, sondern es wird zusätzlich einfach nochmal was draufgepackt.

  • Wer hätte gedacht, das die Union noch unzuverlässiger und noch ideologischer ist als die FDP...



    Nun ja, wenigstens wissen die Unionspolitiker ja aus dem Ende der Ampel, wie wenig die WählerInnen Unzuverlässigkeit und Chaos schätzen.