Unionsstreit über Rentenreform: Junge-Union-Chef sagt „Nein“ zum Rentenpaket
Die Mitglieder der Jungen Gruppe wollen einzeln entscheiden, wie sie im Rentenstreit abstimmen. Die CDU-Spitze gibt sich trotzdem optimistisich.
Zumindest bei einem ist es jetzt klar: Johannes Winkel, der Vorsitzende der Jungen Union (JU), wird dem Rentenpaket der Koalition im Bundestag nicht zustimmen. Das kündigte Winkel am Montagvormittag im CDU-Bundesvorstand an, wie Generalsekretär Carsten Linnemann mitteilte. Aus Parteikreisen hieß es, der JU-Chef werde mit Nein stimmen, sich also nicht enthalten.
Weiter offen ist, wie sich die anderen 17 jungen Unionsabgeordneten verhalten werden. „Als Junge Gruppe halten wir das Rentenpaket für nicht zustimmungfähig. Dabei bleibt es.“, hieß es zwar am Montagnachmittag in einer gemeinsamen Erklärung. Danach ist aber auch von staatspolitischer Verantwortung die Rede, von Rücksicht auf den Koalitionsfrieden und der weiteren Regierungsarbeit. Am Ende heißt es: „Vor diesem Hintergrund wird jedes Mitglied der Jungen Gruppe die Argumente abwägen und eine Entscheidung treffen.“
Seit Wochen äußern die jungen Abgeordneten von CDU und CSU scharfe Kritik an dem Rentenpaket, dem das Kabinett bereits zugestimmt hat. Ihre Forderung, es noch einmal aufzuschnüren, blieb ohne Erfolg. Als Zugeständnis soll es einen Entschießungsantrag geben, der die noch im Dezember einzusetzende Rentenkommission mit Aufträgen austattet – auch die Forderung der jungen Abgeordneten, soll dann dort zumindest geprüft werden. Die Junge Union stößt sich am Vorhaben der Koalition, das Rentenniveau über 2031 hinaus bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens zu stabilisieren. Das verursache insbesondere für die nachfolgenden Generationen Kosten in Milliardenhöhe.
Weil die Junge Gruppe 18 Mitglieder hat, die schwarz-rote Koalition aber nur eine Mehrheit von 12 Stimmen, ist das Abstimmungsverhalten der jungen Abgeordneten entscheidend. Inzwischen geht es dabei nicht mehr nur um eine Sachfrage, sondern um die Zukunft der Koalition.
Unterdessen bemüht man sich in der CDU um Optimismus. „Ich gehe davon aus, dass dieses Rentenpaket so den deutschen Bundestag passieren wird“, sagt Linnemann. Er sei „sehr, sehr zuversichtlich“, sagt Fraktionsvize Matthias Middelberg im Deutschlandfunk. Und Fraktionschef Jens Spahn hatte bereits am Sonntagabend in der Talkshow „Caren Miosga“ die Parole ausgegeben, „die Mehrheit ist im Werden“.
Einzelgespräche bei Pizza und Rotwein
Dazu werden die Mitglieder der Jungen Gruppe derzeit bearbeitet, zum Teil in Einzelgesprächen bei Pizza und Rotwein bei Spahn zu Hause. Dass er dabei auch Druck anwende, wie einige der jungen Abgeordneten beklagten, stritt Spahn ab. Er führe „freundliche, klare“ Gespräche. Drohungen gehörten nicht zu seinem Handwerkszeug. Das allerdings darf man getrost bezweifeln. Nicht nur für die Koalition, auch für Spahn persönlich steht viel auf dem Spiel. Es ist sein Job, die notwendige Mehrheit in der Unionsfraktion zu organisieren. Das ist bei der verpatzten Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin bereits einmal schief gegangen. Ein zweites Versagen dürfte auch für ihn persönlich Konsequenzen haben.
Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär
Öffentlich äußern sich die einzelnen Mitglieder der Jungen Gruppe bislang nicht. Aber es mehren sich die Stimmen aus der Fraktion die von einem Splitting der Stimmen ausgegehen. Einige könnten zustimmen oder sich enthalten und eine Erklärung abgeben, dass sie inhaltliche Bedenken haben, aber die Koalition nicht gefährden wollen. Das Vorbild dafür könnten ausgerechnet die linken Grünen um Christian Ströbele und ihr Verhalten bei der Abstimmung über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan sein, den 2001 der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einer Vertrauensabstimmung verknüpft hatte.
Schon länger wird darüber spekuliert, dass etwa Philipp Amthor, der Staatssekretär im Digitalministerium und damit Regierungsmitglied ist, für das Rentenpaket stimmen könnte. In einer schwierigen Rolle ist als Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion auch Catarina dos Santos. Die Unionsfraktion wird am Dienstagnachmittag noch einmal über die Rente diskutieren, die Sitzung werde „lange dauern“, glaubt Linnemann. Wie viele Abweichler*innen es geben werde, wisse er nicht. In der Sitzung werde „einmal abgestimmt und dann geschaut“. Steht bei der Probeabstimmung die Mehrheit, will die Koalition den Gesetzentwurf noch in dieser Woche durch den Bundestag bringen. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte, er rechne mit einer Abstimmung am Freitag.
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