Moderne Sklaverei: Zu profitabel, um bekämpft zu werden
50 Millionen Menschen leben in moderner Sklaverei. Die Akteure, die sie bekämpfen müssten, sind oft kompromittiert. Und die Öffentlichkeit schaut weg.
F ast 50 Millionen Menschen leben heute in Sklaverei – mehr als zu irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte. Sklaverei steckt in den Produkten, die wir täglich konsumieren: Kakao, Kaffee, Zucker, Tee, Baumwolle, Palmöl, Nüsse, Reis, Thunfisch, Rindfleisch, Leder und Handys. Selbst Produkte, die als „ethisch“ oder „nachhaltig“ zertifiziert werden, beruhen oft auf Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Alle der 2.000 größten globalen Unternehmen haben Sklaverei und Kinderarbeit in ihren Lieferketten.
Die Institutionen, die Sklaverei bekämpfen sollten, sind viel zu oft kompromittiert. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) startete Anti-Sklaverei-Programme, die ausgerechnet von Mars finanziert wurden – einem Unternehmen, das seit Jahren für die Ausbeutung von Kindern und Erwachsenen in der Produktion von Kakao, Zucker, Nüssen und Palmöl dokumentiert ist. Einige NGOs, darunter Anti-Slavery International, haben Regierungen sogar aktiv davon abgehalten, Importverbote für Waren durchzusetzen, die mit Kinderarbeit hergestellt wurden.
Gleichzeitig führen Politikerinnen und Politiker in Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Norwegen und der Schweiz Initiativen an, die darauf abzielen, die Ausbeutung von Sklaven und Kindern durch globale Konzerne zu entkriminalisieren, statt echte Verantwortung durchzusetzen. Auch Medien tragen eine Mitverantwortung. Viel zu selten wird hingeschaut, wenn Unternehmen Dutzende Millionen Menschen ausbeuten. Dieses mediale Schweigen hat dazu beigetragen, ein globales Verbrechen zu verbergen, das direkt vor unseren Augen stattfindet.
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Sklaverei existiert weiter, weil sie profitabel ist – und weil diejenigen, die von ihr profitieren, die Systeme kontrollieren, die sie angeblich stoppen sollen. Wir müssen uns diesen unbequemen Wahrheiten stellen und für die Freiheit der zig Millionen Menschen handeln, die noch immer in moderner Sklaverei gefangen sind. Um moderne Sklaverei zu beenden, brauchen wir unabhängige Institutionen, durchsetzbare Gesetze, vollständige Transparenz und echte Rechenschaftspflicht – nicht freiwillige Richtlinien und PR-Kampagnen.
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