: Automatisierte Vergesslichkeit
Wir fragen ChatGPT nach Rezepten und lassen uns vom Handy durch die Stadt navigieren. Das kann, falsch angewendet, zu weniger kognitiver Leistung führen. Machen wir es aber richtig, schafft es im Kopf mehr Raum für andere Dinge
Von Franca Parianen
Eine vorveröffentlichte Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) sorgte kürzlich für Schlagzeilen: „Wer mit ChatGPT arbeitet, häuft kognitive Schulden an.“ Für das Experiment schrieben Versuchspersonen über mehrere Sitzungen Essays. Ein Teil von ihnen arbeitete eigenständig, ein zweiter mithilfe von Suchmaschinen und der dritte durfte ChatGPT einsetzen. Letzteren bescheinigten die Forschenden weniger vernetzte Gehirnaktivierung und einen schwächeren Lerneffekt. Außerdem fiel es ihnen schwerer, korrekt aus ihren eigenen Essays zu zitieren.
Seitdem gab es viel Kritik an der Studie, unter anderem wegen der zu kleinen Versuchspersonenanzahl für robuste neurowissenschaftliche Erkenntnisse. Doch wenn eine wackelige Studie noch vor der Veröffentlichung solche Wellen schlägt, dann trifft sie offensichtlich einen Nerv. In diesem Fall zahlt sie auf eine weit verbreitete Befürchtung ein: Macht die Technik uns alle blöd? Oder, etwas zurückhaltender gefragt: Was macht das mit unserem Denken, wenn wir immer mehr davon an digitale Begleiter abgeben? Und wie sollten wir damit umgehen?
Tatsächlich ist die MIT-Studie nicht die Einzige, die sich kritisch mit den Effekten von KI-Nutzung beschäftigt. So berichteten etwa polnische Forschende in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet gerade, dass Ärzt*innen, die Darmkrebs-Screenings über drei Monate mit KI-Unterstützung absolvierten, danach in ihrer eigenständigen Arbeit weniger aufmerksam und engagiert waren. Ohne Hilfe der Bilderkennung erkannten sie Krebserkrankungen jetzt nur noch in 22 Prozent der Fälle – vorher waren es noch 27 Prozent.
Mindestens eine weitere Studie befindet, dass Studierende, die besonders viel KI einsetzen, selbst weniger kritisch denken (was allerdings auch der Grund für den KI-Einsatz sein könnte). Und selbst Studierende, die KI grundsätzlich als hilfreiches Werkzeug bewerten, äußern sich langfristig besorgt um ihre Denkfähigkeit.
Sorgen gab es schon vor der KI
Inzwischen hat sich sogar der Papst in die Debatte eingeschaltet, mit dem Rat, die Hausaufgaben nicht ChatGPT zu überlassen und KI im Allgemeinen nur so einzusetzen, dass sie „dein wahres menschliches Wachstum nicht begrenzt“.
Dabei ist die Sorge um unsere kognitiven Fähigkeiten weitaus älter als künstliche Intelligenz. Sie beschäftigt uns bei fast allen Technologien, die in der Lage sind, uns Denkarbeit abzunehmen.
So zum Beispiel auch bei Navigationssystemen. Denn die Beeinflussbarkeit unserer räumlichen Fähigkeiten ist legendär. Spätestens, seit die Forschung erstmals feststellte, dass Londons Taxifahrern beim Navigieren durch die örtlichen 26.000 Straßen buchstäblich neue Nervenzellen im Hippocampus sprießten. Heute, 25 Jahre später, sorgt sie sich nicht nur bei Taxifahrern, dass genau diese Fähigkeit mit dem Gebrauch von Navigationssoftware nachlässt. Wahrscheinlich, weil wir dank Navi bestimmte räumliche Fähigkeiten seltener gebrauchen. Etwa uns eine Karte einzuprägen oder sie in unserem Kopf zu rotieren. „Use it or lose it“ – nutze es oder verliere es – so lautet das Arbeitsprinzip unseres Gehirns.
Auch das automatisierte Fliegen kann solche Gewöhnungseffekte auslösen, sodass Pilot*innen im Experiment ohne die Unterstützung des Autopiloten plötzlich sehr viel ungelenker sind. Beides sind Folgen des sogenannten „Cognitive Offloading“, bei dem wir Denkarbeit an Technologie abgeben.
Aber ist das überhaupt ein Problem? Schließlich soll uns die Technik das Leben ja erleichtern. Ist es nicht praktisch, wenn irgendwann niemand mehr wissen muss, wie man einen Doppeldecker startet, eine Pferdekutsche einparkt oder eine Kupplung kommen lässt?
Um zu unterscheiden, an welche Fähigkeiten wir uns klammern sollten und welche wir getrost ausrangieren können, lohnt es sich zu verstehen, was im Gehirn passiert, wenn wir entsprechende Technologien einsetzen – als Gedächtnisstütze oder als automatisierte Helfer – und inwiefern sich der bisherige Einsatz von KI davon unterscheidet.
Dabei gilt zunächst einmal festzuhalten, dass Cognitive Offloading keine neumodische Angewohnheit unseres Gehirns, sondern eine bekannte und bewährte Strategie ist. Immerhin ist diese Welt groß und detailreich und unser mentaler Arbeitsspeicher stark begrenzt. Darum ziehen wir beim Zählen unsere Finger hinzu, notieren Termine im Kalender und verkünden unseren Partner*innen, dass wir beim Einkaufen die Spülmaschinentabs nicht vergessen dürfen.
Dieses Abladen schafft Platz im Kopf. Besonders dann, wenn wir viel zu tun haben, gestresst sind oder unser Arbeitsspeicher mit dem Alter nachlässt. Wer Informationen im Experiment abspeichern darf, kann danach beispielsweise schneller wieder neue lernen. Und wer neben den Spülmaschinentabs auch noch den Rest des haushaltstechnischen Mental Load an die Partnerin auslagert, hat mehr Kapazitäten für Selbstfindung und Filme von Quentin Tarantino.
Seit es Smartphones gibt, tragen wir allerdings schier unbegrenzte Mengen an Information in unserer Jackentasche herum. Eine Möglichkeit, die wir inzwischen so intensiv nutzen, dass die Forschung von einer Verlagerung der Kompetenzen spricht – weg von der Information, hin zur Informationsgewinnung. Anders gesagt: Junge Leute wissen aus dem Kopf zwar weniger Jahreszahlen, Flussläufe oder Baumarten als frühere Generationen, aber sie wissen ausgezeichnet, wie man alles davon online nachschlägt.
Unser Wissen und Können ist dank Internet quasi unbegrenzt und genauso scheinen wir uns auch zu fühlen. Denn wenn wir etwas erfolgreich gegoogelt haben, halten wir uns danach für klüger und versprühen selbst offline mehr Selbstvertrauen bei der nächsten Frage.
Auf der Festplatte, aus dem Sinn
Auf der Ebene des Gedächtnisses macht es allerdings durchaus einen Unterschied, ob wir uns an ein Konzept erinnern oder nur daran, wie man es googelt. Rufen wir etwa die Erinnerung an ein beliebtes Kochrezept wach, dann aktiviert das nicht nur die Webadresse irgendeiner Rezeptseite, sondern ein ganzes Netzwerk an Nervenzellen, weckt Assoziationen zu Zutaten, Texturen und Gerüchen. Nach dem Gebrauch bleiben diese neuronalen Bahnen noch eine ganze Weile sensibilisiert, was uns hilft, neue Informationen dazuzulernen oder bekannte zu konsolidieren.
Wenn wir dagegen Informationen nur kurz nachschlagen, um gleich darauf die nächste Frage ins Handy zu tippen, bleibt das Wissen um die erste Antwort im Kopf wahrscheinlich ungefähr so tief verankert, wie die Backanleitung auf dem Pizzakarton (die wir jetzt wieder aus dem Müll fischen müssen, um noch mal nach der Minutenzahl zu gucken).
Tatsächlich erscheint schon die Erwartung, dass Informationen uns später zur Verfügung stehen, dafür zu sorgen, dass wir sie von Anfang an schwächer aufnehmen. Wer etwa im Museum fotografiert, kann die Artefakte danach schlechter beschreiben. Und wer weiß, dass er eine Merkliste später abspeichern kann, erinnert sich vor allem, wo sie gespeichert ist.
Damit neue Informationen in unserem Gehirn nicht lose verpuffen, ist es also wichtig, hin und wieder gegenzusteuern und sie ganz bewusst aufzunehmen. Dabei kann es helfen, sie mit allen Sinnen zu erleben, oder einfach, sich danach Zeit zu nehmen, darüber nachzudenken, zu sprechen oder zu schlafen. Auch die Verknüpfung mit vorhandenem Wissen lässt sich fördern, indem wir neuen Lernstoff bewusst in unterschiedlichen Kontexten wiederholen, in der Schule auch bekannt als fächerübergreifendes Lernen.
Wie wichtig es ist, eine Wissensbasis zu schaffen, in die sich neues Wissen integrieren lässt, sehen wir auch bei der Automatisierung. Zum Beispiel bei unseren Pilot*innen vom Anfang, die ohne Autopiloten erwartbar in Schwierigkeiten gerieten. Unerwartet war dagegen, dass diese Schwierigkeiten weniger in den routinierten, sonst automatisierten Abläufen auftraten als in den komplexen Entscheidungen, dem Ändern von Routen etwa.
Als Erklärung gilt, dass routinierte Abläufe erst dadurch zur Routine werden, dass wir sie regelmäßig durchführen. So lange, bis sie ins sogenannte prozedurale Gedächtnis übergehen, dessen Inhalt wir automatisiert abspulen können. Wie ein Klavierstück, das die Finger nach langem Üben wie von selbst spielen.
Zum Problem wird Übungsmangel auch, wenn die Technik nicht ordnungsgemäß funktioniert – das erkennen wir am besten mit Erfahrung. So wie eine geübte Pflegekraft aufmerkt, wenn ein Computerprogramm ihr plötzlich das Hundertfache einer üblichen Medikamentendosis vorschlägt. Oder wir selbst bei „14 mal 12“ den Taschenrechner zu Rate ziehen, aber zucken, wenn er dann 17.328 ausspuckt. Dass wir unseren Tippfehler bemerken, liegt vor allem daran, dass wir diese Rechnung irgendwann oft genug ohne technische Hilfe vollbracht haben.
Auch wenn sich ein Prozess vollständig automatisieren lässt, ergibt es oft Sinn, ihn zunächst eigenständig zu lernen.Für unser logisches Denken könnte dieser Lernprozess wichtiger sein als lange angenommen. Während wir neue Abläufe speichern, sucht unser Gehirn unentwegt nach Parallelen und Mustern. Die zuständigen Hirnregionen, Basalganglien genannt, die unser prozedurales Gedächtnis verwalten, speichern grammatikalische Regeln unabhängig von ihrer Sprache. Sie sorgen dafür, dass wir auch im Arabischen nicht erst neu lernen müssen, was Subjekt, Prädikat und Objekt sind. Oder dass wir exponentielles Wachstum bei Algenpopulationen ähnlich gut verstehen wie bei Viren. Je mehr wir wissen, desto leichter fällt es uns, neue Informationen in solche Schemata zu integrieren, oder dabei sogar neue Erkenntnisse zu generieren.
Wer sich dagegen nur flüchtig mit Informationen auseinandersetzt, dem fehlt später nicht nur das Gelernte, sondern auch die Struktur, um neues Wissen daran anzuknüpfen.
Das heißt, gerade da, wo es (Sprach-)Regeln und Logik zu durchdringen gibt, kommen wir um Eigenarbeit nicht herum. Der Verzicht darauf bedeutet wahrscheinlich auch einen deutlichen Preis für die Qualität unseres Denkens. Das gilt besonders für Kinder, deren Superkraft das intuitive, prozedurale Lernen ist, weshalb sie Sprachen auch einfach aufschnappen können, während Erwachsene Vokabeln büffeln.
Macht uns die Technik also eher inkompetent und lässt sich der Schaden durch sparsamen Einsatz gerade so begrenzen? Wo sind die Vorteile des Informationszeitalters hin? Immerhin gehört es zu unseren großartigsten menschlichen Fähigkeiten, dass wir auch auf das Wissen anderer zählen können, die besser verstanden haben, wie man Bücher druckt, Krankheiten heilt oder Spülmaschinen repariert.
Wie ein gewinnbringender Umgang mit Technologie aussehen kann, hat eine US-amerikanische Studie mit Blick auf politische Entscheidungen untersucht. Dafür ließen die Forschenden Hunderte Freiwillige über Monate einen fiktiven Vorwahlkampf verfolgen. Ein Teil von ihnen konnte sich dafür in einer digitalen Umgebung informieren, in der sie bei jeder Sitzung, wie im Netz, alte und neue Nachrichtenartikel auswählen, speichern und jederzeit wieder abrufen konnten. Die anderen wurden bei jeder Sitzung mit neuen Informationen konfrontiert, die sie nur einmal zu sehen bekamen, ähnlich einer Tageszeitung oder der Abendnachrichten. Das Ergebnis: Diejenigen in der digitalen Speicherumgebung konsumierten insgesamt weniger Informationen, die aber intensiver. Am Ende trafen sie fundiertere Wahlentscheidungen, die mehr im Einklang mit ihren politischen Interessen standen.
„Die Versuchspersonen nutzen den digitalen Raum als eine Erweiterung ihres Gehirns“, sagten die Forschenden. Die Teilnehmenden luden Informationen nicht einfach im digitalen Raum ab, sondern machten davon Gebrauch, Artikel wieder aufzurufen und noch mal in einem neuen Kontext zu lesen. Sie wussten auch mehr über ihre Kandidat*innen, wenn man den Zugang zum Intranet abstellte.
Digitale Technik kann also sehr wohl unser Denken und sogar unser Gedächtnis beflügeln. Aber nur in dem Ausmaß, in dem wir mitdenken.
Auch andere Erkenntnisse zeigen, dass diese Art hybrider Arbeit mit technischen Hilfsmitteln am besten funktioniert. Den Pilot*innen empfiehlt die amerikanische Flugaufsicht, halbautomatisch zu steuern. Auch beim Navigieren mit GPS können wir unser Gedächtnis auf Trab halten, wenn wir uns nicht nur durch Pfeile lenken lassen, sondern uns Wegbeschreibungen anhand von Bauwerken und anderen Merkmalen ausgeben lassen. Beim Fotografieren im Museum sorgt das Heranzoomen an spezifische Elemente dafür, dass wir uns an das Gesamtobjekt wieder besser erinnern. Und selbst in der MIT-Studie vom Anfang dieses Textes konnten am Ende die Studierenden am besten aus ihren Essays zitieren, die selbst schreiben mussten, aber dabei Suchmaschinen nutzen durften.
Arbeit abzuladen ist verführerisch
Womit wir wieder bei den KIs wären. Denn die laden ja gerade dazu ein, uns die komplette Arbeit abzunehmen. Warum ein spezifisches Problem nachschlagen, wenn mir ChatGPT auf Mausklick ein fertiges Computerscript, eine komplette Recherche oder eine E-Mail in fließendem Französisch generiert? Warum mich verbessern, wenn ich das vorgefertigte Ergebnis vielleicht erst in Jahren erreiche?
Für den Lerneffekt. Auch wenn ich online zum zigsten Mal das gleiche Verb nachschlage, habe ich dabei immerhin große Chancen, dass die Konjugationsregeln irgendwann hängen bleiben. Wenn ich Texte per Copy and Paste einfach übersetze, nicht. Auch wer selbst keine Zeit mit dem Schreiben von Texten verbracht hat, wird Schwierigkeiten haben einzuschätzen, ob ChatGPTs Essay wirklich besser ist.
Der Verführung, Arbeit abzugeben, werden wir wohl trotzdem des Öfteren erliegen. Die Offloading-Forschung zeigt, dass wir im Zweifel fast immer zum Abladen tendieren, sodass Versuchspersonen sich selbst zwei Wörter zur Sicherheit lieber aufschreiben.
Ein zweiter Knackpunkt in der digitalen Erweiterung unseres Gehirns liegt darin, dass Wissen, das wir auf externen Datenträgern speichern, natürlich auch externen Risiken unterliegt. So reicht schon die Verschlechterung der Google-Suchfunktion, damit Informationen, die wir jederzeit abrufbar glaubten, auf einmal schwer zugänglich sind. Wir sollten uns also da, wo es drauf ankommt, nie ganz auf die Dienste großer Technikkonzerne verlassen. Eine Lektion, die auch Millennials kennen, die sich früher von Facebook an Geburtstage erinnern ließen und nach ihrem Ausstieg dort jedes Jahr neu austüfteln müssen, wann es Zeit ist, ihren engsten Freund*innen zu gratulieren.
Noch weitaus gezielter hat zuletzt die US-amerikanische Regierung Informationen aus digitalen Archiven gelöscht – zu Schwarzen oder queeren Menschen, Klimawandel oder epidemiologischer Forschung. Eine Sorge, die Forschende dazu brachte, nächtelang Daten zu kopieren, um ihr externalisiertes Menschheitswissen zu retten, wie aus Alexandrias brennender Bibliothek.
Auch in Zeiten allseits verfügbarer Information kann Wissen also unwiederbringlich verloren gehen, wenn sich Leute nicht persönlich verpflichtet fühlen, es zu bewahren. Die Datengrundlage der gängigen Chatbots ist jedoch so undurchsichtig, dass sich solche Verantwortung kaum übernehmen lässt. Bei der Nutzung gilt daher, was Papst Leo rät: Arbeite so, dass du noch genauso kompetent wärst, wenn die KI heute verschwände.
Wenn das Werkzeug lügt
Es gibt noch eine dritte Krux beim Balanceakt, unsere Denkleistung digital zu optimieren. Dass die Menschen in der Wahlkampfstudie bessere Entscheidungen treffen konnten, lag daran, dass sie Zugang zu korrekten Informationen hatten. Wenn wir das Gehirn als offenes System begreifen, müssen wir allerdings auch anerkennen, dass es sehr anfällig ist. Etwa für Fehlinformationen, Propaganda und Geschichtsfälschung.
Die Qualität der Information ist noch schwerer abzuschätzen, wenn KIs ohne Quellenangaben arbeiten oder ihre Arbeitsweise sprunghaft verändern. Wer den Chatbot von X/Twitter um Antworten bittet, erhält je nach Version mal akkurate Informationen, mal antisemitische Verschwörungstheorien oder den Hinweis, Michelle Obama wäre ein Mann. Selbst bei weniger offensichtlich gesteuerten KIs fand eine von der BBC veranlasste Studie gravierende Fehler in 45 Prozent der Zusammenfassung journalistischer Artikel.
Ein großes Problem, wenn man bedenkt, dass weltweit bereits jetzt 15 Prozent der 25-Jährigen angeben, dass sie Nachrichten von KI-Assistenten beziehen. Und was ist, wenn die Informationen, die eine KI ausgibt, immer schlechter werden?Diese sogenannte Enshittification ist für unsere Tendenz zum Cognitive Offloading ein Problem, weil wir es gewohnt sind, dass unsere externen Hilfsmittel in ihrer Leistung stabil bleiben. Unsere Finger, Rechenmaschinen und Notizbücher können nicht alles, aber das, was sie können, ist sehr verlässlich. Auch unsere Interaktionspartner*innen und ihre Kompetenz können wir mit der Zeit einschätzen. Dagegen steht das selbstbewusste Auftreten der Chatbots oft im Widerspruch zur Entwicklung ihrer Kompetenz. Wo sie vor einem Jahr beispielsweise noch in 30 Prozent der Fälle angaben, Fragen nicht beantworten zu können, sank diese Zahl inzwischen nahe null. Im gleichen Zeitraum hat sich die Anzahl halluzinierter Antworten auf 35 Prozent verdoppelt.
Ob uns solche qualitativen Unterschiede auffallen, ist fraglich. Eine aktuelle Untersuchung zur Arbeit mit KIs bestätigt: Menschen überschätzen systematisch, wie stark künstliche Intelligenz ihre Arbeit verbessert. Ironischerweise betraf das vor allem diejenigen, die besonders viel mit KI arbeiten, also am ehesten über deren Beschränkungen informiert sein müssten.
Wahrscheinlich liegt hier die größte Herausforderung für unser kritisches Denken: mit technischen Hilfsmitteln mindestens genauso kritisch umzugehen wie mit dem Output unseres Gehirns.
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