piwik no script img

Dänisch-ukrainische RüstungskooperationEin explosives Projekt

Eine ukrainische Rüstungsfirma baut im dänischen Dorf Vojens jetzt eine neue Raketenfabrik. Am Montag erfolgte dort der erste Spatenstich.

Im August 2023 kündigten Präsident Wolodomyr Selenskyi und Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen den Bau der Fabrik an Foto: Mads Claus Rassmussen/AP/dpa
Anne Diekhoff

Aus Härnösand

Anne Diekhoff

Diese Premiere ist umstritten: Ein ukrainisches Rüstungsunternehmen baut in Dänemark eine Fabrik für Raketenbrennstoff. Sie ist Teil der europäischen Aufrüstung im Zuge des Ukraine-Kriegs. Die Bevölkerung des Dorfs Vojens im dänischen Süderjütland war über die Aussicht auf das explosive Unterfangen in ihrer Nachbarschaft nicht begeistert, sie muss sich aber nun an den Gedanken gewöhnen. Am Montagnachmittag war Spatenstich in der Nähe des Militärflughafens Skrydstrup.

Schon im kommenden Jahr soll hier die Produktion von Treibstoff für ukrainische Raketen starten. Und zwar geschützt vor russischen Angriffen – in diesem Fall war das der entscheidende Standortvorteil des Nato-Landes Dänemark. Hier baut nun das Unternehmen Fire Point, das hinter dem neuen ukrainischen Langstrecken-Marschflugkörper „Flamingo“ steckt.

In Dänemark sorgen derzeit vor allem Korruptionsgerüchte um die ukrainische Firma Fire Point für Aufsehen. Laut dem dänischen Rundfunk DR gibt es bislang zwar keine offiziellen Vorwürfe der Antikorruptionsbehörde. Das Unternehmen werde dort aber noch überprüft.

Raketenartig aufgestiegene Rüstungsfirma

Die Gerüchte basierten vor allem darauf, dass Fire Point raketenartig zu einem der wichtigsten Rüstungsunternehmen des Landes geworden sei. „Da wächst die Sorge, es könne eine politische Einmischung geben“, sagte Ukraine-Korrespondentin Matilde Kimer am Montag.

Zur Baustarts-Zeremonie der Fire Point-Fabrik in Dänemark wurden Dänemarks Wirtschaftsminister Morten Bødskov, der Bürgermeister der Kommune Haderslev Mads Skau und Fire Point-Direktor Vyacheslav Bondarchuk erwartet.

„Wir sind jetzt als Land daran beteiligt, sicherzustellen, dass die Ukraine den wichtigen Kampf gegen die Übermacht Russlands führen kann“, hatte der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen bei der Bekanntgabe des Projekts im September gesagt. Man sei stolz, die Firma in Dänemark willkommen zu heißen.

Am Montag sagte er in Brüssel dem dänischen Rundfunk DR, dass man ein besonderes Auge auf mögliche Korruptionsvorwürfe habe. Er werde bei seinem geplanten Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen auch darüber sprechen.

Turbogenehmigung durch neues Gesetz

Um einen schnellen Start der neuen Fabrik zu ermöglichen, nutzte die dänische Regierung ein neues Gesetz, mit dem sie Genehmigungen an bestimmten Vorschriften vorbei erteilen kann, wenn ein Projekt „wesentlichen nationalen Verteidigungszielen oder zivilen Bereitschaftszielen“ dient.

Rechtsexperten bewerteten das Vorgehen kritisch. „Eine sehr scharfe Formulierung wäre, dass man sich vom Rechtsstaat abmeldet“, hatte etwa Michael Gøtze, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Kopenhagen, dem DR gesagt. Die Frage sei, ob es ein Muster sei, an das man sich gewöhnen müsse, oder ob es bei dieser Fabrik eine ganz besondere Situation sei.

Seit vor Ort in Vojens bekannt wurde, was da entsteht, gab es mehrere Bürgerversammlungen und das Versprechen der Regierung: Es werde sicher bleiben, dort zu leben.

Den Berichten zufolge sollen mehrere bestehende Gebäude auf dem Grundstück ersetzt werden. Fire Point habe zusammen mit Beratern und dänischen Behörden neue Gebäude geplant, die sich sowohl zur sicheren Produktion als auch Lagerung des Raketenbrennstoffs eigneten. Drucksichere Türen, verstärkte Wände und ausreichender Abstand zu Nachbargrundstücken gehörten zu den genannten Maßnahmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare