Kosten von Kaffee: Aldi Süd und Tchibo streiten über Preise
Kaffeeröster Tchibo wirft dem Discounter vor, Kaffee zu preiswert zu verkaufen. Nun prüft das Oberlandesgericht Düsseldorf den Fall.
dpa/taz | Wie günstig darf Kaffee sein? Diese Frage beschäftigt jetzt den 6. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Anlass ist eine Unterlassungsklage von Tchibo gegen Aldi Süd.
Der Hamburger Kaffeeröster wirft dem Lebensmitteldiscounter vor, seit Ende 2023 regelmäßig Kaffees seiner Eigenmarke Barissimo unter den Herstellungskosten angeboten zu haben – und damit zu billig. Dies schade dem Wettbewerb und den Verbrauchern. Aldi Süd verstoße damit gegen das Gesetz. Tchibo will dem Konkurrenten verbieten lassen, den Kaffee zu derart niedrigen Preisen zu verkaufen. Erster Verhandlungstag ist am heutigen Dienstag, eine Entscheidung wird noch nicht erwartet.
Der Rechtsstreit geht damit in die zweite Runde. In erster Instanz war Tchibo gescheitert. Die Richter des Landgerichts Düsseldorf wiesen die Klage im Januar ab. Das Vorgehen von Aldi Süd sei kaufmännisch vertretbar, hieß es damals. Es liege keine Gefahr vor, dass der Wettbewerb beeinträchtigt werde. Auch sei keine Absicht erkennbar, andere Unternehmen vom Markt zu verdrängen. Tchibo ging daraufhin in Berufung.
Discounter lässt Kaffee selbst produzieren
Rupprecht Podszun, Professor für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ordnet den Fall so ein: „Niedrige Preise sind genau das, was Wettbewerb erreichen soll.“ Problematisch würden sie erst, wenn damit Konkurrenten dauerhaft vom Markt verdrängt werden sollten, um anschließend die Preise für das eigene Produkt zu erhöhen.
Laut Tchibo hat Aldi Süd bestimmte Kaffeesorten zeitweise mit erheblichen Verlusten verkauft – von zwei Euro pro Kilo und mehr ist die Rede. Der Discounter lässt den eigenen Kaffee von seiner Tochter New Coffee produzieren.
Aus Sicht von Podszun zeigt der Fall beispielhaft die sich verändernden Machtverhältnisse in der Branche. „Die großen Lebensmittelhändler, die den Markt beherrschen, dringen immer tiefer in die Herstellung ein.“ Handelsketten wie Aldi seien längst keine reinen Verkäufer mehr. Sie entwickelten sich zu Lebensmittelkonzernen und übernähmen mit Eigenmarken und eigenen Produktionsstätten zunehmend größere Teile der Wertschöpfung.
Bezüglich der Chancen von Tchibo sagte Podszun: „Auf mich wirkte das Urteil des Landgerichts klar und sauber am Gesetz entlang begründet.“ Die beiden Unternehmen wollten sich vor Beginn des Verfahrens auf Nachfrage nicht äußern.
Preise für Kaffee stark gestiegen
Lebensmittelhändler arbeiten mit Mischkalkulationen. Bei einigen Artikeln sind die Margen höher, bei anderen geringer. Sogenannte Eckpreisartikel wie Kaffee oder Butter haben eine besondere Zugkraft, weil hier besonders auf die Preise geachtet wird. Die Ketten bieten sie oft vergünstigt an, um Kunden in die Läden zu locken.
Kaffeehändler und -röster erleben derzeit herausfordernde Zeiten. Im vergangenen Jahr stiegen die Rohkaffeepreise stark, vor allem wegen schlechter Ernten. Treiber ist hier der Klimawandel, der Krankheiten befördert und Bäume zerstört. Viele Kaffeehersteller haben versäumt, in nachhaltigen Anbau zu investieren, und stattdessen auf anfälligere Monokulturen gesetzt. Kaffeebäuerinnen in Brasilien oder Vietnam profitieren von den hohen Preisen nicht, viele von ihnen erhalten nicht einmal existenzsichernde Einkommen. Auch Sklavenarbeit ist weiterhin ein Problem auf vielen Farmen.
Infolge der höheren Rohstoffpreise kündigte auch Tchibo Anfang des Jahres an, seine Preise erneut zu erhöhen. Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland müssen für das beliebte Heißgetränk deutlich tiefer in die Tasche greifen als vor ein paar Jahren. Bohnenkaffee war im Oktober laut Statistischem Bundesamt knapp 58 Prozent teurer als 2020.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert