Gefahr bei Umwelttechnologien: Greentech boomt, aber Europa verliert gegen China
Die EU und Deutschland könnten von der Transformation profitieren, geben aber ihre Führungsrolle an die Volksrepublik ab. Das birgt Risiken.
Auch wenn Trump oder die AfD den Klimawandel leugnen: Greentech boomt – und Europa verspielt seine Führungsrolle an China. Das ist das Ergebnis von gleich zwei aktuellen Untersuchungen. Umwelttechnologien hätten sich trotz mauer Konjunktur und politischem Widerstand zur am zweitschnellsten wachsenden Branche nach der Informationstechnologie entwickelt, zeigt eine Analyse der Unternehmensberatung BCG und des Weltwirtschaftsforums vom Dienstag. 2024 überschritten danach die globalen Umsätze mit umweltfreundlicher Technologie die Schwelle von 5 Billionen Dollar. Bis 2030 sollen 7 Billionen Dollar erreicht sein.
Für die Studie analysierte BCG die Finanzdaten von mehr als 6.500 börsennotierten Unternehmen weltweit. Firmen mit einem relevanten Anteil „grüner“ Umsätze wuchsen danach seit 2020 doppelt so schnell wie Unternehmen ohne solche Aktivitäten. Die Ursache: Die massiven Kostensenkungen des vergangenen Jahrzehnts – Solar und Batterien minus 90 Prozent, Offshore-Wind minus 50 Prozent – hätten Greentech wettbewerbsfähiger gemacht.
Etwa die Hälfte der globalen CO₂-Emissionen ließen sich heute schon rentabel mit Solar- und Windenergie, Elektromobilität und Energieeffizienz reduzieren, weitere 20 Prozent könnten mit geringen Mehrkosten gesenkt werden. „Die grüne Transformation ist längst kein politisches Projekt mehr, sondern ein globaler Wachstumssektor“, sagt Studien-Koautor Patrick Herhold.
Der Haken: Europa profitiert nicht mehr so stark vom Ökoboom, weil mittlerweile China die Maßstäbe setzt. Gerade deutsche Firmen könnten in der Branche durch ihre „Ingenieur- und Technologiestärke eigentlich überdurchschnittliche Chancen haben“, so Koautor Jens Burchardt. „Doch beim Hochlauf der Green Economy geraten wir zunehmend ins Hintertreffen.“ Ursache: teurer Strom, lange Genehmigungsverfahren, mangelnde Investitionsanreize.
China gehe strategischer vor: Mehr Geld fließe in Umwelttechnik, das festige die Kontrolle über die Wertschöpfungsketten. 2024 habe die Volksrepublik 659 Milliarden Dollar für CO₂-freie Energieversorgung ausgegeben, Europa 410 Milliarden Dollar, die USA 310 Milliarden. Das „Epizentrum der Innovation“ habe sich „nach China verlagert“, heißt es in der Studie.
China führend bei Solar, Batterien und Elektrolyseuren
Welche Gefahren das birgt, zeigt eine weitere Untersuchung vom Montag. Weil China sich eine dominante Position in internationalen Lieferketten für Solarmodule, Batterien und Elektrolyseure für Wasserstoff erkämpft habe und seinen Anteil am Markt für Elektrofahrzeuge ausbaue, befinde sich Europa in diesen Zukunftsbranchen in einer Abhängigkeitsfalle. Deutschland müsse von seiner „Abhängigkeit von russischem Gas lernen und sich bei grünen Technologien nicht von China abhängig machen“, fordert Klimaökonom Michael Jakob von Climate Transition Economics, Koautor der Untersuchung des vom Bund geförderten Klimaprojekts Ariadne.
Auch bei den für grüne Technologien wichtigen Rohstoffen wie Grafit und seltene Erden dominiere die Volksrepublik den Weltmarkt, bei raffiniertem Lithium und Kobalt kontrolliere sie die Hälfte der Produktion. Rat der Studie: Förderung, Forschung und den Aufbau von Infrastruktur im Inland, außerdem staatlich garantierte Mindestabnahmemengen oder staatlich finanzierte Vorhaltekapazitäten, um im Krisenfall eine Mindestversorgung sicherzustellen.
Außerdem müssten bei Energie und Rohstoffen strategische Reserven angelegt werden, bei Mikrochips wären diese wegen hoher Spezialisierung und wegen des schnellen Wertverfalls ungeeignet. Auch Handelsbeschränkungen halten die Autor*innen für kontraproduktiv.
Neben dem Aufbau einer Kreislaufwirtschaft schlagen die Forschenden Handelsquoten und gestaffelte Zollkontingente vor, die sicherstellen, dass der Importanteil von Gütern aus einem einzelnen Land unter einem bestimmten Schwellenwert bleibt. „Zollkontingente wurden beispielsweise für Elektro- und Hybridfahrzeuge in Brasilien eingeführt“, erklärt Koautor Joschka Wanner von der Universität Würzburg. Wenn das Kontingent überschritten werde, „greift für alle zusätzlichen Importe aus diesem Land ein höherer Zollsatz“.
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