Repression in Kamerun: Oppositionsführer Aniect Ekane stirbt in Haft
Die Repression in Kamerun seit den Wahlen fordert ein prominentes Opfer. Der Tod des 74-jährigen Ekane im Militärgewahrsam sorgt für Entsetzen.
Er überstand die Haft gerade mal 38 Tage. Am 24. Oktober war Anicet Ekane, einer der letzten alten Führer der nationalistischen Linken in Kamerun, festgenommen worden – am 1. Dezember starb er im Militärgewahrsam. Kamerun steht unter Schock. Der 74-jährige Ekane ist das bisher prominenteste Todesopfer der Repression seit der umstrittenen Wahlen vom 12. Oktober.
In Haft kam Ekane am Vorabend der amtlichen Verkündung des Wahlsieges von Präsident Paul Biya, dem 92-jährigen Autokraten, der Kamerun seit 1982 regiert. Kameruns Opposition erkannte das amtliche Ergebnis nicht an, der wichtigste Oppositionskandidat, Issa Tchiroma, reklamiert den Sieg für sich und lebt jetzt in Gambia im Exil. Bei den wochenlangen Protesten starben mindestens 48 Menschen.
Ekane hatte mit seiner Partei Manidem (Afrikanische Bewegung für neue Unabhängigkeit und Demokratie) Tchiromas Kandidatur unterstützt. Manidem ist die Nachfolgeorganisation der historischen kamerunischen Befreiungsbewegung UPC (Union der Bevölkerungen von Kamerun). Die UPC hatte erst gegen die französische Kolonialherrschaft gekämpft und ab 1960, als Frankreich Kamerun unter einem profranzösischen Marionettenregime in die Unabhängigkeit entließ, gegen Kameruns neue Herren. Der letzte Anführer des bewaffneten UPC-Untergrunds, Ernest Ouandié, wurde am 15. Januar 1971 in der Stadt Bafoussam zusammen mit anderen öffentlich erschossen.
„Ein Leichnam fürchtet keinen Sarg“
Mehrere Demokratieaktivisten in Kamerun haben dieses Ereignis später als prägend für ihren Widerstand gegen die Diktatur bezeichnet – darunter auch der damals 19-jährige Ekande. Er erlebte die öffentliche Hinrichtung in seiner Heimatstadt direkt mit und identifizierte sich zeitlebens mit dem Kampf der zerschlagenen UPC. Das Regime könne seine Generation nicht mehr einschüchtern, sagte er noch vor wenigen Monaten in einem Interview: „Ein Leichnam fürchtet keinen Sarg.“
Als Anicet Ekane in Haft kam, befand er sich in medizinischer Behandlung, aber medizinische Betreuung wurde ihm verwehrt. Er sei ja bloß kurz in Untersuchungshaft, hieß es zur Begründung. Nach kamerunischem Recht hätte er spätestens nach acht Tagen entweder offiziell beschuldigt oder freigelassen werden müssen.
Stattdessen wurde er aus der Hafenmetrople Douala in die Hauptstadt Yaoundé verlegt und zum SED (Staatssekretariat für Verteidigung) gebracht, die Ermittlungsbehörde der kamerunischen Gendarmerie – also Militärgewahrsam. Das SED ist ein berüchtigtes Isolationsgefängnis auf dem weitläufigen Gendarmeriegelände von Yaoundé, wo schon viele politische Gefangene ohne Kontakt zur Außenwelt gesessen haben. Ekanes Angehörige konnten nicht zu ihm. Eine Anklage blieb aus. Appelle zu seiner Verlegung in ein Haftkrankenhaus wurden ignoriert, zuletzt am Sonntag.
Kameruns Opposition im Entsetzen vereint
Am Montag wurde Ekandes Ehefrau beim SED vorgeladen. Ohne weitere Erklärung übergab man ihr den Leichnam ihres Mannes. Er sei einer „chronischen Krankheit“ erlegen, obwohl man ihn „korrekt“ behandelt habe, hieß es offiziell; die Regierung gab sich „konsterniert“.
Die Öffentlichkeit reagiert fassungslos, Kameruns ansonsten zerstrittene Opposition ist im Entsetzen vereint. Oppositionsführer Issa Tchiroma erklärte: „In diesem Land wird jeder Oppositionelle als Krimineller behandelt, jede abweichende Stimme als Bedrohung.“
An den Toten gerichtet, schrieb er: „Ich verspreche dir, vor Gott und dem Volk: Dein Tod war nicht umsonst“, und ans Regime Biya gerichtet: „Ihr habt nicht ein Leben gebrochen, ihr habt eine Nation zum Leben erweckt. Und diese Nation, durch ihre Märtyrer gestärkt, wird nicht mehr zurückweichen.“
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