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Schattenaußenpolitik der AfDDer rechte Sehnsuchtsort

Die AfD will auf der internationalen Bühne punkten. In den USA wird sie bislang nur von der zweiten Reihe empfangen. Aber man teilt Feindbilder.

Stratege für den autoritären Umbau: Vizepräsident J. D. Vance, hier auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 14. Februar 2025 Foto: Leah Millis/reuters
Gareth Joswig

Aus Berlin

Gareth Joswig

Kürzlich noch skandierten AfD-Jungradikale mal wieder „millionenfache Remigration“ von der Parteitagsbühne und ergingen sich unter dem Gejohle von rund 900 Nachwuchs-Rechtsextremen in verfassungsfeindlichen Vertreibungsfantasien.

Wie man das konkret machen will? Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich, Selbstbezeichnung das „freundliche Gesicht des NS“, sagte am Rande der Veranstaltung: Für eine „robustere Abschiebepolitik muss man im Augenblick nur in die USA schauen“ – „da geht man den richtigen Weg“. Er sei davon überzeugt, dass unter der AfD eine Behörde wie ICE auch in Deutschland rigoros durchgreifen müsse.

Zur Erinnerung: ICE ist die Behörde, die maskiert und vielfach rechtswidrig im Stil einer bewaffneten Bürgerwehr nach rassistischen Kriterien willkürlich Personen festnimmt und damit in den USA Angst und Schrecken verbreitet. Dort kann man sich momentan in Echtzeit anschauen, wie der Abriss einer liberalen Demokratie funktioniert.

In die USA schauen – das tun derzeit innerhalb der extrem rechten Partei so einige. Eine zweistellige Zahl von AfD-Abgeordneten ist derzeit in den USA unterwegs, um Kontakte zu knüpfen und Anschlussfähigkeit zu simulieren. Dabei dürfte es auch darum gehen, Tipps für den autoritären Umbau von Demokratien zu bekommen. Ebenso erhofft man sich im Kampf gegen die politische Isolation weitere amerikanische Unterstützung sowie Rückendeckung im Falle eines Verbotsverfahrens. Dass Trumps Zollpolitik Deutschlands Wirtschaft massiv schadet, ist ein gerne ignorierter Nebenwiderspruch beim derzeitigen Trump-Hype in der AfD.

Während das Ifo-Institut wegen der US-Zölle seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum senkt, reisen also AfD-Bundestagsabgeordnete auf Staatskosten zum Champagnerschlürfen zu einer Black-Tie-Gala der Young Republicans in New York. Allen voran: der baden-württembergische AfD-Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl, Markus Frohnmaier, der sich auf mehreren USA-Reisen in diesem Jahr zunehmend im „MAGAverse“ vernetzt hat.

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Frohnmaier soll bei der Young-Republicans-Gala am Samstag als Ehrengast einen Preis für seine „mutige Arbeit“ in der angeblich „unterdrückenden und feindseligen politischen Umgebung Deutschlands“ verliehen bekommen. Der MAGA-Nachwuchs will sich damit für eine „neue staatliche Ordnung“ in Deutschland einsetzen.

Die New York Young Republicans haben ohnehin ein Faible für Deutsche: Kürzlich wurden interne Chats der Nachwuchsradikalen bekannt, in denen sie über ihre Liebe zu Hitler witzelten und von Gaskammern für ihre politischen Feinde fabulierten. Vor zwei Monaten waren schon einmal zwei AfD-Abgeordnete bei den New York Young Republicans zu Gast – da wurde dann bei deutschem Bier prompt die im NS gebräuchliche erste Strophe des Deutschlandlieds angestimmt.

Klar wird in der neuen US-Sicherheitsstrategie: Trumps Strategen wollen mit Regime Change von rechts am liebsten die EU zerschlagen. Die „patriotischen Kräfte“ wie die AfD sind dabei ihr trojanisches Pferd, um Europa zu schwächen.

Tatsächlich liest die US-Strategie sich so, als hätten sie Ideologen aus der AfD geschrieben. Bemüht werden rassistische Diskurse um Einwanderung, die Europa zerstöre, und die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Sie eint dabei ein Feindbild: der westliche Liberalismus.

Trump empfing auch Merz mit allen Ehren

Im Grunde verschriftlicht das Papier aus dem Weißen Haus den schon im Februar 2025 auf der Münchner Sicherheitskonferenz von Vize-Präsident J.D. Vance vorgegebenen Kurs – als dieser vor versammelter EU-Führung inklusive CDU-Kanzler Friedrich Merz gegen die Brandmauer anredete und sich im Anschluss demonstrativ mit Alice Weidel traf.

Zugleich ist aber auch klar: Trump empfing auch Kanzler Merz mit allen Ehren. Und bisher trifft sich nur Trumps zweite bis dritte Reihe mit AfD-Leuten. Parteichef Tino Chrupalla reiste schon hoffnungsfroh zur Amtseinführung des US-Präsidenten, durfte ihr allerdings nicht direkt beiwohnen.

Und auch Beatrix von Storch, eigentlich über ihre alten radikalreligiösen Netzwerke gut vernetzt, blitzte ab: Sie durfte nur mit Beratern reden, postete aber eifrig Videos, aufgenommen vor dem Zaun des Weißen Hauses.

Sie soll mit ihrem forschen Social-Media-Auftritt sogar die Trump-Administration verärgert haben, wie aus der AfD zu hören ist. Danach schaffte sie es aber immerhin, einen radikalreligiösen MAGA-Influencer und Social-Media-Troll für einen eher bizarren Vortrag in den Bundestag zu lotsen.

Zweifelhafte Ge­sprächs­part­ne­r*in­nen

Jetzt wollen die AfD-Leute vor allem besonders radikale Lautsprecher aus der Maga-Bewegung treffen. So soll Frohnmaier die republikanische Kongressabgeordnete Anna Paulina Luna treffen, eine besonders schrille Maga-Vertreterin mit Wehrmachts-Opa. Sie verglich Deutschland kürzlich mit der Sowjetunion und traf zuletzt auch schon die rechtsextreme Influencerin Naomi Seibt, die sich in Deutschland als verfolgte Dissidentin inszenierte. Luna setzt sich auch für den Austritt der USA aus der Nato ein.

Der unter Korruptionsverdacht stehende EU-Abgeordnete Petr Bystron hat sich zudem mit Trumps Propagandistin Kari Lake getroffen, eine ehemalige Fox-News-Moderatorin. Sie ist Trumps designierte Chefin von „Voice of America“, das renommierte Auslandsradio, das sich gerade im Umbau zum tatsächlichen Staatsfunk befindet. Bystron sagte der taz, er habe mit ihr über „Pressefreiheit“ gesprochen – oder was man eben dafür hält.

Ebenso will der AfD-Politiker sich im Justizministerium als Opfer inszenieren. Dort habe er besprochen, „wie Deutschland und Europa die Justiz missbraucht zur Unterdrückung der Opposition“, so Bystron zur taz. Gegen Bystron läuft unter anderem ein staatsanwaltschaftliches Verfahren wegen Korruption, weil er Gelder aus einem russischen Propaganda-Netzwerk angenommen haben soll.

Die Anbiederung an die USA gefällt aber nicht allen in der AfD: Völkische Ideologen wie Benedikt Kaiser finden zwar gut, wie Volkstribun Trump die Massen für den autoritären Umbau hinter sich schart, warnten aber zugleich davor, sich den Amis zu sehr anzubiedern – wie sonst will man das im Osten als Politik für den kleinen Mann framen?

Man will selbst europäischer Hegemon werden

Zumal man ja sonst immer gerne antiamerikanisch gegen den transatlantischen „Hegemon“ geraunt hat, der im Nachkriegsdeutschland mit der „Re-Education“ der Bundesrepublik das wahre Deutschsein abtrainiert habe – der angebliche „Schuldkult“ lässt grüßen. Stattdessen will man selbst der europäische Hegemon werden – den Blick frei nach Carl Schmidt schonmal auf die schmerzlich vermissten Ostgebiete.

Klar ist: Für die AfD gibt es mit den USA neben Ungarns illiberaler Demokratie von Viktor Orbán ein weiteres Rolemodel für den autoritären Umbau des Staates. In Ungarn hatten in den letzten Jahren häufig internationale Vernetzungstreffen autoritärer Kräfte stattgefunden – auch Trump bewundert den ungarischen Staatschef schon länger und schickte auch in diesem Jahr eine Video-Grußbotschaft zum sogenannten ungarischen C-PAC.

Auch die AfD wurde dieses Jahr erstmals wieder eingeladen, nachdem sie aufgrund ihrer Radikalisierung international zuletzt eher isoliert war. Umso mehr freute Weidel sich, dass sie in diesem Jahr dort reden durfte und sogar wie ein Staatsgast in Ungarn empfangen wurde.

In die USA reisen will die Parteichefin erst bei einer Einladung aus Washington, die ihrer selbst würdig scheint. Weidel hofft auf eine Einladung von Vize-Präsident J. D. Vance oder sogar Donald Trump selbst.

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2 Kommentare

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  • Bedenklicher ist doch, dass auch Teile der Union sich direkt oder über Umwege wie einschlägige Stiftungen an die Maga-Bewegung heranwanzen. Ganz vorne dabei Spahn und Amthor, zwei bewährte Totengräber der Demokratie.

  • "In den USA wird sie bislang nur von der zweiten Reihe empfangen."



    Das ist wohl eher Wunschdenken, bedenkt man die auch im Artikel genannte Tatsache, dass "auf der Münchner Sicherheitskonferenz (...) Vize-Präsident J.D. Vance (...) vor versammelter EU-Führung inklusive CDU-Kanzler Friedrich Merz gegen die Brandmauer anredete und sich im Anschluss demonstrativ mit Alice Weidel traf."



    Zudem dann noch die schon in vielen Medien diskutierte Thematik, dass Trump Deutschland im Falle eines eröffneten AfD-Verbots mit zusätzlichen Zöllen belegen würde...



    Insofern simuliert die AfD aktuell nicht nur Anschlussfähigkeit in den USA - die AfD holt sich dort gerade vielmehr die endgültige Rückversicherung ein, dass ein Parteiverbotsverfahren gegen sie niemals erst gestartet wird, zumindest nicht so lange die Republikaner in den USA an der Macht sind und sich deren außenpolitische Agenda nicht grundlegend ändert.