Bestseller-Autor scheitert an Bowie-Ode: Verunglückte Verehrung
Frank Schätzing war in seiner Jugend Fan des britischen Popchamäleons David Bowie. Aber warum musste er davon mit dem Buch „Space Boy“ Zeugnis ablegen?
Keine Ausrede diesmal! Endlich gilt es, das Werk eines Bestsellerautors zu lesen, um herauszufinden, ob der Verdacht, dass Kommerz zwangsläufig um den Preis geringer literarischer Qualität erkauft wird, wirklich ein Vorurteil ist.
Frank Schätzing, Deutschlands Antwort auf Flughafenliteraten wie Dan Brown und Ken Follett, hat ein Buch über David Bowie veröffentlicht. „Space Boy“ misst knapp 400 Seiten. Man muss sich also nicht mit einem ziegelsteinschweren Schmöker durch einen Ökoplot inklusive Ressourcenkämpfen auf dem Mond quälen.
Ein Lesevergnügen ist Schätzings Bowiebuch leider dennoch nicht. Schon allein wegen der Vielzahl von abgegriffenen Metaphern, verqueren Vergleichen und insbesondere dem, was Schätzing das „goldene Volksgut der Redewendungen“ nennt. So formuliert er etwa, Bowies künstlerische Persona vereine „mehr Ingredienzien in sich als ein südindisches Curry“.
Selbstverliebt über alle Maßen
Der Untertitel „Über David Bowie. Über mich.“ tut zwar bescheiden, obgleich Schätzing versichert, er spreche nur über sich. Um die immense Wirkung von Bowie auf einen Allerweltsjugendlichen zu demonstrieren, ist „Space Boy“ über alle Maßen selbstverliebt geraten. Ein Elaborat, in dem der Autor Episode um Episode aus seiner Adoleszenz aneinanderreiht, um den Lesern und Leserinnen die These einer tiefgreifenden Seelenverwandtschaft zwischen Bowie und Schätzing anzudrehen.
Frank Schätzing: „Space Boy – Über David Bowie. Über mich“. KiWi, Köln 2025, 400 Seiten, 24 Euro
Hier der talentierte Kölner Vorstadtsproß „kleinjungenhaft, Rotbäckchen-fickerig“, dort der Londoner Suburban Boy Bowie. Peinlich genug. Zum anderen soll seinen Fans versichert werden, dass er, der Frank, auch mit rund fünf Millionen verkauften Büchern unverändert eine fiese Möpp vom kölsche Klüngel sei. Jemand, der sich nie vom Träumen abhalten ließ. Weshalb seine Träume alle wahr wurden! Tröstet dergleichen jene Leserinnen und Leser, deren Träume scheiterten?
Dass er keinesfalls eine weitere Bowie-Biografie schreiben wollte, beteuert Schätzing. Was ihn freilich nicht davon abhält, den Karriereweg von Major Tom von A bis Z nachzuerzählen. Dabei hat er keinerlei neue Erkenntnisse zu bieten, allenfalls sind in „Space Boy“ gelegentlich originelle Einsichten zu finden.
Manch Räuberpistole mehr
Inbrünstig repliziert Schätzing dagegen altbekannte Klischees und versteift sich auf fadenscheinige Legenden (wie die angebliche Sexorgie im Publikum nach dem Abschiedskonzert von „Ziggy Stardust“), die er seiner Leserschaft unkritisch als bezeugte Tatsachen präsentiert. Ebenso ist die Behauptung unzutreffend, Bowie habe „Nazi-Utensilien“ bei sich gehabt, als er an der polnisch-russischen Grenze verhaftet wurde, da steht noch manch Räuberpistole mehr.
Wenn der Bestsellerautor versucht, intellektuell zu glänzen, liefert er Plattitüden und verbreitet Unfug. So versteigt er sich zu der religionshistorischen Fehlthese, dass Messiasfiguren „unausweichlich sterben müssen“, weil „erst durch ein gewaltsames Ableben ihre Verkündung Gewicht erlangt“. Das von ihm mehrfach verwendete Wort „pagan“ benutzt er falsch.
Was er zudem über den Formenkreis der schizophrenen Persönlichkeitsstörung zu sagen hat – nämlich anlässlich von Bowies Halbbruder Terry, der in einer psychiatrischen Klinik lebte –, ist derartig klischeehaft, dass man es gar nicht erst wiederholen möchte.
Wer mehr erfahren möchte über die biografischen Irrungen und Wirrungen des Frank Schätzing, wird in „Space Boy“ fündig werden. All jene, die sich für den Ausnahmekünstler David Bowie interessieren, sollten lieber zum wundervollen Sachbuch „David Bowie, Enid Blyton and the Sun Machine“ des britischen Literaturwissenschaftlers Nicholas Royle greifen.
Dem Rezensenten jedenfalls erging es bei der Lektüre von „Space Boy“ wie dem jungen Schätzing, dessen Musiklehrer „in uns Knaben so viel Begeisterung für Klassik entfachte wie drei Tage alter Haferschleim“. Eine vergebene Chance. „Aus die Maus“, um letztmals im Tonfall Schätzings zu schreiben.
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