Probeabstimmung in der Unionsfraktion: Gefährlich viele Abweichler
In der Fraktionssitzung votieren zahlreiche Abgeordnete gegen das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition. Im Bundestag könnte es also eng werden.
Für das Rentenpaket der Koalition könnte es im Bundestag eng werden. 10 bis 20 Neinstimmen und eine Handvoll Enthaltungen habe es bei der Probeabstimmung in der Unionsfraktion am Dienstagnachmittag gegeben, wie unterschiedliche Teilnehmer berichten. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil offiziell nicht ausgezählt wurde. Da die Koalition aus Union und SPD nur über eine Mehrheit von 12 Stimmen verfügt, ist die also weiterhin unklar, ob das Rentenpaket den Bundestag passieren wird.
Fraktionschef Jens Spahn hat die Abgeordneten, die erwägen, mit Nein zu stimmen, gebeten, sich bis Mittwoch, 12 Uhr bei der Fraktionsführung zu melden. Nach der Arbeitsordnung der Unionsfraktion sind sie dazu verpflichtet, allerdings erst bis Donnerstagnachmittag. Auf die Abgeordneten dürften dann weitere Gespräche mit der Fraktionsspitze und ein gehöriger Druck warten. Bislang ist die Abstimmung im Bundestag für Freitagvormittag geplant. Fällt das Rentenpaket dann durch, dürfte das schwerwiegende Folgen für die Koalition haben.
SPD-Chefin Bärbel Bas, die auch Arbeitsministerin ist, hatte ein mögliches Scheitern der Rentenreform zuletzt mit der Zukunft der Koalition verknüpft. Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Stabilisierung des Rentenniveaus sei „wichtig, insbesondere natürlich für den Fortbestand der Koalition“, so Bas. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass wir kaum noch andere Gesetzgebung durchs Parlament bringen“.
Merz soll Machtwort gesprochen haben
Bundeskanzler Friedrich Merz soll in der Fraktionssitzung ein Machtwort gesprochen haben. Er erwarte, dass die Mehrheit am Freitag stehe, soll Merz laut Teilnehmern gesagt haben. Es müsse Schluss mit den „Spielchen“ mit der Mehrheit sein. Spahn betonte laut Teilnehmern, es gehe jetzt konkret um die Stabilität der Regierung. Er appellierte demnach an die Abgeordneten, zusammenzustehen.
Spahn habe auch darauf verwiesen, dass die Koalition bereits viel erreicht habe. In der Rentendebatte sei mit der SPD aktuell zwar nicht mehr möglich gewesen, aber mit der Rentenkommission sei das Möglichkeiten-Fenster geöffnet. Niemand werde nach dem Bericht der Kommission zur Tagesordnung übergehen können.
Bei der Sitzung am Dienstag das Wort ergriffen haben nach Informationen der taz auch Johannes Winkel, der Chef der Jungen Union, und Pascal Reddig, der Vorsitzende der Jungen Gruppe. In dieser haben sich die 18 jungen Abgeordneten zusammengeschlossen. Vor allem sie haben gedroht, sie könnten dem Rentenpaket in der jetzigen Form nicht zustimmen. Sie bezweifeln zudem, dass mit der SPD die aus ihrer Sicht dringend notwendigen weitergehenden Reformen der Sozialsysteme möglich sind – und sind unzufrieden damit, dass der Kanzler den Sozialdemokrat*innen so einfach vertraut.
Winkel hatte bereits am Montag angekündigt, im Bundestag mit Nein zu stimmen, Reddig stimmte laut Teilnehmern am Dienstag ebenfalls gegen das Rentenpaket. Ein anderer der 18 dagegen, Daniel Köbl aus Schleswig-Holstein, hatte aus Sorge vor einer Regierungskrise eingelenkt. Diese Möglichkeit hatte die Junge Gruppe ihren Abgeordneten ausdrücklich eröffnet.
Nein in der Fraktion, nicht im Bundestag
Jede*r müsse die inhaltliche Ablehnung, die bleibe, und die Folgen für die Regierungsarbeit insgesamt individuell abwägen und dann eine Entscheidung über das eigene Abstimmen treffen, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Schreiben. Das hatten viele Beobachter*innen als Brücke für die jungen Abgeordneten gewertet, ihren Widerstand gesichtswahrend aufzugeben. Allerdings hatten auch ältere Abgeordnete erwogen, das Rentenpaket abzulehnen. In der Fraktionssitzung soll es auch mindestens eine Abgeordnete gegeben haben, die mit Nein stimmte, aber ankündigte, dies am Freitag nicht zu tun.
Die Unionsspitze hatte schon vor der Fraktionssitzung versucht, die Bedeutung der Probeabstimmung am Dienstag rhetorisch zu verkleinern. Wer in der Fraktion mit Nein stimme, könne es sich bis Freitag im Plenum durchaus noch anders überlegen, hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), betont. Die Hoffnung: Wenn die Abweichler*innen sehen, dass die große Mehrheit der Fraktion für die Zustimmung sei, könnten sie sich dieser Meinung fügen. Und natürlich, auch das sagte Bilger, würden dann auch noch Gespräche geführt.
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