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Prozess zu Attentat am Schoah-DenkmalAlbtraum im Stelenfeld

Im Prozess zum Messerangriff im Berliner Holocaust-Mahnmal sagt das Opfer aus. Der Spanier wurde wohl attackiert, weil er für jüdisch gehalten wurde.

Der Tatort am Holocaust-Mahnmal in Berlin am 22. Februar 2025 Foto: Jakub Porzycki/NurPhoto/imago

Lange Narben an Gesicht und Hals, Flashbacks, Albträume: Im Prozess zum antisemitischen Messerangriff nahe dem Schoah-Mahnmals in Berlin schildert am Mittwoch das Opfer die Folgen der Tat. Angeklagt ist ein heute 19-Jähriger Geflüchteter aus Syrien. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Tat im Februar 2025 aus islamistischen Motiven begangen zu haben– und davon ausgegangen zu sein, sein Opfer sei Jude.

Tatsächlich handelte es sich aber um einen nichtjüdischen 30-Jährigen aus Spanien, der an jenem Wochenende in Berlin Freun­d*in­nen besuchte. Vor Gericht erzählt er am Mittwoch, wie er mit zwei Be­glei­te­r*in­nen durch das Stelenfeld des Mahnmals ging, die Sonne war schon untergegangen. Plötzlich habe sich ihm ein Arm von hinten um den Hals gelegt und ihm dann mit einem Messer quer durch den Hals geschnitten.

Zwei weitere Stiche trafen ihn neben dem Mund und an der Hand. Der Angreifer rief noch „Allahu akbar“, auf Deutsch: „Gott ist groß“, blieb in dem Chaos aber unerkannt und entkam zunächst.

Mit Hilfe seiner Be­glei­te­r*in­nen gelang es dem schwerverletzten Opfer, sich aus dem Stelenfeld zu schleppen, wo Pas­san­t*in­nen den Notruf wählten. Mit einer Einkaufstasche versuchten die Umstehenden die Blutungen zu stillen. Ärz­t*in­nen gelang es später nur knapp, ihn zu retten, zeitweise wurde er in ein künstliches Koma versetzt. Bis heute lasse ihn die Tat nicht los, berichtete er am Mittwoch. Seine Arbeit als Ernährungsberater könne er noch nicht wieder ausüben.

Tatwaffe und Koran im Rucksack

Der Mann, der für all das verantwortlich sein soll, hört alldem im Gerichtssaal regungslos zu. Wassim Al M. kam 2023 als Asylsuchender nach Deutschland und lebte zuletzt in einem Geflüchtetenheim in Leipzig. Er wurde einige Stunden nach der Tat unweit des Mahnmals festgenommen, seine Kleidung war blutverschmiert.

Wann und wie genau sich Al M. radikalisierte, ist bislang nicht bekannt. Klar ist aber: Kurz vor der Tat schickte er von seinem Handy ein Video an IS-Kämpfer, in denen er sich als Mitglied der Terrorgruppe anbot. In seinem Rucksack wurde nach der Festnahme neben der Tatwaffe auch ein Koran gefunden.

Vor einem Geständnis drückt sich der Angeklagte bislang: Über seinen Anwalt lässt er dem Opfer am Mittwoch nur mitteilen, er bedauere, „was geschehen sei“.

Entscheidend für das Strafmaß dürfte auch werden, ob Al M. nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird. Bei einem 19-Jährigen wäre beides möglich, ausschlaggebend ist ein psychologisches Gutachten. Während nach Jugendstrafrecht für versuchten Mord maximal 15 Jahre Haft drohen, könnte es nach Erwachsenenstrafrecht auch eine lebenslange Freiheitsstrafe werden. Ein Urteil soll im Januar fallen.

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