Besuchsdiplomatie: Wenn Indiens schwieriger Freund zu Besuch kommt
Russlands Präsident Wladimir Putin wird in Indien trotz westlicher Kritik freundlich begrüßt werden. Doch stand es um die Freundschaft schon besser.
Noch bevor Wladimir Putin am Donnerstag erstmals seit 2021 wieder in Indiens Hauptstadt Delhi landen wird, steht er bereits im Fokus indischer Medien. Einer der größten englischsprachigen Sender wirbt für ein Exklusivinterview mit dem Kremlchef. Zugleich wirbt in den Metropolen der neue Ableger von Moskaus Propagandasenders Russia Today, der am Freitag startet.
Diplomatisch sorgt Putins Besuch am Donnerstag und Freitag bereits für Kontroversen. Denn in einem Beitrag der Times of India kritisieren die Botschafter Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens Moskaus Kurs in der Ukraine. Unter dem Titel „Die Welt will, dass der Ukrainekrieg endet“ werfen sie Russland vor, seine Angriffe vor möglichen Friedensgesprächen in „Putins rechtswidrigem Krieg“ noch verstärkt zu haben.
In Indien wird der Text der Diplomaten zum Teil als „inakzeptabel” und „unüblich“ wahrgenommen. Der deutsche Botschafter Philipp Ackermann sagte der Hindustan Times, Deutschland fühle sich durch Moskau bedroht, respektiere aber Indiens anderes Verhältnis. Russlands Botschafter Denis Alipov warf den drei Diplomaten hingegen vor, „die indische Öffentlichkeit irrezuführen“.
Indische Beobachter wie der Außenpolitikanalyst C. Raja Mohan lassen sich davon nicht beirren. Sie sehen Putins Besuch als Chance für Indien, die lange verlässliche Beziehung neu auszurichten und Indiens strategische Autonomie zu stärken. Die Partnerschaft mit Moskau sei über Jahre „auf ein Minimum geschrumpft“. Russlands Präsenz in Indien sei heute nur noch ein „Abklatsch der sowjetischen Vergangenheit“. Eine Neubelebung dürfe nicht allein auf Waffen, Öl oder Atomkooperation beruhen – auch wenn Delhi Interesse am Kauf weiterer S-400-Triumph-Raketenabwehrsysteme geäußert hat.
Indien hat ein großes Handelsdefizit mit Russland
Mohan sagt das vor dem Hintergrund, dass es Donald Trump ein zweites Mal gelungen ist, Delhi von einem seiner günstigen Ölzulieferer wegzudrängen: 2019 stellte Delhi Rohölimporte aus Iran zugunsten der USA ein. Nun fahren indische Raffinerien ihre Importe aus Russland zurück, nachdem Trump das immer wieder gefordert hatte und bereits Strafzölle gegen Indien verhängt hat. Im Mai hatte Premierminister Narendra Modi eine Moskau-Reise zu den Feiern des Sieges über Nazideutschland vor 80 Jahren noch abgelehnt.
Im Voraus angekündigt sind jetzt neben einem Treffen Putins mit Modi einige Handelsabkommen: Moskau hat in Aussicht gestellt, mehr indische Lebensmittel und Pharmaprodukte zukaufen, heißt es. Zudem werde über die gegenseitige Bereitstellung digitaler Dienstleistungen gesprochen.
Da der Ölhandel zuletzt in indischen Rupien abgewickelt wurde, verfügt Moskau über ausreichende Rupien-Reserven, die jedoch einen Tiefstand gegenüber dem US-Dollar erreicht haben. Indien importierte zuletzt aus Russland Waren im Jahreswert von 63 Milliarden US-Dollar und exportierte gerade einmal den Gegenwert von 5 Milliarden nach Russland. Zum Vergleich: Indiens Exporte nach Deutschland beliefen sich zuletzt auf 10 Milliarden Euro.
Im großen Handelsdefizit sieht Mohan eine Herausforderung. Ebenso darin, dass der Krieg in der Ukraine Indiens Doktrin der Blockfreiheit stark belastet.
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