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Durchbruch in NorwegenErfolg gegen Tiefseebergbau

Haushalt gerettet, ökologische Ziele wenigstens teilweise durchgesetzt: Die norwegische Minderheitsregierung rauft sich kurz vor knapp zusammen.

Gigantische Rohstoffquelle: Manganknollen auf dem Meeresboden enthalten oft größere Mengen wichtiger Metalle als Landlagerstätten Foto: imago
Anne Diekhoff

Aus Härnösand

Anne Diekhoff

Mindestens bis 2029 ist Ruhe am arktischen Meeresgrund: Das vor einem Jahr überraschend ausgebremste Tiefseebergbau-Vorhaben Norwegens liegt jetzt auf richtig dickem Eis. In der Nacht zu Mittwoch konnte die regierende Arbeiterpartei in Oslo endlich die Einigung zum Staatshaushalt 2026 melden. Und die nötige Zustimmung von drei linksgrünen Parteien gab es nur gegen die Zusage, das umstrittene Baggern am Meeresgrund zwischen Norwegen, Grönland und Spitzbergen nicht weiter voranzutreiben. Das gilt für die gesamte, gerade begonnene Legislaturperiode.

„Wir haben eine potenzielle, gigantische Naturkatastrophe verhindert und schützen stattdessen das Leben in einem der empfindlichsten Ökosysteme, die wir haben“, kommentierten die norwegischen Grünen (MDG). Wie MDG war auch die linke Partei Rødt nach der Parlamentswahl im September erstmals an den Haushaltsverhandlungen beteiligt. Rødt sprach von einem „historischen Durchbruch gegen den Grubenbetrieb am Meeresgrund“.

Vor einem Jahr war es die Sozialistische Linkspartei (SV) gewesen, die bei den damaligen Haushaltsverhandlungen überraschend die Pause des bereits weit fortgeschrittenen Projekts erzwungen hatte.

Umweltschutzorganisationen zeigten sich am Mittwoch erleichtert, dass sie das Moratorium um vier Jahre verlängern konnten. Greenpeace sprach in einer Mitteilung von einem „deutlichen Signal“ in Richtung Industrie, dass der Rohstoffabbau am Meeresgrund keine Zukunft habe. „Norwegens Tiefseebergbau-Industrie wird der Riegel vorgeschoben“, stellte Greenpeace-Meeresexpertin Franziska Saalmann fest. „Diese Entscheidung ist die einzig richtige, um die Tiefsee, den letzten weitgehend unberührten Lebensraum der Erde, vor der Zerstörung zu schützen.“

Auch Deutschland ist gefordert

Saalmann forderte auch die deutsche Bundesregierung auf, sich konsequent gegen alle Tiefseebergbaupläne auszusprechen, anstatt Gelder in die Entwicklung von Abbaumaschinen für Metalle an unterseeischen Vulkanen zu stecken wie beim zuletzt genehmigten Forschungsprojekt Deep Sea Sampling 2. „Diese Forschungsgelder sollten stattdessen in die Erkundung der Tiefseeökosysteme und ihrer Funktionen fließen.“

Mit der Forderung nach einer globalen Pause für Tiefseebergbau könnte Norwegen den Meeresschutz auch weltweit entscheidend stärken

Martin Webeler, WWF

Dass noch viel zu wenig bekannt ist über die Ökosysteme am Meeresgrund, war einer der Hauptkritikpunkte auch von norwegischen Forschungseinrichtungen an den Plänen der norwegischen Regierung. Statt die erste Lizenzrunde einzuläuten, was ursprünglich schon für dieses Jahr geplant war, wird nun zusätzliches Geld in die Erforschung der noch unberührten Ökosysteme gehen.

„Die Kehrtwende Norwegens sendet ein unmissverständliches Signal: Tiefsee-Mineralien werden weder für die Energiewende noch für die nationale Sicherheit gebraucht und das ökologische Risiko ist einfach zu verheerend“, sagte auch Martin Webeler, Experte für Tiefseebergbau beim WWF Deutschland. Er attestiert der Regierung in Oslo mit dieser Entscheidung eine „verantwortungsvolle Führung“, die sie international ausweiten solle: „Mit der Forderung nach einer globalen Pause für Tiefseebergbau könnte Norwegen den Meeresschutz auch weltweit entscheidend stärken“, so Webeler.

Beinahe-Regierungskrise

Die Einigung in Oslo folgte nach wochenlangen Verhandlungen der insgesamt fünf für eine linke Parlamentsmehrheit benötigen Parteien – mit einem dramatischen Höhepunkt am vergangenen Wochenende. Die Grünen und SV lösten da mit dem Abbruch der Gespräche beinahe eine Regierungskrise aus. MDG war der Tiefseebergbau-Stopp nicht genug, sie waren mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die Regierung in Richtung Ausstiegspläne aus der Öl- und Gasindustrie zu drängen und insgesamt den Klimaschutz mehr zu stärken.

Am Ende setzte MDG gegenüber der Arbeiterpartei von Ministerpräsident Jonas Gahr Støre zusätzliches Geld für den Waldschutz und einen Klimainvestitionsfonds durch – und, vor allem, die Einrichtung einer sogenannten Umstellungskommission. Arbeitgeber, Gewerkschaften, Umweltbewegung und Fachleute sollen darin gemeinsam untersuchen, wie Norwegen seine Wirtschaft auf eine Zukunft nach dem Öl- und Gaszeitalter ein- und umstellen kann. Der Bericht der Kommission soll im Frühjahr 2027 präsentiert werden.

Wie der bestehende Ölreichtum angelegt werden soll, war ein Streitthema vor allem für die Sozialistische Linke. Sie musste schließlich klein beigeben – der staatliche Ölfonds wird sich nicht aus sämtlichen israelischen Unternehmen zurückziehen

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