piwik no script img

VerkehrswendeHocheffiziente Mogelpackungen

Die Bundesregierung will Hybrid-Autos fördern. Das könnte eine Chance sein – hätte Schwarz-Rot nicht noch eine andere Mogelpackung parat.

Foto: Christoph Soeder/dpa

W as haben Hybridautos und die Bundesregierung gemeinsam? Es sind beides modische Mogelpackungen. Wollen modern wirken, aber drin stecken maximal die Werte der vorvorletzten Saison. Da ist es nur folgerichtig, dass die Bundesregierung eine Förderung für die Plug-in-Hybride plant. Vielleicht wird ja überholt sein damit zu retro und wieder modern?

Jedenfalls: Dass die Bundesregierung gerne Autos fördern möchte, die zwar technisch mit Strom fahren können, praktisch aber fast nur den Verbrennungsmotor nutzen, kommt zu einem interessanten Zeitpunkt. Denn dass die Hybride in der Praxis eine Mogelpackung sind, scheint sich mittlerweile auch in Kreisen herumgesprochen zu haben, die weder als öko noch als grün verschrien sind.

Zum Beispiel im VDA, dem Verband der Automobilindustrie. Der möchte gerne, dass Hybride auch nach 2035 noch zugelassen werden können. Und weil dann eigentlich eine Null-Emissions-Regel für Neuwagen gelten soll, schlägt der Verband einen Ladezwang vor: Mit einer Regelmäßigkeit, die festzulegen wäre, müsste das Hybridfahrzeug an den Strom.

Technisch ließe sich das problemlos umsetzen. Mit der ganzen Elektronik, den Sensoren und der Software, die aktuelle Fahrzeuggenerationen so eingebaut haben, wäre vermutlich nicht mehr nötig als ein entsprechendes Update. Und bei der Gelegenheit ließe sich gleich noch mehr machen: zum Beispiel in Sachen Tempolimit. Fahrzeuge wissen meist genau, in welchem Tempobereich sie gerade unterwegs sind, vor allem innerorts. Das technisch zu begrenzen wäre möglich – und zwischen der Theorie und der Umsetzung steht nur ein riesiger kollektiver Aufschrei der Autofahrerlobby, die ein Recht auf Rasen irgendwo im Grundgesetz vermutet. Oder war es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte?

Was außerdem lebensrettend wäre: ein Schutz vor Dooring-Unfällen. Befindet sich ein Objekt, zum Beispiel ein Mensch auf dem Fahrrad, gerade neben dem Auto? Auch das könnten Sensoren feststellen. Und eine Türöffnung erst dann wieder zulassen, wenn der Weg frei ist. Der Verkehrsminister hat immerhin gerade angekündigt, an entsprechenden Vorschriften zu arbeiten. Unbequeme Vorgaben für die Autoindustrie – das wäre ja mal was Neues.

Übrigens wünscht sich die Bundesregierung nicht nur Hybridautos, sondern auch „hocheffiziente Verbrenner“. Davon hat sie ja sogar ein paar in den eigenen Reihen: Steuergelder, Glaubwürdigkeit, die Lebensgrundlagen künftiger Generationen verbrennen da ein paar Leute sehr effizient. Weil aber Ex­per­t:in­nen rätseln, was Autos damit zu tun haben, formulierte ein Regierungssprecher diese Woche diesen Satz: „Ein hocheffizienter Verbrenner ist ein Verbrenner, der hocheffizient ist.“ In diesem Sinne: Eine Mogelpackung ist ein Produkt, bei dem gemogelt wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

0 Kommentare