Trump begnadigt Honduras’ Ex-Präsidenten: Reine Gefälligkeit oder geopolitischer Schachzug?
Während der US-Präsident auf „Drogenboote“ vor Venezuela schießen lässt, kommt der in den USA verurteilte Schmuggler Hernández frei. Was steckt dahinter?
US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Entscheidung, den ehemaligen Präsidenten von Honduras zu begnadigen, einen verurteilten Drogenschmuggler freigelassen. Juan Orlando Hernández wurde im vergangenen Jahr wegen seiner Rolle im internationalen Drogenhandel in den USA zu 45 Jahren Haft verurteilt. Seit Montag ist der 57-Jährige jedoch wieder auf freiem Fuß.
Unter Beobachtern sorgte die Begnadigung für Unverständnis. Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass die US-Regierung gleichzeitig versucht, den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro, dem ebenfalls enge Beziehungen ins Drogenmilieu unterstellt werden, mit militärischen Mitteln zum Rücktritt zu zwingen.
Zwei Staatschefs mit angeblichen Kontakten in die Drogenszene. Zwei völlig unterschiedliche Verfahrensweisen der Trump-Regierung. Was steckt dahinter? Für Zentralamerika-Expertin María Fernanda Bozmoski ist die Erklärung für Trumps Verhalten auf der menschlichen Ebene zu finden.
„Wir wissen doch, wie Präsident Trump tickt. Er hat Leute, die er mag, und Leute, die er nicht mag, und ich halte es für sehr plausibel, dass der Präsident den Brief von Ex-Präsident Juan Orlando Hernández gelesen hat und dieser ihn berührte“, sagt die Leiterin für Zentralamerika beim unabhängigen internationalen Thinktank Atlantic Council im Gespräch mit der taz.
Hernández schrieb Brief an US-Präsident
Hernández erklärte dem US-Präsidenten in einem vierseitigen Schreiben, dass er, wie Trump auch, das Opfer einer politischen Hexenjagd durch die vorherige US-Regierung unter dem Demokraten Joe Biden gewesen sei.
„Wie Sie wollte auch ich nur meinem Volk dienen, unsere konservativen Werte verteidigen und gleichzeitig beispiellose Reformen durchführen, um mein Land stärker und sicherer zu machen. Und wie Sie wurde auch ich rücksichtslos von radikalen linken Kräften angegriffen“, schrieb Hernández in seinem Brief vom 28. Oktober.
Dieser persönliche Appell an Trump und an dessen persönliche Erfahrungen der vergangenen Jahre könnte laut Bozmoski ausgereicht haben, um den 79-jährigen Republikaner von der Idee seiner Freilassung zu überzeugen.
„Ich glaube nicht, dass es einen politischen oder geostrategischen Grund gab, sondern es besteht vielmehr eine persönliche Verbundenheit zwischen den beiden, wobei sich Präsident Trump in Hernández wiedererkennt“, so die Expertin.
Trump, der bereits am vergangenen Freitag ankündigte, dass er Hernández begnadigen werde, versuchte seine Entscheidung am Sonntag gegenüber Journalisten zu verteidigen.
Biden-Regierung als Sündenbock
„Die Menschen in Honduras sind davon überzeugt, dass er in eine Falle gelockt wurde, und das ist furchtbar. Er war der Präsident des Landes, und sie behaupteten, dass er ein Drogendealer sei, nur weil er Präsident war. Sie sagen, es sei eine Intrige der Biden-Regierung gewesen. Und ich habe mir die Fakten angesehen und ihnen zugestimmt“, sagte Trump an Board des Präsidentenflugzeugs Air Force One.
Einen Beweis, dass Hernández tatsächlich das Opfer einer Intrige war, blieb die US-Regierung schuldig. Vor allem Demokraten im US-Kongress kritisierten die Freilassung des verurteilten Drogenschmugglers.
„Er wurde angeklagt und für schuldig befunden, mithilfe der Kartelle Drogen zum Verkauf in die Vereinigten Staaten geschmuggelt zu haben“, sagte der demokratische Senator Dick Durbin.
Laut dem Gerichtsverfahren soll Hernández während seiner Amtszeit Bestechungsgelder aus kriminellen Kreisen angenommen haben, um mehr als 360 Tonnen Kokain sicher und ohne Widerstand durch Honduras Richtung Norden in die Vereinigten Staaten zu transportieren.
Laut dem demokratischen Senator Chuck Schumer sei die Begnadigung von Hernández, den er als einen der größten Drogenhändler der Welt beschreibt, „ungeheuerlich, beschämend und gefährlich“.
Wahlbeeinflussung durch Trump?
Da Trump seine Entscheidung über die Freilassung des Ex-Staatschefs nur wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Honduras bekanntmachte, gab es Spekulationen, dass der US-Präsident damit versuche, die Wahlen zu beeinflussen.
Atlantic-Council-Expertin Bozmoski hält dies für unwahrscheinlich. Viel bedeutsamer sei in diesem Zusammenhang Trumps Unterstützung des Kandidaten Nasry „Tito“ Asfura von der konservativen National Party gewesen, zu der auch Hernández gehörte.
„Ich glaube, das hat der National Party Auftrieb gegeben, aber ich weiß nicht, welche Auswirkungen die Begnadigung hatte, denn die National Party hat sich lange Zeit von Juan Orlando Hernández distanziert, und ich würde sagen, die Stimmung in Honduras ist noch immer sehr anti Hernández“, sagte sie.
Ein offizielles Wahlergebnis steht noch aus. Für die USA ist Honduras ein wichtiger Partner im Kampf gegen Drogen und Migration. Die Freilassung von Hernández ist dabei letztendlich nur eine Randnotiz. Sie zeigt allerdings, dass Trump zu allem bereit ist.
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