Dobrindts Afghanistan-Abschiebeoffensive: Taliban? Normal
Der Innenminister will künftig Frauen nach Afghanistan abschieben und Personendaten mit den Taliban teilen. Damit sprengt er alle moralischen Grenzen.
B undesinnenminister Dobrindt arbeitet scheibchenweise an der Abschiebeagenda für Syrer- und Afghan*innen. Die ideologische Grundlage dafür bildet das Diktum seines Amtsvorgängers und Mit-CSUlers Horst Seehofer von der Migration als „Mutter aller politischen Probleme in diesem Land“. In Sachen Afghanistan ließ Dobrindt in einem Interview für Zeitungen einer Mediengruppe in seinem Heimatbundesland jetzt gleich drei moralische Kracher los.
Erstens, nicht ganz neu, teilte er mit, man sei dabei, „Gespräche mit den afghanischen Verantwortlichen zum Abschluss zu bringen“. Es geht natürlich um Abschiebungen „im großen Stil“, diesmal ein Diktum von Ex-Kanzler Scholz. Übrigens: Bei den besagten Verantwortlichen handelt es sich um das von der Bundesregierung offiziell gar nicht anerkannte Regime der Taliban.
In Dobrindts Augen zeigen sie allerdings, dass sie „international Verantwortung für ihre Staatsbürger übernehmen“ wollen. Dass er damit ein Regime normalisiert, das zu Hause systematisch Frauen entrechtet und allen anderen Staatsbürgern die Bürgerrechte nimmt, ficht Dobrindt offensichtlich nicht an.
Zweitens, und das ist neu, tauschen „wir“ inzwischen Personendaten mit der afghanischen Botschaft in Berlin aus. Dort haben die Taliban eigene Konsularbeamte installiert – mit tatkräftiger Hilfe der Bundesregierung. Den Taliban-Geheimdienst wird’s freuen.
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Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
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Drittens, und haarsträubend, schloss Dobrindt auch die Abschiebung afghanischer Frauen nicht mehr aus. „Das Gesetz unterscheidet da“ – also bei Abschiebungen – „nicht zwischen Männern und Frauen“. Nun ja. Der Europäische Gerichtshof sprach im Oktober 2024 Afghaninnen EU-weit pauschal Asylrecht zu. Das ist keine theoretische Erörterung: Zum Ende des zweiten Quartals 2025 waren in der Bundesrepublik 1.454 afghanische Frauen „ausreisepflichtig“. Über ihnen schwebt jetzt das Damoklesschwert Dobrindt’scher Abschiebung.
Wenn ein ideologisches Diktum praktische Politik wird, kann es Grenzen sprengen. Hier sind es vor allem moralische.
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