piwik no script img

Dobrindts Afghanistan-AbschiebeoffensiveTaliban? Normal

Thomas Ruttig

Kommentar von

Thomas Ruttig

Der Innenminister will künftig Frauen nach Afghanistan abschieben und Personendaten mit den Taliban teilen. Damit sprengt er alle moralischen Grenzen.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, CSU, schließt auch die Abschiebung afghanischer Frauen nicht mehr aus Foto: Bernd Elmenthaler/imago

B undesinnenminister Dobrindt arbeitet scheibchenweise an der Abschiebeagenda für Syrer- und Afghan*innen. Die ideologische Grundlage dafür bildet das Diktum seines Amtsvorgängers und Mit-CSUlers Horst Seehofer von der Migration als „Mutter aller politischen Probleme in diesem Land“. In Sachen Afghanistan ließ Dobrindt in einem Interview für Zeitungen einer Mediengruppe in seinem Heimatbundesland jetzt gleich drei moralische Kracher los.

Erstens, nicht ganz neu, teilte er mit, man sei dabei, „Gespräche mit den afghanischen Verantwortlichen zum Abschluss zu bringen“. Es geht natürlich um Abschiebungen „im großen Stil“, diesmal ein Diktum von Ex-Kanzler Scholz. Übrigens: Bei den besagten Verantwortlichen handelt es sich um das von der Bundesregierung offiziell gar nicht anerkannte Regime der Taliban.

In Dobrindts Augen zeigen sie allerdings, dass sie „international Verantwortung für ihre Staatsbürger übernehmen“ wollen. Dass er damit ein Regime normalisiert, das zu Hause systematisch Frauen entrechtet und allen anderen Staatsbürgern die Bürgerrechte nimmt, ficht Dobrindt offensichtlich nicht an.

Zweitens, und das ist neu, tauschen „wir“ inzwischen Personendaten mit der afghanischen Botschaft in Berlin aus. Dort haben die Taliban eigene Konsularbeamte installiert – mit tatkräftiger Hilfe der Bundesregierung. Den Taliban-Geheimdienst wird’s freuen.

taz debatte

taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Drittens, und haarsträubend, schloss Dobrindt auch die Abschiebung afghanischer Frauen nicht mehr aus. „Das Gesetz unterscheidet da“ – also bei Abschiebungen – „nicht zwischen Männern und Frauen“. Nun ja. Der Europäische Gerichtshof sprach im Oktober 2024 Afghaninnen EU-weit pauschal Asylrecht zu. Das ist keine theoretische Erörterung: Zum Ende des zweiten Quartals 2025 waren in der Bundesrepublik 1.454 afghanische Frauen „ausreisepflichtig“. Über ihnen schwebt jetzt das Damoklesschwert Dobrindt’scher Abschiebung.

Wenn ein ideologisches Diktum praktische Politik wird, kann es Grenzen sprengen. Hier sind es vor allem moralische.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
Mehr zum Thema

0 Kommentare