Zentralafrikanische Republik: Zehn Jahre Zwangsarbeit für humanitären Helfer
Ein belgisch-portugiesischer Forscher engagiert sich in Zentralafrika für eine Hilfsorganisation – und wird gekidnappt. Das ist auch ein Zeichen Russlands an die EU.
Zehn Jahre Zwangsarbeit in einem zentralafrikanischen Gefängnis. Dazu wurde am 4. November der belgisch-portugiesische Forscher Joseph Figueira verurteilt. Eine Strafe, die sein Leben und das seiner jungen Familie komplett aus den Angeln hebt.
Der 41-Jährige war im Auftrag der US-Hilfsorganisation „FHI 360“, die sich im Gesundheitsbereich engagiert, in die Zentralafrikanische Republik gereist. Im Mai 2024 wurde er dann in der Stadt Zemio im Westen der Zentralafrikanischen Republik von russischen Söldnern der Wagner-Gruppe festgenommen, mutmaßlich wegen Spionage. Diese händigten ihn den staatlichen Behörden aus.
In einem Spezialgefängnis der Kriminalitätsbekämpfung in Bangui wird er seitdem in Einzelhaft gehalten und sogar gefoltert. Anfang Juli wurde er dann vor einem Gericht in der Hauptstadt Bangui angeklagt wegen Landesverrats – und nun verurteilt.
„Seine Verfassung ist sehr besorgniserregend“, erklärt Olivier Vandecasteele von Protect Humanitarians (PH), die sich weltweit für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die in Not geraten, einsetzt. PH hat eine Onlinepetition gestartet, sammelt Geld, um den Rechtsbeistand zu finanzieren, und versucht bei europäischen Regierungen und der Europäischen Union (EU) auf den Fall aufmerksam zu machen.
„Seine Verfassung verschlechtert sich stetig“
„Er sitzt in einem überfüllten Gefängnis ohne angemessene Grundversorgung wie genügend Trinkwasser, Essen oder Zugang zu Medikamenten“, berichtet Vandecasteele, der in Kontakt mit Figueiras Familie steht. „Seine psychische und physische Verfassung verschlechtert sich stetig“, sagt Vandecasteele. Das Urteil Anfang November habe die Hoffnung zunichtegemacht, dass sich das Problem mittels diplomatischen Drucks lösen lasse, sagt er.
„Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, wie wichtig es ist, dass man die Hoffnung nicht verliert“, betont der PH-Gründer. Vandecasteele war einst in einer ähnlichen Situation: Ab 2022 saß der Belgier selbst eineinhalb Jahre im Gefängnis im der Islamischen Republik Iran. Er war ursprünglich zu 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt worden. Letztlich kam er durch einen Gefangenenaustausch frei.
2024 gründete er die Organisation Protect Humanitarians mit Sitz in Brüssel. Denn in den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen weltweit stetig verschlechtert. „Der Fall von Joseph Figueira ist sehr wichtig, weil er ein Muster der Kriminalisierung von Helfern aufzeigt“, so Vandecasteele. Dies geschehe nicht nur in Zentralafrika, sondern weltweit. Im vergangenen Jahr habe HP rund 800 Fälle weltweit dokumentiert.
Ähnlicher Fall bereits 2022
In Zentralafrika ist Figueira kein Einzelfall. Seitdem die russischen Wagner-Truppen dort 2017 stationiert wurden, verschlechtert sich die Menschenrechtslage stetig. Journalisten und Menschenrechtsanwälte werden bedroht und gar getötet. Weltweit Aufmerksamkeit erfuhr die Ermordung von drei russischen Journalisten, die eine Reportage über Wagner in Afrika produzieren wollten, im Jahr 2018.
Olivier Vandecasteele
Auch der deutsche Researcher Tim Glawion war 2022 im Norden des Landes festgenommen und wegen Hochverrats angeklagt worden. Als externer Berater war er zu jener Zeit im Auftrag der deutschen Entwicklungsagentur GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) dort unterwegs. Neben den historischen Beziehungen zur Ex-Kolonialmacht Frankreich pflegt auch die Bundesregierung enge Beziehungen nach Bangui. Deutschland ist derzeit der größte Geldgeber. Seit Ende des Bürgerkrieges 2014 unterhält die Welthungerhilfe im Auftrag der Bundesregierung dort 21 Projekte im Gesamtumfang von rund 12 Millionen Euro.
Glawion hatte Glück. Mithilfe von diplomatischem Druck aus Berlin kam er nach einer Woche frei. Die Bundesregierung und andere EU-Staaten sowie die EU selbst betreiben nach wie vor Entwicklungshilfe vor Ort. Das sei jedoch der falsche Weg, so Glawion: „Entwicklungszusammenarbeit kann nicht funktionieren, wenn es keine demokratischen Institutionen gibt.“
Staatschef von Russlands Gnaden
Von Demokratie ist das Land weit entfernt. Dies zeigt sich kurz vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen Ende Dezember. Der derzeitige Präsident Faustin Touadera war nach einem Staatsstreich durch die Rebellen der Seleka 2013 und dem Einsatz einer Übergangsregierung letztlich 2016 zum Staatschef gewählt worden. 2020 wurde er wiedergewählt, nachdem er mit Hilfe der russischen Söldner einen Staatsstreich abgewehrt hatte. 2023 gelang es ihm, mithilfe eines Referendums, die Limitierung auf zwei Amtszeiten aus der Verfassung zu streichen.
Ende Dezember tritt er nun erneut an. Wieder mit Hilfe Russlands. Vor diesem Hintergrund kann die harsche Verurteilung Figueiras als Warnschuss gegen den Westen gelesen werden, sich nicht weiter in einzumischen.
Dennoch erhofft sich Vandecasteele von Seiten der EU mehr politischen Druck. Das EU-Parlament hatte im Juli in einer Resolution auf seine Freilassung gepocht. Doch die EU könnte in der Hinsicht „mehr Druckmittel einsetzen“, sagt er, „um die Behörden dazu zu bringen, deutlich zu machen, dass es hier um das Leben eines unschuldigen Mannes und die Ungerechtigkeit geht, die er und seine Familie erleiden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert