piwik no script img

Aufarbeitung in SyrienUN-Geld soll an Firma mit Nähe zu Assad-Regime geflossen sein

Dokumente zeigen: Die Vereinten Nationen zahlten einer kontroversen syrischen Sicherheitsfirma jahrelang Millionen. Dabei war sie als „Hochrisiko“ eingestuft.

Ein Porträt des ehemaligen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in einer Militärbasis in Damaskus Foto: Amr Alfiky/reuters

Eine dubiöse Firma in Damaskus mit engen Verbindungen zum ehemaligen Regime soll seit 2014 elf Millionen Dollar von den Vereinten Nationen erhalten haben – zu diesem Vorwurf kommt ein Bericht von 25 internationalen Medien, angeführt vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ). Das umfangreiche Dossier stützt sich auf Beweise aus anonym gehaltenen Quellen, die das Chaos der ersten Tage nach dem Fall Assads nutzten, um in Besitz von wichtigen Dokumenten zu gelangen oder diese zu sichern, ehe sie vernichtet werden konnten.

Das Sicherheitsunternehmen „Shorouk for Protection, Guarding and Security Services“ soll demnach mitten im Bürgerkrieg von den Vereinten Nationen angeheuert worden sein, um die Büros der Organisation und ihrer verschiedenen Agenturen auf syrischem Boden zu schützen. Dass Nichtregierungsorganisationen einheimische Firmen unter Vertrag stellen, um die Sicherheit ihrer Mit­ar­bei­te­r*in­nen bei der Arbeit in Konfliktgebieten zu garantieren, ist nicht ungewöhnlich.

Problematisch ist in diesem Fall, dass sich Shorouk laut den Dokumenten insgeheim im Besitz des syrischen Nachrichtendienstes befand. Dieser war für Ausspähen, Folter und Tötung unzähliger Dis­si­den­t*in­nen in den Jahren des Regimes von Präsident Baschar al-Assad verantwortlich.

Im Jahr 2022 sollen mehrere Nichtregierungsorganisationen, unter anderem Human Rights Watch, die Vereinten Nationen vor den Verbindungen zwischen der Firma und den syrischen Sicherheitsdiensten gewarnt haben. Doch die Aufträge liefen weiter. Aus E-Mails und persönlichen Notizen geht hervor, dass der damalige Außenminister Faisal Mekdad Druck machte, damit die Firma seine Verträge behielt – denn diese sollte die UN-Mitarbeiter*innen ausspionieren.

UN: Umfeld komplex, Auswahl extrem begrenzt

Mit den Vorwürfen vom ICIJ konfrontiert, verneinte der Geschäftsführer des Unternehmens, Wael al-Haou, dass syrische Institutionen die Firma besaßen. Er und zwei weitere Männer seien die einzigen Eigentümer. Doch Dokumente sollen zeigen, dass er einen Teil des Unternehmensgewinns an den Nachrichtendienst weiterleitete.

Mehr als 130 Verträge haben die Vereinten Nationen demnach zwischen 2014 und 2024 mit der Firma unterschrieben. Die Mitarbeit besteht weiterhin.

Auf Nachfrage der taz schreiben die Vereinten Nationen, man habe eine „erhöhte, angemessene Sorgfalt“ bei der Wahl der Firma gelten lassen. Beweise für einen Besitz durch das Regime habe es damals nicht gegeben. Gleichwohl sei das Umfeld komplex gewesen und die Auswahl extrem begrenzt. Lediglich zwei Unternehmen standen zur Verfügung, beide als „Hochrisiko“ eingestuft. Auch die andere Firma hatte Verbindungen zu Assad, das war wohl bekannt.

In Wahrheit unter Kontrolle der Regierung

Dem ICIJ soll das syrische Team der Vereinten Nationen außerdem gesagt haben, es habe keine Erkenntnisse darüber, dass Assads Offiziere Kontakt zu Teammitgliedern wegen Shorouk aufgenommen hätten. Genauso wenig bekannt seien Versuche durch Shorouk, die UN-Mitarbeiter*innen auszuspähen.

Aus einigen Notizen wird klar, dass der Nachrichtendienst versucht hat, die Verbindungen zwischen der Firma und dem Regime vor den Vereinten Nationen zu verheimlichen. Gängige Praxis war damals, dass private Bür­ge­r*in­nen Firmen unter ihren Namen registrierten, die jedoch in Wahrheit unter totaler Kontrolle von Regierungsbeamten standen.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!