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Bundestag zu AsylrechtMehr sichere Herkunftsstaaten

Künftig kann die Bundesregierung bestimmen, in welche Länder leichter abgeschoben werden kann. Der Pflichtanwalt bei Abschiebehaft wird abgeschafft.

Alexander Dobrindt möchte am liebsten in möglichst viele Länder abschieben Foto: Kay Nietfeld/dpa
Christian Rath

Aus Berlin

Christian Rath

Die schwarz-rote Koalition setzt die ausgerufene „Migrationswende“ fort. Der Bundestag beschloss an diesem Freitag, dass die Bundesregierung künftig „sichere Herkunftsstaaten“ per Verordnung festlegen kann. Außerdem wurde die erst 2024 eingeführte Pflicht-Anwält:in bei Abschiebehaft wieder gestrichen. Das entsprechende Gesetz wurde mit großer Mehrheit von CDU/CSU, SPD und AfD beschlossen. Grüne und Linke stimmten dagegen.

Bisher müssen sichere Herkunftsstaaten vom Bundestag per Gesetz bestimmt werden, der Bundesrat muss zustimmen. Künftig soll eine Rechtsverordnung der Bundesregierung genügen. So soll die bisherige Blockade der grün-mitregierten Bundesländer im Bundesrat ausgehebelt werden, wie Alexander Throm, der innenpolitische Sprecher von CDU/CSU, offen bekundete.

Bisher hatte der Bundestag neben den EU-Staaten zehn weitere Staaten als sichere Herkunftsländer bestimmt: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Moldau, Senegal und Serbien. Der Abgeordnete Throm kündigte an, dass vier Staaten demnächst folgen sollen: Algerien, Marokko, Tunesien und Indien. „Bei Antragstellern aus diesen Staaten liegt die Anerkennungsquote bei nur 0,3 bis 2,2 Prozent“, sagte Throm.

Ex-Ministerin Claudia Roth (Grüne) fragte, wie man Tunesien angesichts der dortigen „Repressionswelle gegen die demokratische Opposition“ zum sicheren Herkunftsstaat erklären könne. Throm verwies darauf, dass auch die Anerkennungsquote bei tunesischen Flüchtlingen bisher nur bei zwei Prozent gelegen habe. Außerdem sei die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat nur eine „Vermutung“, die im Einzelfall auch widerlegt werden könne. Clara Bünger (Linke) befürchtet dennoch, dass die Ablehnung von Asylanträgen aus diesen Ländern dann zur „Formsache“ werde.

Throm nannte vor allem drei Vorteile einer Einstufung als sicherer Herkunftsstaat: „Die Verfahren werden beschleunigt, es gibt ein Arbeitsverbot für alle Antragssteller aus diesen Staaten und es wird ein Signal in diese Länder gesendet, dass es sich nicht lohnt, in Deutschland Asyl zu beantragen.“

Die Grünen-Abgeordnete Feliz Polat hält das Gesetz allerdings für „verfassungswidrig“. Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten sei eine wesentliche Entscheidung, die der Bundestag nicht der Exekutive überlassen dürfe. Außerdem müsse der Bundesrat beteiligt werden; das sehe Artikel 16a Grundgesetz ausdrücklich vor. Dem widersprach Detlef Seif (CDU): Die Grundgesetznorm beziehe sich nicht auf die heute übliche Asylgewährung nach EU-Recht.

Abschiebehaft ohne An­wäl­t:in

Der zweite große Punkt des Gesetzes betrifft die Abschiebehaft. Auf Betreiben der Grünen hatte die Ampel-Koalition erst 2024 eingeführt, dass die ausreisepflichtige Mi­gran­t:in bei der richterlichen Entscheidung über die Anordnung von Abschiebehaft zwingend anwaltlich vertreten sein muss.

Die Koalition schafft diese Anwaltspflicht nun wieder ab, weil sie die Abschiebeverfahren verlängere. „Die Zuordnung eines Anwalts vor der Entscheidung über die Abschiebehaft hat ein Frühwarnsystem geschaffen, das es den Betroffenen ermöglichte, rechtzeitig unterzutauchen“, so der CDU-Mann Seif.

Für die Grünen verteidigte der rechtspolitische Sprecher Helge Limburg die einstige Errungenschaft: „Vor Einführung der Anwaltspflicht waren 50 bis 60 Prozent der Abschiebehaft-Entscheidungen rechtswidrig.“ Detlef Seif, ließ das aber nicht gelten, es gebe hierzu keine wissenschaftlichen Untersuchungen, nur Behauptungen von Anwälten und Pro Asyl. Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD, wies darauf hin, dass die Gerichte bei „schwieriger Sach- und Rechtslage“ auch weiterhin einen Anwalt zuordnen können.

Erst zwei Tage vor der Abstimmung war in den Gesetzentwurf noch eine weitere relevante Regelung aufgenommen worden: Wer im Einbürgerungsverfahren besticht, bedroht oder falsche und unvollständige Angaben macht, soll eine zehn-jährige Einbürgerungssperre erhalten. Der CDU-Abgeordnete Throm verwies auf hunderte Fälle von gefälschten Sprachzertifikaten und sprach von Organisierter Kriminalität.

SPD-Mann Fiedler erklärte: „Wer Deutscher werden will, muss sich redlich verhalten“. Die Grünen-Abgeordnete Polat warnte jedoch: „Wenn schon unvollständige Angaben für eine Sperre reichen, kann das auch ehrliche Familien treffen.“

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