+++ Nachrichten aus Nahost +++: Netanjahu: „Historischer Wandel“ der Beziehungen
Friedrich Merz besucht Yad Vashem und spricht vom „Wesenskern“ deutsch-israelischer Beziehungen. Palästina wolle er nicht als Staat anerkennen.
Netanjahu: Israel arbeitet „für die Verteidigung Deutschlands“
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat mit Blick auf die deutsch-israelische Rüstungskooperation von einem „historischen Wandel“ in den Beziehungen zu Deutschland gesprochen. Nach einem Treffen mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Jerusalem sagte Netanjahu, Israel sei seit der Gründung des jüdischen Staates in der Lage gewesen, „unsere Feinde abzuwehren“. Das Land habe Fähigkeiten entwickelt, mit denen es nun anderen helfen könne, sagte er mit Blick auf die Stationierung des Raketenabwehrsystems Arrow 3 in Deutschland.
„Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands“, sagte Netanjahu. „Und das ist ein historischer Wandel, der in einer Zeit großer internationaler Turbulenzen und Veränderungen stattfindet.“ Man bespreche jetzt, „auf welche Weise wir diese Verteidigungszusammenarbeit in einer sich verändernden Welt fortsetzen können“. (dpa)
In absehbarer Zukunft keine Anerkennung eines Staates Palästina
Bundeskanzler Friedrich Merz sieht in „absehbarer Zukunft“ keine Voraussetzungen für die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Deutschland. Das sagte der CDU-Politiker nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Es gehe zunächst darum, Schritt für Schritt den Friedensplan zu implementieren.
„Was an dessen Ende steht, weiß heute von uns niemand. Und weil das so ist, hat auch die Bundesregierung anders als andere europäische Staaten von einer frühzeitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates Abstand genommen. Wir werden das auch in absehbarer Zukunft nicht tun“, sagte Merz. Einem solchen Staat fehlten bis jetzt alle Voraussetzungen dafür, überhaupt ein selbstständiger Staat sein zu können.
Merz: Deutschland leistet Beitrag bei Wiederaufbau in Gaza
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) glaubt, dass die Waffenruhe im Gazastreifen halten kann. „Ein dauerhafter Frieden ist möglich“, sagte Merz am Sonntag in Jerusalem bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dies gelte auch trotz vereinzelter Rückschläge bei dem vereinbarten Waffenstillstand. Deutschland leiste humanitäre Hilfe und werde zum Wiederaufbau des zerstörten Küstenstreifens einen Beitrag leisten. „Es kann in Gaza keine Rolle für die Hamas geben“, ergänzte Merz mit Blick auf die radikal-islamische Miliz. Deren Überraschungsangriff im Jahr 2023 hatte zu einer Invasion Israels im Gazastreifen geführt.
Merz versicherte unter Verweis auf die deutsche Geschichte, Deutschland stehe immer an der Seite Israels. Dies sei auch nach den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober der Fall gewesen. Allerdings müsse sich auch Israel bei seinem militärischen Vorgehen am Völkerrecht messen lassen. Im Westjordanland dürfe es keine Annexionsschritte geben, forderte er. (rtr/taz)
Baerbock fordert Zugang für humanitäre Hilfe in ganz Gaza
Deutschlands ehemalige Außenministerin und Präsidentin der UN-Vollversammlung, Annalena Baerbock, hat an Israel appelliert, die humanitäre Lage im Gaza-Streifen zu verbessern. „Weiterhin fehlt es Hunderttausenden Menschen, vor allem vielen Kindern, an Lebensmitteln, medizinischer Versorgung, einem Dach über dem Kopf“, sagte Baerbock den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie forderte „den kompletten, sicheren und ungehinderten Zugang für jegliche humanitäre Hilfe in ganz Gaza, einschließlich des Palästinenserhilfswerks UNRWA mit seinem Fokus auf Gesundheitsversorgung und Schulen“.
Mit Unverständnis reagierte Baerbock auf die Entscheidung der Bundesregierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), einer Mandatsverlängerung für das Palästinenserhilfswerk UNRWA nicht zuzustimmen. Dieses habe bereits Reformschritte umgesetzt, betonte Baerbock. „Warum man sich dennoch plötzlich bei der jährlichen Verlängerung enthalten hat, auch wenn ja anderseits weiter gezahlt wird, müssen Sie die aktuelle Bundesregierung fragen“, kritisierte sie.
Das Mandat für UNRWA umfasse nicht nur Gaza, sondern ebenso das Westjordanland, Jordanien, Syrien und den Libanon, wo viele palästinensische Flüchtlinge leben, sagte Baerbock. Ohne Unterstützung der Vereinten Nationen werde es schwer, die Region zu stabilisieren und Gaza wieder aufzubauen. (epd/taz)
Gedenken in Yad Vashem: „ „Wir werden die Erinnerung lebendig halten“
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat bei seinem Antrittsbesuch in Israel in der zentralen Gedenkstätte Yad Vashem der während der Nazi-Diktatur ermordeten Jüdinnen und Juden gedacht. „Wir werden die Erinnerung lebendig halten an das furchtbare Verbrechen der Shoa, das Deutsche am jüdischen Volk begangen haben“, schrieb er in das Gästebuch. „Hier, in Yad Vashem ist mit Händen zu greifen, welche bleibende historische Verantwortung Deutschland trägt: Deutschland muss für die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen. Das gehört zum unveränderlichen Wesenskern unserer Beziehungen, und zwar für immer.“
Den von seinen Vorgängern benutzten Begriff, dass die Sicherheit Israels zur „Staatsräson“ gehöre, vermied Merz. Er hatte mehrfach betont, dass er den Begriff nicht als passend empfinde, was aber nichts an der unzerbrechlichen Solidarität mit Israel ändere.
Merz legte anschließend in der Halle der Erinnerung einen Kranz nieder und entzündete die Ewige Flamme.
Yad Vashem ist die größte Holocaust-Gedenkstätte der Welt. Sie wurde 1953 gegründet und dient der Erinnerung, Forschung, Dokumentation und Bildungsarbeit über den Holocaust. Millionen von Dokumenten über den Völkermord der Nazis sind dort archiviert. (afp/rtr/dpa/taz)
„Wir sind es, die Europa verteidigen“
Am Samstag hatte Merz bei der Begrüßung durch Staatspräsident Isaac Herzog versichert, es sei „Teil unserer DNA und unserer Politik, Israel zu unterstützen und ihm zur Seite zu stehen“.
Präsident Herzog betonte in seiner Willkommensrede, es sei wichtig zu sehen, „dass in Deutschland israelische Arrow-3-Raketen zur Verteidigung Deutschlands und Europas installiert“ würden. „Wir sind es, die Europa verteidigen, und wir sind es, die hart daran arbeiten, dass es in Gaza einen Morgen gibt“, so Herzog wörtlich.
Es sei klar, betonte der Präsident, dass Israel vor einer nächsten Stufe der Waffenruhe sicherstellen müsse, dass die Hamas und ihre Kampfkraft aus Gaza entfernt würden. Daran müssten alle gemeinsam arbeiten, und: „Deutschland spielt dabei eine große Rolle“. (kna)
Merz warnt vor Annexionen im Westjordanland
Zum Auftakt seines ersten Israel-Besuchs als Bundeskanzler hat Friedrich Merz die besondere Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht des jüdischen Staats bekräftigt. „Wir werden immer an der Seite dieses Landes stehen“, sagte er bei einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog in Jerusalem. „Ich weiß um die Verpflichtung, die jeder Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in diesem Land hat.“
Merz betonte aber auch, dass er zu einer Zeit nach Israel komme, die „komplizierter kaum sein könnte“. Das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Krieg habe Deutschland „vor einige Dilemmata gestellt“. Auf die habe man reagiert, sagte er offenbar auch mit Blick auf die vorübergehende Einschränkung von Rüstungsexporten nach Israel, die inzwischen wieder zurückgenommen wurde.
Vor dem Besuch in Israel war Bundeskanzler Friedrich Merz nach Jordanien gereist und hatte dort auf Fortschritte im Nahost-Friedensprozess gedrängt. Die Lage im Westjordanland dürfe nicht aus dem Blick geraten, sagte er dort. „Wir müssen den Weg zur palästinensischen Staatlichkeit offenhalten. Deshalb darf es keine Annexionsschritte im Westjordanland geben.“ Ultrarechte Mitglieder der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu machen sich seit langem für eine Annexion des Westjordanlands stark. Die Palästinenser beanspruchen das Gebiet als Teil eines künftigen unabhängigen Staates. (dpa)
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