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Weniger neue Solaranlagen auf DächernMinisterin Reiche verschreckt Haus­ei­gen­tü­me­r:in­nen

Die Zahl neuer Solaranlagen auf Dächern ist 2025 stark gesunken. Die Diskussion um die Förderung verunsichert Interessierte, so der Branchenverband.

Droht ein Ende des Booms? Solardächer waren bislang in Deutschland sehr populär Foto: Karin Jähne/imago

Die Nachfrage nach Solaranlagen auf Eigenheimen ist in diesem Jahr stark zurückgegangen. Bis Ende Oktober wurden 28 Prozent weniger Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern errichtet als im Vergleichzeitraum 2024. Das teilte der Bundesverband Solarwirtschaft am Montag mit. Der Verband führt den Rückgang auch auf die Verunsicherung zurück, die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit der Ankündigung eines Förderstopps ausgelöst hat.

Die Photovoltaik (PV) hat eine große Bedeutung für die deutsche Energiewende. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Im dritten Quartal 2025 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts vom Montag 64 Prozent des Stroms von Erneuerbaren produziert – so viel wie noch nie im Juni, August und September. Bis 2030 sollen in Deutschland Solaranlagen mit einer Spitzenleistung von insgesamt 215 Gigawatt installiert sein, sowohl in Form großer Anlagen auf Freiflächen als auch auf den Dächern von Gebäuden.

Bundeswirtschaftsministerin Reiche hat für große Verunsicherung im Markt gesorgt

Carsten Körnig, Bundesverbands Solarwirtschaft

Der Strom aus Dachsolaranlagen von Privathäusern spielt dabei eine immer größere Rolle. Von Anfang 2000 bis heute ist die Zahl der Solaranlagen auf Eigenheimen von 1,7 Millionen auf 4,1 Millionen gestiegen. Während der Coronakrise haben viele Ei­gen­heim­be­sit­ze­r:in­nen in ihre Immobilie investiert, eine Solaranlage auf dem Dach steigert den Wert eines Hauses. Auch die Energiepreiskrise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu dem Boom beigetragen. „Diese Sonderkonjunktur ist abgeflaut“, sagte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, der taz.

In den ersten zehn Monaten 2025 wurden in Deutschland auf 357.395 Dächern Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von bis zu 30 Kilowatt installiert, im Vergleichszeitraum 2024 waren es 495.661. „Wir gehen nicht davon aus, dass sich an diesem Trend bis Jahresende etwas ändert“, sagte Körnig.

Feste Einspeisevergütung soll fallen

Neben der schlechten Wirtschaftslage – Bür­ge­r:in­nen scheuen tendenziell in Krisen tendenziell große Investitionen – und dem Auslaufen der Sonderkonjunktur ist nach einer Befragung des Solarhandwerks durch den Verband die Politik für die sinkende Nachfrage verantwortlich. „Bundeswirtschaftsministerin Reiche hat mit ihrer Ankündigung, Hand an die Förderkulisse anzulegen, für große Verunsicherung im Markt gesorgt“, sagte Körnig. Viele Haus­ei­gen­tü­me­r:in­nen warten also erst einmal ab, was passiert.

Der Hintergrund: Ministerin Reiche hat angekündigt, die feste Einspeisevergütung für Dachsolaranlagen abzuschaffen. Details sind noch unklar. Heute bekommen Be­trei­be­r:in­nen von Photovoltaikanlagen eine feste Vergütung für den Strom, den sie ins Netz einspeisen. Die Förderzusage, zurzeit etwa 8 Cent pro Kilowattstunde, gilt für 20 Jahre.

Reiche ist der Auffassung, dass sich Solaranlagen auch ohne diese Förderung selbst tragen. Doch potenzielle In­ves­to­r:in­nen sehen das offenbar anders. Einer Umfrage des Bundesverbands Solarwirtschaft unter 1.000 potenziellen An­la­gen­käu­fe­r:in­nen zufolge würden 60 Prozent bei einer Streichung der Förderung nicht in Photovoltaik investieren. „Eine Halbierung des Marktes im wichtigen Heimsegment können wir uns nicht leisten“, sagte Körnig. Das gelte nicht nur für die wirtschaftlichen Folgen für die Branche, sondern auch für das Erreichen der Klimaziele.

Auch die Grünen machen Reiche für die sinkende Nachfrage verantwortlich. „Viele Menschen möchten sich durch Solaranlagen aktiv an der Energiewende beteiligen“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnte Katrin Uhlig. „Was sie dafür brauchen, ist eine verlässliche Grundlage.“ Doch die notwendige Planungssicherheit werde gezielt von Katherina Reiche torpediert.

Die Bundesregierung habe durchaus weitere Hebel in der Hand, um den Ausbau der Photovoltaik zu forcieren. „Sie könnte etwa gegenüber der EU-Kommission stärker auf eine beihilferechtliche Genehmigung des Solarpaket I hinwirken“, erklärte sie. Mit den darin enthaltenen verbesserten Förderbedingungen ließe sich vor allem das große Potenzial von Solaranlagen auf Gewerbedächern besser ausschöpfen.

Intelligenter als in der Vergangenheit

Das Bundeswirtschaftsministerium reagiert gelassen auf die rückläufige Nachfrage. In den vergangenen Jahren seien die Ziele beim Ausbau der Photovoltaik übererfüllt worden, sagte ein Sprecher des Ministeriums der taz. Im September hatte Reiche ein Gutachten, das sogenannte Energie-Monitoring, zur Zukunft der Erneuerbaren vorgelegt. Daraus hatte sie ihre Ankündigung nach Abschaffung der festen Einspeisevergütung für Dachsolaranlagen abgeleitet.

Das Bundeswirtschaftsministerium bereite auf Grundlage des Monitorings derzeit konkrete Gesetzesentwürfe vor, sagte der Sprecher. „Ein Ziel dabei ist, neue PV-Anlagen zukünftig noch besser in den Strommarkt und das Stromnetz zu integrieren. Der Zubau soll also weitergehen, aber intelligenter als in der Vergangenheit.“

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