Debatte über Rentenreform: Wer später anfängt, soll später aufhören
Soll das Renteneintrittsalter künftig stärker an die Beitragsjahre gekoppelt werden? Bärbel Bas lobt die Idee, die Union zeigt sich gesprächsbereit.
Jens Südekum, Berater von Lars Klingbeil, hält ein höheres Renteneintrittsalter für nötig. Ginge es nach dem Ökonomen, sollen aber nicht alle mit 70 Jahren in Rente gehen. AkademikerInnen, die wegen langer Ausbildung erst spät in die Rentenkassen einzahlen, sollen sich später in den Ruhestand verabschieden dürfen. Anders MechatronikerInnen, die früher beginnen zu arbeiten und früher die Rentenkasse füllen. Im Gespräch sind offenbar 47 Jahre Rentenbeitrag. Das bedeutet: Wer mit 18 anfängt zu arbeiten, kann mit 65 in Rente gehen. Wer studiert und mit 25 Jahren in den Job einsteigt, erst mit 72 Jahren.
Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hegt für die Idee Sympathien, dito Kanzler Friedrich Merz, und sogar Markus Söder zeigt sich offen. Wenig überraschend, beim letzten Koalitionsausschuss Ende November hat Schwarz-Rot genau das angekündigt – wenn auch wolkiger und mit Fragenzeichen formuliert. Man wolle bei der Rentenreform „stärker lange Beitragszeiten und einen früheren Eintritt ins Erwerbsleben“ berücksichtigen, hieß es damals. Südekum hat das nun präziser ausgedrückt – und mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit verbunden.
Rentenkürzung durch die Hintertür?
Gegen den Vorschlag protestiert die Linkspartei. „Wer studiert, darf dafür im Alter nicht bestraft werden“, so die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke. Wenn Millionen Menschen erst mit 70 in Rente gehen dürfen, sei das, so Gohlke, „nichts anderes, als eine massive Rentenkürzung durch die Hintertür“. Es gibt zudem eine Menge Unklarheiten in der Debatte über längere Lebensarbeitszeit für AkademikerInnen. Denn was ist mit jenen, die früh anfangen zu arbeiten, aber für Kinder- oder Altenpflege ihre Jobs jahrelang an den Nagel hängen?
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lehnt den Vorschlag ab. „Der von Bas unterstützte Vorschlag eines einzelnen Beraters ist eine Neuauflage der ‚Rente mit 63‘ unter einer neuen Überschrift“, so BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Dieses sei falsch und bliebe falsch.
Der Chef des Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fürchtet, dass eine Kopplung des Renteneintrittalters an die Beitragsjahre die Falschen treffen würden. Das würde zu Lasten von „Menschen und vor allem Frauen gehen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben“, so Fratzscher. Laut Koalitionsausschuss will Schwarz-Rot genau das aber verhindern. Die Rentenkommission, die noch 2025 eingesetzt werden soll, müsse prüfen, welche Auswirkungen Reformen auf „Frauen, Normalverdienerinnen und Normalverdiener sowie Menschen mit niedrigem Einkommen“ haben.
Auch Riester-Rente soll reformiert werden
Während die Debatte um AkademikerInnen noch recht vage wirkt, will SPD-Finanzminister Lars Klingbeil bei der privaten Rentenversicherung Nägel mit Köpfen machen. Die bürokratische, wenig ertragreiche Riester-Rente soll reformiert werden.
Eine neue staatlich geförderte kapitalmarktgestützte Rente soll dann schon 2027 an den Start gehen und alles besser machen: Die Gewinne der Versicherungskonzerne sollen begrenzt, die Renditen für Rentner höher werden. Es soll auch die Wahl zwischen zwei Modellen geben – einem sehr sicheren, aber weniger ertragreichen und einem mit mehr Risiko und Renditen.
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