Gemeinsames Europäisches Asylsystem: Merz rechnet mit Ende der Grenzkontrollen
Nach der Verschärfung der EU-Asyl-Regeln könnten Grenzkontrollen und Zurückweisungen in absehbarer Zukunft eingestellt werden, sagt Bundeskanzler Merz.
taz/dpa/afp | Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erwartet nach der Einigung der EU-Staaten auf eine Verschärfung der gemeinsamen Asylpolitik ein Ende der Kontrollen an den Binnengrenzen. Mit der gemeinsamen Asylpolitik „schaffen wir es auch, die Grenzkontrollen an die europäischen Außengrenzen zu verlagern“, sagte Merz am Dienstag in Mainz. Dann werde das wiederhergestellt, „was ich immer befürwortet habe – nämlich, einen Raum ohne Binnengrenzen zu schaffen in der Europäischen Union“.
Er selbst habe „die Grenzkontrollen immer als etwas von begrenzter Dauer und Wirkung empfunden“, sagte Merz weiter bei seinem Antrittsbesuch in Rheinland-Pfalz. „Wenn jetzt in der Europäischen Union eine gemeinsame europäische Asylpolitik auf den Weg gebracht ist, ist das genau das, was wir immer wollten.“
Die EU hatte bereits im Juni 2024 eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) beschlossen, das die Mitgliedsländer bis Juni 2026 umsetzen sollen. Im April verkündete die EU-Kommission, Teile der Reform vorziehen zu wollen, um den Mitgliedsländern beschleunigte Asylverfahren zu ermöglichen.
Die EU-Innenminister hatten sich am Montag nach monatelangen Verhandlungen auf eine zusätzliche Verschärfung des gemeinsamen Asylsystems geeinigt. Demnach sollen künftig Geflüchtete auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren. So werden Lager außerhalb Europas möglich, wo Menschen festgehalten werden, bis sie in ihr Herkunftsland zurückgebracht werden können. Die Verschärfung muss nun noch vom EU-Parlament gebilligt werden.
Die Innenminister ebneten den Weg auch für härtere Strafen gegen Menschen ohne Bleiberecht, die sich weigern, die EU zu verlassen. Umstritten war zuletzt eigentlich nur noch die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen zur Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern.
Binnengrenzkontrollen verärgern Nachbarstaaten
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am 7. Mai die Kontrollen an allen deutschen Grenzen zu Nachbarstaaten verstärken lassen. Außerdem ordnete er an, dass auch Schutzsuchende, die ausdrücklich um Asyl bitten, zurückgewiesen werden. Ausgenommen sind nur sogenannte vulnerable Gruppen wie Kinder und Schwangere.
Die Binnengrenzkontrollen, die heimlich wohl auch schon unter Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) stattfanden, hatten bei den betroffenen Nachbarländern für Verärgerung gesorgt. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Zurückweisungen nicht nur als inhuman, sondern auch als illegal. Tatsächlich muss nach dem sogenannten Dublin-System jeder Geflüchtete zunächst ins Land gelassen und sein Asylantrag geprüft werden. Erst danach kann bei negativem Entscheid eine Abschiebung angeordnet werden.
Auch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin spricht stark dafür, dass die Praxis rechtswidrig ist. Die Richter*innen hatten im Fall dreier Geflüchteter aus Somalia geurteilt, ihre Zurückweisung sei illegal gewesen. Merz und Dobrindt erklärten allerdings, das Urteil beziehe sich nur auf den Einzelfall und ließen weiter zurückzuweisen.
Aktualisiert und ergänzt am 09.12.2025 um 16:55 Uhr. d. R.
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