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Friedensnobelpreis-VerleihungMaría Machados Tochter hält die Dankesrede für ihre Mutter

Weil sie zu spät in Oslo ankommt, konnte Machado den Nobelpreis nicht persönlich annehmen. In ihrer Rede warf sie dem Maduro-Regime „Staatsterrorismus“ vor.

Ana Corina Sosa, Tochter der Friedensnobelpreisträgerin, nimmt den Preis entgegen Foto: Ole Berg-Rusten/NTB Scanpix Pool/ap/dpa

Würde María Corina Machado den Friedensnobelpreis persönlich entgegennehmen? Das war bis wenige Stunden vor der Verleihung die große Frage. Seit Januar war die Venezolanerin nicht mehr öffentlich aufgetreten. Seit einem Jahr lebt sie im Untergrund. Das Regime in Caracas hat einen Haftbefehl gegen sie verhängt.

Am Ende war es Ana Corina Sosa Machado, die Tochter der venezolanischen Oppositionsführerin, die Urkunde und Medaille entgegennahm und die Dankesrede ihrer Mutter verlas. Machados älteste Tochter emigrierte 2012 in die USA und arbeitet als Softwareingenieurin. „Ich denke an all die anderen Kinder, die ihre Mutter nicht umarmen können“, sagte sie bei ihrer Einleitung. Sie ist eine zierliche Person, die das breite Lächeln und Charisma ihrer Mutter geerbt hat.

In ihrer Rede warf die Oppositionspolitikerin der Regierung von Präsident Nicolás Maduro „Staatsterrorismus zur Unterdrückung des Willens des Volkes“ vor. Sie sprach unter Verweis auf Entführungen, Folter und die Verfolgung von Oppositionellen von „von den Vereinten Nationen dokumentierten Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. „Um Demokratie zu haben, müssen wir bereit sein, für die Freiheit zu kämpfen“, betonte Machado.

„Herr Maduro, akzeptieren Sie das Wahlergebnis und treten Sie zurück!“, hatte der Vorsitzende des Nobelkomitees, Jørgen Watne Frytnes, in seiner Einleitungsrede gefordert. Mit eindringlichen aktuellen Beispielen ging er auf die Lage in Venezuela ein, auf politische Gefangene, die im Gefängnis sterben, gefoltert werden, Kinder, die für angebliche Verbrechen ihrer Geschwister ebenfalls festgenommen werden – und betonte die „unermüdliche Arbeit“ Machados trotz aller Widerstände.

Venezuela als demokratischer Vorreiter

Machado erinnerte aber auch an die Geschichte ihres Landes. Einst demokratischer Vorreiter auf dem Kontinent, erlebte Venezuela dank des Erdöls einen wirtschaftlichen und kulturellen Boom. Das Land wurde zum Hafen für Menschen aus aller Welt, die vor Diktaturen und Krieg flohen. Bis die Demokratie zur Diktatur wurde und das Geld aus den Öleinnahmen gestohlen wurde, wie Machado sagt.

Herr Maduro, akzeptieren Sie das Wahlergebnis und treten Sie zurück!

Jørgen Watne Frytnes, Vorsitzender des Nobelkomitees

Sie schilderte die jahrelangen Versuche, einen demokratischen Wandel herbeizuführen – insbesondere die Mühen, Gefahren und Verfolgung im Wahlkampf 2024, der für das Nobelpreiskomitee der entscheidende Punkt für die Nominierung gewesen war.

María Corina Machado (58) soll am Mittwochabend oder Donnerstagmorgen in Oslo eintreffen – zu spät für die Preisverleihung. Am Dienstagabend war eine Pressekonferenz, an der sie teilnehmen sollte, abgesagt worden. Neben den öffentlichen Terminen, wie dem Besuch im Parlament und dem Treffen mit dem norwegischen Ministerpräsidenten, wird es ein kleines Familientreffen sein, bei dem sie unter anderem zum ersten Mal seit zwei Jahren ihre Kinder wiedersehen kann.

Laut ihrer Tochter werde sie dann „sehr bald“ nach Venezuela zurückkehren. Im Vorfeld war jedoch spekuliert worden, ob Machado entweder nicht zurückkehren dürfe oder bei ihrer Wiedereinreise festgenommen werde.

Proteste gegen Preisverleihung

Am Vortag hatten in Norwegen Dutzende gegen die Verleihung an María Corina Machado protestiert. Der Preis werde benutzt, um eine Militärintervention in Venezuela zu legitimieren, begründete dies Lina Alvarez Reyes, Sprecherin des norwegischen Solidaritätskomitees mit Lateinamerika. Machado habe sich nicht von Militärinterventionen distanziert und gegen die Angriffe in der Karibik ausgesprochen. Das widerspreche dem Testament von Alfred Nobel.

In einem Interview mit dem norwegischen Sender NRK hatte Machado vergangene Woche betont, dass US-Präsident Donald Trump eine Schlüsselrolle für die Demokratiebewegung in Venezuela innehabe. Angesprochen auf die US-Attacken auf Boote in der Karibikküste, bei denen mehr als 80 Menschen getötet sein sollen, gab Machado Präsident Maduro die Schuld daran. Er habe „den Krieg“ begonnen. Nach der Bekanntgabe hatte sie gesagt, dass Trump den Preis verdiene und „zu seinen Ehren“ entgegennehme.

Aus Protest gegen die Auszeichnung hatte der Norwegische Friedensrat den traditionellen Fackelmarsch zwischen Verleihung und feierlichem Abendessen abgesagt. Stattdessen übernahm die norwegisch-venezolanische Allianz für Gerechtigkeit die Organisation. Viele Exil-Venezolaner:innen reisten nach Oslo, um bei den Feierlichkeiten dabei zu sein, diese mit vorzubereiten und die Gelegenheiten zum Vernetzen und Austausch mit Landsleuten zu nutzen. 9 Millionen Menschen haben wegen Krise und Verfolgung das Land verlassen.

Aus Lateinamerika waren unter anderem die Präsidenten von Argentinien, Panama, Ecuador und Paraguay nach Oslo gereist – alle aus dem rechten Spektrum, mit Menschenrechtsproblemen in ihren Heimatländern. Ein weiterer Grund, weshalb viele Machado kritisch sehen. Allerdings hat sich die lateinamerikanische Linke bisher mit Unterstützung für Machado eher zurückgehalten. Gustavo Petro, Präsident des Nachbarlands Kolumbiens, hatte die Vergabe an sie scharf kritisiert, weil sie sich 2015 für eine Militärintervention in Venezuela ausgesprochen hatte – während er Maduro ein „Demokratiedefizit“ bescheinigte.

Kritik und Verhaftungen in Venezuela

In der venezolanischen Hauptstadt Caracas kritisierte das Regime vorab die Anerkennung Machados. Innenminister Diosdado Cabello bezeichnete die Veranstaltung als „Auktion“, bei der der Meistbietende den Zuschlag erhält.

Nach der Bekanntgabe ihrer Auszeichnung hat in Venezuela eine Verhaftungswelle gegen Oppositionelle eingesetzt. Während viele Exil-Venezolaner:innen die Auszeichnung feierten, blieb es im Land selbst still. Zu groß war die Angst vor Repressionen.

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