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Präsidentschaftswahl 2026 in BrasilienSoll Sohn Nummer eins wirklich an die Spitze?

Flávio Bolsonaro kandidiert in Brasilien für das Präsidentenamt. Er ist der älteste Sohn des verurteilten Ex-Staats- und Regierungschefs Jair Bolsonaro.

Flávio Bolsonaro, der Sohn des früheren Präsidenten Jair Bolsonaro, plant eine Präsidentschaftskandidatur Foto: Adriano Machado/reuters

Am Freitag kürte Jair Messias Bolsonaro seinen Ältesten zu seinem offiziellen Nachfolger. Nach einem Besuch beim wegen eines Putschversuchs im Jahr 2023 inhaftierten Vater erklärte der 44-jährige Flávio Bolsonaro: „Mit großer Verantwortung bestätige ich die Entscheidung der größten politischen und moralischen Führungspersönlichkeit Brasiliens, mir die Mission zu übertragen, unser Projekt für die Nation fortzusetzen.“ Präsidentschaftswahlen in Brasilien sind erst im Herbst 2026. Aber die Kandidatenkür hat bereits begonnen.

Der Vater nennt Flávio immer schon seinen „Sohn Nummer 01“. Soll der Anwalt und Geschäftsmann jetzt auch die Nummer eins in Brasilien werden?

Wie die anderen drei Söhne durchlief der Erstgeborene eine militärisch-strenge Erziehung. Dass Vater Jair dem jüngeren Sohn Carlos einmal ein Stück Seife in den Mund gestopft hatte, weil dieser zu viel geweint hatte, kommentierte Flávio dereinst mit: „Er war eben der Aufsässige unter uns.“ Wie der Vater verherrlicht Flávio die Militärdiktatur, die er euphemistisch als „Übergang zur Demokratie“ bezeichnet. Er ist gegen Schwule und Abtreibung, aber für die Todesstrafe und Bewaffnung aller. Und er ist für ein gutes Leben für sich und seine Familie: seine Ehefrau Fernanda, eine Zahnärztin, und die beiden Töchter Luiza und Carolina. Dafür rechnet der Senator schon mal „versehentlich“ Flugtickets auf die Luxusinsel Fernando de Noronha als Dienstreise ab.

Im Jahr 2015 wurde er wegen Geldwäsche, Veruntreuung und der Bildung einer kriminellen Organisation angeklagt: Damals war Flávio in Rio de Janeiro Abgeordneter und soll bei bis zu 23 seiner Assessoren Teile von deren Gehalt eingestrichen haben. Die Assessoren arbeiteten nur auf dem Papier für ihn, so die Anklage, die später fallengelassen wurde, weil sie auf abgehörten Telefongesprächen und einem aufgehobenen Bankgeheimnis basierte und Flavio sich erfolgreich auf seine parlamentarische Immunität berief. 2021 kaufte Flavio zusammen mit Gattin Fernanda eine Luxusresidenz, deren Preis mit seinen Einkommensverhältnissen nicht zu vereinbaren ist: Die Ratenzahlungen machen 50 Prozent des offiziellen Familieneinkommens aus. Wo das Geld herkommt, ist bislang ungeklärt.

Lieblingsthemen des Senators sind Sicherheit und Familie. Und wie der Papa ist der Nachwuchs groß darin, mit seinen Standpunkten Irritationen auszulösen. Die US-Strafsteuern auf brasilianische Waren bezeichnete er etwa als „Krieg“, in dem es nachzugeben gälte, um zu verhindern, „dass zwei Atombomben auf Brasilien niedergehen“.

Besonderes Aufsehen erregte allerdings eine andere Aussage: „Mich zum Verzicht auf die Kandidatur zu bringen, hat seinen Preis“, sagte der Senator am Freitag. Er würde nur verzichten, wenn sein Vater freikäme. Das passt zur Theorie, dass die Kandidatur des Senators, den laut einer Meinungsumfrage des Instituts Datafolha nur 8 Prozent für den richtigen Kandidaten halten, ein politischer Schachzug ist. Chancen hätte eher der zuvor favorisierte Gouverneur von São Paulo Tarcisio de Freitas, zum Beispiel mit Jairs Ehefrau Michelle als Vize.

Noch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch stimmten die Parlamentarier über einen Gesetzesentwurf ab, der die Strafen für die Putschisten vom 8. Januar 2023 drastisch reduziert. Das Gesetz würde auch Jair Bolsonaro zugute kommen. Es wird jetzt dem Senat vorgelegt. Christine Wollowski

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