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Regierungsverhandlungen in BerlinKongos Regierung auf Lobbytour in Deutschland

Die Regierungen Deutschlands und der DR Kongo reden über Entwicklungshilfe und Investitionen. Zeitgleich eskaliert vor Ort der Krieg.

Eins der Projekte auf der Agenda der deutsch-kongolesischen Gespräche: Das Wasserkraftprojekt „Grand Inga“ Foto: guenterguni/getty images
Dominic Johnson

Aus Berlin

Dominic Johnson

Just während Kongos M23-Rebellen am Mittwoch kampflos die Großstadt Uvira besetzten und der Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo damit einen neuen Höhepunkt erreichte, priesen kongolesische Regierungsmitglieder in Deutschland ihr Land als Investitionsziel an. Minister sowie Chefs von Verbänden und Behörden aus Kinshasa trafen sich im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin mit deutschen Regierungs- und Unternehmervertretern zum Deutsch-Kongolesischen Wirtschaftsforum.

Das nie realisierte, jahrzehntealte Wasserkraftprojekt „Grand Inga“, das den gesamten Unterlauf des wuchtigen Kongos aufstauen und damit Strom für das südliche Afrika generieren soll, stand ebenso auf der Agenda wie der Lobito-Korridor zur Beschleunigung der Exporte kongolesischer Mineralien über den Atlantik.

An den beiden Tagen davor hatten die Regierungen der DR Kongo und Deutschlands bei bilateralen Regierungsverhandlungen die deutsche Entwicklungshilfe für die DR Kongo in den kommenden Jahren festgeklopft. Es ging nach Angaben des Entwicklungsministeriums (BMZ) um Investitionen in den Bereichen Rohstoffpolitik und Energie und die Erhaltung des Regenwaldes.

Auch bestehende Programme für gute Regierungsführung und friedensfördernde Maßnahmen in den östlichen Konfliktgebieten dürften erneut auf der Agenda gestanden haben. Konkrete Vorhaben und die Höhe der Zusagen bei den am Dienstag abgeschlossenen Gesprächen nannte das BMZ auf Nachfrage zunächst nicht.

Kongolesische Quellen sprechen von einer „verstärkten Partnerschaft“ und einem „solideren Rahmen der Zusammenarbeit“ in „strategischen Sektoren wie Infrastruktur, Energie, grüne Transformation, Berufsbildung und verantwortungsvolle Mineralienförderung“. Die Gesamthöhe der Zusagen soll die der letzten Regierungsverhandlungen aus dem Jahr 2023, als für 2023 und 2024 insgesamt 90 Millionen Euro zugesagt worden waren, übersteigen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben im Jahr 2024 knapp 57 Millionen Euro und im Jahr 2025 bis Oktober rund 35 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in der DR Kongo zur Verfügung gestellt.

Größte Kriegseskalation seit Februar

Die Deutschlandtermine just zum Zeitpunkt der größten Kriegseskalation seit Februar kommen Kongos Regierung nicht ungelegen, denn Deutschland hält den Vorsitz der Internationalen Kontaktgruppe für die Region der Großen Seen, in der alle westlichen Geberländer gemeinsame außenpolitische Positionen formulieren. Kongos Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner führte dazu im Auswärtigen Amt Gespräche.

Am Dienstagabend, nachdem Kongos Armee schon aus Uvira geflohen und die Stadt den Rebellen überlassen hatte, formulierte die Kontaktgruppe eine scharfe Erklärung, wonach „die neue von Ruanda unterstützte Offensive der M23“ das „Risiko birgt, die gesamte Region zu destabilisieren“.

Ruandas Streitkräfte wurden „nachdrücklich“ aufgefordert, sich im Einklang mit UN-Resolution 2773 aus der DR Kongo zurückzuziehen. Dieser Sicherheitsratsbeschluss vom Februar 2025 fordert Ruandas „bedingungslosen“ Rückzug – eine Position, die die neueren Friedensabkommen von Washington und Doha überholt haben, weil sie kongolesische Schritte als Voraussetzung für ein Ende der sogenannten Defensivmaßnahmen Ruandas benennen. Auch diese Abkommen sollen von allen Parteien eingehalten werden, so die Kontaktgruppe weiter.

Kongos Regierung wünscht sich eigentlich koordinierte internationale Sanktionen gegen Ruanda. Immerhin: Während Deutschland Anfang 2025 Neuzusagen an Ruanda aussetzte, wird die Zusammenarbeit mit der Regierung der DR Kongo jetzt sogar intensiviert.

Wer sind Kongos Rebellen?

Die „Bewegung des 23. März“ (M23) wurde 2012 von meuternden Soldaten der kongolesischen Armee unter General Sultani Makenga gegründet. Der Name bezieht sich auf ein am 23. März 2009 geschlossenes Abkommen zur Beendigung einer vorherigen Rebellion. Die M23 ging nach ihrem ersten Krieg 2012-13 ins Exil nach Uganda. Ende 2021 nahm sie den Kampf wieder auf und ist jetzt stärker denn je, mit Hilfe Ruandas. Ihr geht es vor allem um den Schutz der kongolesischen Tutsi.

Die „Allianz des Kongo-Flusses“ (AFC) ist ein Verband der M23 und anderer Rebellen, gegründet kurz vor Kongos Wahlen Ende 2023 von Ex-Wahlkommissionschef Corneille Nangaa. Ihr Ziel ist der Sturz von Präsident Felix Tshisekedi.

Die M23-Rebellen hingegen sind für Deutschland keine Partner, obwohl sie sich als kongolesische Staatsmacht in ihren Gebieten sehen. „Die Bundesregierung steht nicht in direkten Gesprächen mit Vertretern der Miliz M23“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im November; die M23-Kontrolle über Teile des Landes wird als „völkerrechtswidrige Besatzung“ charakterisiert. Kongolesische Organisationen, die Geld aus Deutschland etwa für Gehaltszahlungen erhalten, dürfen davon in M23-kontrollierten Gebieten keine Steuern abführen.

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