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Rechte Literatur in der „Zeit“Bislang stand die Brandmauer

„Die Zeit“ gesteht dem rechtsradikalen Autor Volker Zierke „Ambivalenzen“ zu. Dabei entstammt dessen Taktik dem Lehrbuch neurechter Literaturpolitik.

Protest gegen die rechte Buchmesse „Seitenwechsel“ in Halle Foto: Sebastian Willnow/dpa

Vor einem Monat fand in Halle (Saale) die rechte Buchmesse mit dem euphemistischen Namen „Seitenwechsel“ statt. In der Messehalle am Stadtrand trafen sich unterschiedliche AkteurInnen, eingeladen von Susanne Dagen, Buchhändlerin und Verlegerin aus Dresden. Zentrales Anliegen von Dagen und ihrer Messe war die Vernetzung der rechten und rechtsradikalen Szene über alle internen Auseinandersetzungen hinweg.

Angelehnt an die politische Theorie des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek sollte hier der vorpolitische Raum stärker noch mit Themen der Neuen Rechten besetzt und von ihnen genutzt werden. Teil von Kubitscheks Konzept ist es, immer wieder neue Räume zu öffnen, Diskursfelder zu weiten und der eigenen Politik damit weitere Handlungsfelder zu ermöglichen.

Vier Wochen später, am 7. Dezember, stellte die Zeit online den Roman „Herrengedeck“ von Volker Zierke in den Mittelpunkt eines Texts. Der Roman erscheint im rechten Jungeuropa Verlag, der sich mit seinem Programm an eine junge, faschismusaffine Klientel richtet. Unter den weiteren AutorInnen des Verlages befindet sich auch der Rechtsextremist Martin Sellner.

Rezensieren tut die Zeit-Redakteurin Mariam Lau den Roman dabei weniger, vor allem gibt sie den Inhalt wieder und beschäftigt sich ansonsten ausführlich mit dem Autor, Volker Zierke. Sachliche Kritik an Text, Form, Sprache oder den literarischen Mitteln des Autors fehlt.

Die Autoren

Clemens Böckmann ist Autor und Filmemacher. Sein Debütroman „Was du kriegen kannst“ (Hanser) erschien 2024.

Domenico Müllensiefen ist ebenfalls Autor und las (Transparenzhinweis) beim Wir-Festival in Halle. Zuletzt erschien von ihm 2024 der Roman „Schnall dich an, es geht los“ (Kanon Verlag).

Dennoch bemüht um einen literarischen Vergleich, bringt Lau den Text von Zierke in die Nähe der sogenannten Popliteratur à la Christian Kracht. Dabei ist Kracht für die Neue Rechte eine wichtige Figur, insbesondere sein Roman „Faserland“. Kontinuierlich sind sie darum bemüht, die Behauptung zu etablieren, Krachts Roman sei eigentlich rechts. Wichtiger als eine genaue Lektüre ist ihnen dabei, die Nähe zu etablierten literarischen Werken zu suchen, um die eigene Position dadurch zu legitimieren.

Ob Lau in ihrer Rezension an den Roman „Faserland“ oder an „Imperium“ gedacht hat, bleibt ungeklärt. Genauigkeit im Umgang mit Zierkes Text lässt sie missen. Der für Lau überraschendste Moment im Roman, so erfahren wir, ist eine Liebesgeschichte, „mit einer streng katholischen Französin namens Idylle (…). Offenheit für diese Art von ambivalenten Gefühlen, die von Sehnsucht über Verachtung oder sogar einer Art Geschwisterlichkeit mit einer Frau reichen, findet man in Texten der Neuen Rechten nicht sehr oft.“ Wie Lau zu dieser Annahme kommt oder woran sie die „Geschwisterlichkeit“ im Text festmacht, bleibt unerklärt.

Angebliche Ambivalenz

Lau bescheinigt Zierke ein „Faible für Ambivalenz“, unter anderem deswegen, weil der sich im Telefonat mit ihr von den „Triumphgesängen” der Jung-AfD „Generation Deutschland” unbeeindruckt zeigt. In seinen Positionen ist Zierke jedoch ungleich radikaler als die Jung-AfD, und eben dieser Richtungsstreit ist Thema seines Romans: Sein Protagonist arbeitet im AfD-Milieu, ist aber frustriert davon, dass die Partei nicht radikal genug ist.

Lau bezieht sich in ihrem Text immer wieder auf dieses Telefonat mit Zierke. Darin jedoch scheint er sich mehr zur Zukunft der (Jung-)AfD geäußert zu haben, als zu seinem Roman. „Auf viele mögen die Reden und Slogans des Gründungsparteitags bedrohlich radikal gewirkt haben“, schreibt Lau. „Für Zierke waren da eine Menge Floskeln, die mühsam verbergen sollten, dass es hier für die Mutterpartei schlicht darum ging, einen Jugendverband besser unter Kontrolle zu bekommen. Trotzdem seien ‚einige gute Leute‘ nun gewählt worden, sodass er ‚verhalten optimistisch‘ in die Zukunft blicke.“

Warum sich Mariam Lau so sehr für die wenig überraschende Positionierung eines rechtsradikalen Autors interessiert, bleibt unklar. Eingeordnet werden Zierkes Zitate, etwa, dass es eine Verflachung rechter Politik aufgrund des Fokus auf Migration gebe, von Lau nicht. Nicht verständlich bleibt, warum sie Zierke vorstellt, als wäre er ein interessanter Kandidat für ein Porträt und nicht Posterboy einer Strömung innerhalb der neurechten Literatur.

Dabei ist er mitnichten der Erste, der es auf diese Tour versucht. Sebastian Schwaerzel zum Beispiel hat ein einfühlsames Buch über die Leiden eines bemitleidenswerten Incels geschrieben. Nur streitet dieser öffentlich ab, rechtsradikal zu sein, was Zierke nicht tut. Er steht der rechtsextremen Identitären Bewegung nahe, war in der Vergangenheit Regionalleiter des Landesverbands Schleswig-Holstein und arbeitet im Umfeld von Björn Höcke für die AfD.

Anschlussfähigkeit ist Strategie

Bei der Lektüre von Laus Text entsteht der Eindruck, „Herrengedeck“ sei ein Buch eines Rechtsextremen, das zufällig auch für Nichtrechte interessant ist. Lau schreibt, es sei „erstaunlich“ und „verblüffend“, dass aus diesem Milieu solche Stimmen zu hören sind. Dabei ist eben diese vermeintlich niedrigschwellige Anschlussfähigkeit Strategie.

Liest man Laus Text, so könnte man denken, es habe die Auseinandersetzungen zum öffentlichen Umgang mit Rechtsradikalen der letzten zwölf Jahre nicht gegeben. Sie macht damit unfreiwillig auf eine Freistelle aufmerksam. Die bisherigen Versuche, den Literaturbetrieb von rechts zu instrumentalisieren, sind weitestgehend gescheitert. Wenn auf den Buchmessen rechte Verlege ihre Stände aufbauen, geschieht dies nicht ohne Protest und Widerspruch.

Rechte AkteurInnen konnten in dieser Branche bislang nicht so ungestört wirken wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Die Brandmauer steht. Das war auch in Halle (Saale) während der rechten Buchmesse „Seitenwechsel“ zu beobachten. Die Messe fand zwar statt, allerdings am Stadtrand. Im Stadtzentrum fand zur selben Zeit das Wir-Festival statt.

Es lohnt sich, eben diese Versuche der Raumnahme von rechts genau zu betrachten. Weniger die Inhalte der Texte und Romane sind dabei relevant, vielmehr die Geste des Rezipierens, Besprechens und Verbreitens. Bücher wie „Herrengedeck“ zu lesen, kann aufschlussreich sein, braucht aber eine entsprechende Einbindung.

Die beiden Autoren dieses Artikels hatten das große Glück, dass ihre Romane in der Zeit besprochen wurden. Kritiken in großen Zeitungen schlagen sich in verkauften Büchern nieder. Sie sichern das Leben von AutorInnen und schaffen und verstärken die gesellschaftliche Relevanz der jeweiligen Verlage.

Umso schlimmer ist es, wenn einer dieser Plätze bewusst genutzt wird, um ohne weitere Einordnung ein Werk aus der neuen Rechten vorzustellen. Wurde vormals vor allem Musik genutzt, um sich neue soziale Räume zu erschließen, öffnet Mariam Lau so der rechten Literatur nun die Tür zur breiten Öffentlichkeit. Verlag und Autor Zierke werden sich fortan damit schmücken, dass die Zeit sie als „ambivalent“ bezeichnet und mit literarischen Schwergewichten wie Bukowski, Kracht und Hunter S. Thompson vergleicht. Egal, ob das Buch positiv oder negativ besprochen worden wäre, integriert die Zeit mit dieser Rezension die Neue Rechte ein Stück weiter in die gesellschaftliche Mitte.

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