Epstein-Files und der Schutz Betroffener: Die Schwärzungen sind das Gegenteil von Opferschutz
Weihnachten tauchten erneut Akten in der Causa Epstein auf. Die Kommunikation des Justizministeriums dazu soll vor allem einen schützen: Donald Trump.
E pstein-Files ohne Ende. Erst wurde wochenlang darum gerungen, ob die Akten, die belegen sollen, dass die Skandale um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein bis in die höchsten Kreise der USA reichten, veröffentlicht werden. Dann wurden Teile publiziert, allerdings zum Teil geschwärzt. Dokumente, die Rückschlüsse auf den US-Präsidenten zulassen, wurden gar gelöscht – und am Ende doch wieder veröffentlicht. Kurz vor und während Weihnachten entdeckte das FBI nach Aussage des Justizministeriums etwa eine Million neuer Akten. Es ist ein ständiges Hin und Her.
Zu Beginn der Woche hatte das US-Justizministerium schon einmal weitere Tausende Dokumente online gestellt: E-Mails, Chatverläufe, Fotos, Videos, Gerichtspapiere. Das Ministerium kommentierte wie üblich abwiegelnd: „Einige dieser Dokumente enthalten unwahre und sensationshungrige Behauptungen gegen Präsident Trump, die kurz vor der Wahl 2020 beim FBI eingereicht wurden“, schrieb das Haus auf X.
So fadenscheinig diese Argumentation ist, so ungelenk war Trumps Umgang mit der Epstein-Causa von Beginn an: Im Wahlkampf sagte er zu, Aufklärung in die Sache zu bringen – und gewann damit sicher nicht wenige Stimmen. Im Umgang mit Sexualität und diesbezüglicher Moral, vor allem wenn es um Töchter geht, kennt das puritanische, stark religiös geprägte Amerika keinen Spaß. Doch je näher die Veröffentlichung der Akten rückte, desto verschwiemelter drückte sich Trump aus.
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Die Strategie seiner Kommunikation wurde überdeutlich, als er sich vor den früheren demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton stellte, der in den Akten vielfach vorkommt. „Ich mag die Bilder von Bill Clinton nicht, die gezeigt werden. Ich mag die Bilder von anderen Leuten nicht, die gezeigt werden. Ich finde das eine schreckliche Sache“, sagte Trump.
Trump forderte Ermittlungen gegen Clinton
Noch vor wenigen Wochen hatte Trump Ermittlungen gegen Clinton in der Causa Epstein gefordert. Warum also sollte Trump einen Gegner, der zwar im politischen Geschäft keine Rolle mehr spielt, schützen? Offensichtlich, um sich selbst zu schützen und die Aufmerksamkeit von sich abzulenken.
Das dürfte ihm in dieser Angelegenheit immer weniger gelingen – was auch immer er sagt. In unzähligen Akten taucht Trump auf. Diese sollen zwar nicht belegen, dass er in die Missbrauchsfälle direkt involviert ist, aber sie zeigen eindeutig, dass er enger mit dem Finanzier Epstein verbandelt war, als er bisher zugab – oder als der Öffentlichkeit bekannt war. Trump mag Gegner:innen noch so sehr als notorische Lügner und geisteskrank verunglimpfen, die Akten der Lügen bezichtigen kann Trump indes nicht.
So durchsichtig Trumps Aussagen zu Clinton sind, so dünn ist auch die Kommunikation in Bezug auf die Schwärzungen. Die sollen laut Justizministerium zum Schutz der Opfer vorgenommen worden sein. Aber warum sollen Mädchen und junge Frauen, viele von ihnen zur Tatzeit minderjährig, plötzlich in eine behördliche Obhut genommen werden, die bis dato gänzlich fehlte?
Diese Frage stellt sich auch John Scarola, Opferanwalt in Florida. In einem Spiegel-Interview sagt er, dass das Justizministerium den Anwälten der Opfer kurz vor der Veröffentlichung des Materials lediglich vier Stunden Zeit gegeben habe, um all jene Opfer zu identifizieren, deren Namen nicht öffentlich werden sollen. Das ist in dieser kurzen Zeit natürlich nicht zu schaffen, und die Behörden wussten seit Wochen von den Veröffentlichungsplänen.
Das Gegenteil von Opferschutz
Das ist kein Opferschutz, das ist das Gegenteil davon, es ist Verhinderung des Opferschutzes. Und so wird weiterhin der Verdacht des Vertuschens genährt. Wer es ernst meint mit dem Opferschutz, muss für alle Betroffenen nicht nur die gleichen Regeln gelten lassen, sondern vor allem von Anfang an Namen und andere Hinweise zu den Opfern schwärzen.
Es steht zu befürchten, dass nun Daten mancher Betroffener an die Öffentlichkeit gelangen und diese in eine schwere traumatische Krise geraten, nachdem sie die damalige sexuelle und psychische Gewalt hinter sich gelassen haben und im besten Falle in eigenen glücklichen Familien leben. Für sie dürfte das Auftauchen ihrer Namen in der Öffentlichkeit zur Katastrophe werden.
Viele Opfer, das ist hinlänglich bekannt, können sehr lange nicht über den erlebten Missbrauch reden. Wenn sie es doch tun, dann mit ausgewählten Personen, in einer Atmosphäre des Vertrauens und des Schutzes ihrer Privatsphäre. Genau das wird den Epstein-Opfern verweigert, wenn ihre Namen gegen ihren Willen auf der ganzen Welt bekannt werden. Mit ihrer Kommunikationsstrategie verhöhnen Trump und das Justizministerium nicht nur die Opfer, sie schützen eine ganze Missbrauchsindustrie.
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