Nach landesweiten Massenprotesten: Bulgariens Regierung tritt zurück
Kurz vor Einführung des Euro erklärt Bulgariens Ministerpräsident seinen Rücktritt. Zehntausende hatten zuvor gegen Korruption demonstriert.
dpa | Drei Wochen vor Einführung des Euro in Bulgarien tritt die bulgarische Regierung zurück. Nach mehrwöchigen Massenprotesten gegen Korruption verkündete Ministerpräsident Rossen Jeljaskow den Rücktritt am Donnerstag nach einer Sitzung der Koalitionsspitzen in Sofia.
Seit Anfang des Monats hatten in Bulgarien zehntausende Menschen im ganzen Land gegen Korruption demonstriert und den Rücktritt der prowestlichen Regierung gefordert. In der Hauptstadt Sofia sowie in Plowdiw, den Schwarzmeerstädten Warna und Burgas sowie zahlreichen anderen Orten gingen vor allem junge Menschen auf die Straßen. An diesem Donnerstag musste sich die Regierung deshalb bereits zum sechsten Mal in diesem Jahr einem Misstrauensvotum im Parlament stellen.
Die Regierung ist erst seit Mitte Januar 2025 im Amt. Der Euro soll am 1. Januar eingeführt werden. Die Protestwelle in Bulgarien hatte vor zwei Wochen begonnen. Die Demonstrationen richteten sich ursprünglich gegen den Etatentwurf für 2026. Nach Krawallen an Parteizentralen des Regierungslagers nahm das Kabinett den umstrittenen Haushaltsplan zurück.
Zu den Protesten hatte das mit der Regierung verfeindete, aber ebenfalls prowestliche Oppositionsbündnis PP-DB aufgerufen. „Der Wandel wird erst mit dem Rücktritt dieser Regierung kommen“, sagte PP-Chef Assen Wassilew.
Das Minderheitskabinett ist zerbrochen
Zuvor hatte Ministerpräsident Rossen Scheljaskow noch verkündet: „Es ist nicht die Zeit, das Schiff zu verlassen.“ Der einstige Regierungschef und Vorsitzende der stärksten Partei in der Koalitionsregierung, Boiko Borissow (Gerb), hatte aber bereits einen möglichen Rücktritt der Regierung nach Einführung des Euro im kommenden Jahr angedeutet. „Nach dem 1. Januar werde ich über Rücktritte, über Proteste reden“, hatte er gesagt.
Das Minderheitskabinett aus Konservativen, Sozialisten und Populisten ist im Parlament auf die Unterstützung einer vierten Partei, der DPS, angewiesen. Der bei der Opposition umstrittene DPS-Parteichef, Deljan Peewski, ist von den USA und Großbritannien wegen Korruption sanktioniert worden.
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