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Beschlagnahmter Öl-Tanker vor VenezuelaWarum Trump jetzt auf Pirat macht

Die Spekulationen sind wild und die Hintergründe unklar. Doch die Beschlagnahmung des unbekannten Schiffs erfüllt gleich mehrere Interessen der USA.

Überbordend: US-Einsatzkräfte seilen sich auf einen Öltanker vor der Küste von Venezuela ab Foto: U.S. Attorney General/reuters

Erst Drogenboote, jetzt ein Öltanker: „Wir haben gerade einen Tanker vor der Küste Venezuelas beschlagnahmt, (…) den größten, der jemals beschlagnahmt wurde“, sagte US-Präsident Trump am Mittwochnachmittag im Weißen Haus. Er fügte hinzu, dass „noch andere Dinge geschehen“.

Die Informationen über den Vorfall sind dünn und teils widersprüchlich, die genaue Strategie Trumps nicht bekannt – und doch ist klar: Die Aktion dient gleich mehreren Interessen der USA.

Ein Video, das US-Justizministerin Pam Bondi und FBI-Chef Kash Patel teilten, zeigt einen Tanker, dem sich ein Hubschrauber nähert. Soldaten seilen sich auf das Deck ab und sichern das Schiff mit gezückten Waffen. Von der Mannschaft ist nichts zu sehen. Bondi sprach von einer gemeinsamen Operation der US-Küstenwache, des FBI, des Heimatschutzministeriums und des Pentagon.

Der Tanker sei für den Transport von sanktioniertem Öl aus Venezuela und dem Iran genutzt worden, um ausländische Terrororganisationen zu unterstützen, schrieb die US-Justizministerin auf der Plattform X. Der FBI-Chef behauptete, es habe sich um eine Öllieferung von Venezuela an den Iran gehandelt. Dass der Tanker für internationale Ölgeschäfte unter Umgehung US-Sanktionen genutzt wurde, legen auch Recherchen von Medien wie der Washington Post oder New York Times nahe.

War die „Skipper“ ein Schmuggelboot?

Der Tanker namens „Skipper“ hieß früher „Adisa“. Unter dem Namen hatte die US-Regierung ihn mit Sanktionen belegt. Als Teil eines Netzwerks habe es im Auftrag der iranischen Revolutionsgarde und der libanesischen Miliz Hisbollah Rohöl geschmuggelt. Das Netzwerk soll von einem in der Schweiz ansässigen ukrainischen Ölhändler betrieben worden sein, teilte das US-Finanzministerium damals mit.

Laut der Schifffahrts-Datenbank Equasis hatte die „Skipper“ im Juli mindestens zweimal in Iran angedockt. Sie verkehrte unter einer falschen Fahne von Venezuelas Nachbarland Guayana. Guayanas Seebehörde sprach in einer Erklärung von einem inakzeptablen Trend der unerlaubten Nutzung der Flagge Guyanas.

Laut einer von der Washington Post zitierten unbestätigten Quelle soll das Schiff auf dem Weg nach Kuba gewesen sein. Er soll zwei Millionen Barrel Schweröl geladen haben. Laut der Nachrichtenagentur AP, der Dokumente des venezolanischen Öl-Staatskonzerns PDVSA vorliegen, sollen etwa die Hälfte des Öls einem staatlichen kubanischen Ölimporteur gehören.

Kuba, das ebenfalls mit US-Sanktionen belegt ist, ist ein enger Verbündeter: Venezuela liefert billiges Öl, um das marode Energiesystem halbwegs am Leben zu halten, Kuba zuletzt verstärkt Spionage und Sicherheitsleute für Maduro. Aber Venezuelas wichtigster Öl-Abnehmer ist China – gefolgt von den USA.

Aus dem venezolanischen Außenministerium hieß es zu der Aktion der USA: „Jetzt zeigen sich die wahren Gründe für die andauernde Aggression gegen Venezuela. Es geht nicht um Migration. Es geht nicht um Drogenhandel. Es geht nicht um Demokratie. Es geht nicht um Menschenrechte“, hieß es in der Mitteilung. „Es geht immer um unsere Bodenschätze, unser Öl, unsere Energie, um die Ressourcen, die ausschließlichen dem Volk Venezuelas gehören.“

Neue Art der Kriegsführung?

Der Angriff ist eine neue Stufe der Eskalation der US-Attacken in der Karibik. Die Trump-Regierung hat ihren außenpolitischen Schwerpunkt auf die westliche Hemisphäre gesetzt – und sich dort auf Venezuela eingeschossen. Das Ziel: Präsident Maduro unter Druck zu setzen.

Zur Rechtfertigung wird Trump nicht müde zu behaupten, er wolle den „Narkoterrorismus“ bekämpfen, der angeblich die USA mit Drogen flutet. Laut Ex­per­t:in­nen ist das falsch, Venezuela ist kein wesentliches Produktionsland von Kokain. Das Kokain aus der Karibik, das durch das Transitland Venezuela fließt, landet nicht in den USA, sondern größtenteils in Europa. Und Fentanyl kommt aus Mexiko in die USA. Dennoch hat die US-Regierung in der Karibik und vereinzelt im östlichen Pazifik in den letzten Monaten mindestens 20 angebliche „Drogenboote“ aus der Luft abgeschossen und rund 87 Menschen, die darauf waren, getötet.

Zur Frage, ob er eine US-Bodeninvasion in Venezuela plant, bleibt Trump bislang vage: Er schließt die weder aus noch wolle er etwas bestätigen, wiederholte er zuletzt gegenüber dem Nachrichtenportal Politico. Maduros Tage nannte er „gezählt“.

Nach Angaben der New York Times und anderer Medien diskutierte Trump mit hochrangigen Militärvertretern mehrfach über verschiedene Szenarien. Ein sehr riskantes sehe demnach vor, einige von Venezuelas Ölfeldern unter US-Kontrolle zu bringen. Wenn die USA wollen, dass Venezuelas Regierung das Geld ausgeht, ist Öl der wichtigste Faktor.

Größte Ölreserven der Welt

Venezuela verfügt über die weltweit größten nachgewiesenen Ölreserven und verschifft nach Schätzungen täglich rund 750.000 Barrel. Die Fördermenge ist nur noch ein Bruchteil deren in der Blütezeit. Die venezolanische Ölwirtschaft ist wegen Brain-Drain und Korruption komplett heruntergewirtschaftet.

Öl ist die wichtigste Einnahme der autoritären Regierung von Präsident Nicolás Maduro. Venezuela ist Teil der Opec, wegen der US-Sanktionen aber vom globalen Ölmarkt weitgehend ausgeschlossen. Den Großteil der Produktion verkauft PDVSA per Schattenflotte an China. Allerdings stark rabattiert – auch wegen der zunehmenden Konkurrenz vom ebenfalls sanktionsbelegten Öl aus Russland und Iran. Venezuelas zweitwichtigster Abnehmer sind die USA. Chevron ist in Venezuela tätig und hat eine Ausnahmegenehmigung der US-Regierung, die zuletzt im Juli verlängert wurde.

Da China vom Öl profitiert, könnte Washington mit einem neuen Fokus auf Öltanker womöglich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den eigenen Ölbedarf sichern und die Macht von China eindämmen. Mit Russlands Präsident Wladimir Putin, einem weiteren Verbündeten von Maduro, ist sich Trump in Sachen Ukraine allerdings einig. Ob und welche Strategie genau hinter dem Tanker-Angriff steckt, ist bisher jedoch nicht endgültig geklärt. Die Coronapandemie hat Maduro überstanden – als der Ölpreis deutlich niedriger war und Venezuela nur halb so viel wie heute produzierte. Nach der Nachricht stiegen die Ölpreise an.

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