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Krieg in der UkraineFeilschen um den Friedensplan – und eingefrorenes Vermögen

Donald Trump will nach Europa reisen, um seinen Ukraine-Plan zu diskutieren. Die USA werfen ein Auge auf die russischen Milliarden. Nur Belgien bleibt stur.

Blockierer: Belgiens Premierminister Bart De Wever Foto: Philip Reynaers/imago

Der Streit um einen Friedensplan für die Ukraine und die Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögen eskaliert – innerhalb der EU-Staaten, aber auch zwischen den USA und Europa. US-Präsident Donald Trump kündigte gegenüber Reportern in Washington am Mittwochabend an, er überlege am Wochenende nach Europa zu reisen. Er wolle an einem Treffen in Europa teilnehmen, um „Meinungsverschiedenheiten“ auszuräumen, sagte Trump und ergänzte: „Wir wollen keine Zeit verschwenden.“

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellte ein Gespräch mit Trump über eine Lösung des Ukrainekrieges und dessen Friedensplan am Wochenende in Aussicht. Je nach Verlauf könne dann ein Treffen mit US- und europäischen Vertretern in Berlin stattfinden.

Nur Kyjiw kann entscheiden, welche Territorialregelung es akzeptieren kann

Bundeskanzler Friedrich Merz

„Eine Verhandlungslösung muss europäische Sicherheitsinteressen wahren“, unterstrich Merz bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Donnerstag in Berlin. Sie dürfe „nicht zulasten der Einheit von Europäischer Union und Nato gehen“, deshalb müssten „wir Europäer auch Teil dieses Prozesses“ sein. Es dürfe „keinen Frieden über unsere Köpfe hinweg“ geben, so Merz, der auch betonte: „Nur Kyjiw kann entscheiden, welche Territorialregelung es akzeptieren kann.“

Die Ukraine hat unterdessen ihre Antwort auf den 28 Punkte umfassenden Friedensplan Trumps nach Washington übermittelt. Trump hat in einem Plan für die Ukraine dargelegt, wie er sich einen Frieden dort vorstellt. In dem von der Ukraine und EU-Staaten als zu einseitig prorussisch kritisierten Papier wird von der Übergabe der noch von der ukrainischen Armee gehaltenen Gebiete im Donbass an Russland ebenso gesprochen wie von einer Wiederaufnahme von Wirtschaftsbeziehungen mit Russland.

Streit um russische Vermögen

„Es ist wie in Jalta“, sagte ein namentlich nicht genannter europäischer Vertreter dem Wall Street Journal. Das US-Blatt hatte bisher geheime Zusatzpapiere zum Friedensplan eingesehen, über geplante Geschäfte zwischen Russland und den USA. Auf der Konferenz in Jalta 1945 teilten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs – die Sowjetunion, die USA und Großbritannien – ihre Einflussbereiche in Europa auf.

Der Trump-Plan sieht vor, dass amerikanische Unternehmen massiv in Energieprojekte in Russland investieren – etwa die Öl- und Gasförderung im hohen Norden Russlands. Diese Energieträger sollen dann an Europa verkauft werden.

Derweil streitet die EU über die nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 eingefrorenen russischen Auslandsvermögen: Beim Gipfel ihrer Staats- und Regierungschefs am 18. Dezember soll eine Lösung dafür gefunden werden. Dabei geht es um einen „Reparationskredit“ an die Ukraine in den nächsten beiden Jahren im Umfang von 140 Milliarden Euro.

Die Summe soll aus in Europa eingefrorenen russischen Geldern, vor allem von Moskaus Zentralbank, kommen. Dabei handelt es sich nach Berechnungen des wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments um insgesamt 209,2 Milliarden Euro, die allein in EU-Staaten eingefroren sind. Darüber hinaus haben demnach Japan, Großbritannien, Kanada, die Schweiz und die USA weitere 80,3 Milliarden Euro russischer Vermögenswerte eingefroren.

Am Donnerstag verständigten sich Deutschland und andere EU-Staaten darauf, per Mehrheitsentscheidung eine rechtliche Grundlage zu schaffen. In einem ersten Schritt soll beschlossen werden, eine Rückübertragung von in der EU festgesetzten Mitteln nach Russland unbefristet zu verbieten, wie die dänische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.

Belgien stellt sich quer

Im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen jetzt die etwa 180 Milliarden Euro russischer Notenbankgelder, die beim Brüsseler Finanzdienstleister Euroclear blockiert sind. Bisher werden die darauf auflaufenden Zinsen für die Ukraine eingesetzt. Jetzt will die Mehrheit der EU-Staaten 140 Milliarden Euro davon für den „Reparationskredit“ nutzen. Doch die belgische Regierung stellt sich nach massiven Moskauer Drohungen mit Gegenmaßnahmen bisher quer. Merz und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatten am vorigen Freitagabend versucht, die Blockade des belgischen Premiers Bart De Wever zu brechen – bisher erfolglos.

De Wever fürchtet Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe, sollte der Kreml nach einem Friedensschluss durch ein internationales Gericht feststellen lassen, dass die Beschlagnahmung des russischen Vermögens illegal gewesen sei. Belgien hat auch Angst vor Angriffen auf die belgische Wirtschaft und vor russischen Drohnen, die bereits mehrfach Brüssels Flughafen lahmgelegt haben.

Aber nach dem Ausstieg der USA aus den geplanten Finanzhilfen für die kriegsgebeutelte Ukraine sehen sich viele EU-Staaten angesichts ohnehin schon hoher Schuldenstände nicht mehr in der Lage, die Hilfen für Kyjiw aus eigenen Kräften zu stemmen. Sie wollen also die Alternative: das bei Euroclear in Brüssel liegende russische Geld.

Die USA indes fordern diese Milliarden zur Unterstützung von US-Unternehmen bei Investitionen in der Ukraine. An den Verhandlungen beteiligte US-Beamte sagten, dass Europas Euroclear-Idee die dort eingefrorenen Gelder schnell aufbrauchen würde. Washington hingegen wolle mit dem Geld Investitionen von US-Firmen auf 800 Milliarden Euro „hebeln“. Derweil berichtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von „produktiven Gesprächen“ mit Larry Fink, dem Boss der Investmentfirma BlackRock. Sie soll nach dem Willen der USA den Ukraine-Wiederaufbau koordinieren.

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