+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Nato-Chef warnt vor Krieg „wie zu Zeiten der Großeltern“
Viele Staaten haben nach Meinung von Nato-Generalsekretär Mark Rutte noch nicht begriffen, wie groß die Gefahr durch Russland ist. Jetzt wird er deutlich.
Nato-Generalsekretär: „Wir sind Russlands nächstes Ziel“
Nato-Generalsekretär Mark Rutte erwartet, dass es der russische Präsident Wladimir Putin nicht bei dem Krieg gegen die Ukraine belassen will. „Wir sind Russlands nächstes Ziel“, sagte der Niederländer bei einer Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Berlin. Für die Nato gehe es nun darum, einen Krieg zu stoppen, bevor dieser beginne. „Dafür müssen wir uns über die Bedrohung völlig im Klaren sein“, sagte er. Man sei bereits in Gefahr.
Rutte hat die Mitgliedstaaten der transatlantischen Allianz eindringlich zu verstärkten Verteidigungsanstrengungen aufgerufen, um einen von Russland geführten Krieg zu verhindern. Dieser könne „von einem Ausmaß sein, wie es unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben“, sagte Rutte am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Berlin.
„Unsere Streitkräfte müssen bekommen, was sie brauchen, um uns zu schützen. Und die Ukraine muss bekommen, was sie braucht, um sich zu verteidigen – jetzt“, sagte er. Zu viele Alliierte spürten nicht die Dringlichkeit und glaubten, die Zeit arbeite für einen. Das tue sie aber nicht, sagte er.
Bundesaußenminister Johann Wadephul forderte auf derselben Veranstaltung von den europäischen Partnern dringend mehr Unterstützung für die Ukraine. Deutschland sei in diesem Jahr zum größten Unterstützer des Landes bei der Militär- und sonstiger Hilfe geworden, sagte der CDU-Politiker. Mehr Verbündete in Europa müssten dringend nachlegen. (dpa, rtr)
Ukraine legt neuen Plan vor
Die Ukraine hat der US-Regierung eine überarbeitete Fassung des Plans für ein Ende des russischen Angriffskrieges übermittelt, die nach Angaben aus Kyjiw „die Sichtweise der Ukraine“ berücksichtigt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte am Donnerstag in Berlin, es gehe darin auch um Vorschläge zu „territorialen Zugeständnissen“ der Ukraine. US-Präsident Donald Trump sprach unterdessen von „Meinungsverschiedenheiten“ mit den wichtigsten europäischen Verbündeten des von Russland angegriffenen Landes.
Die USA hatten vor gut drei Wochen einen Plan zur Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vorgelegt. Dem ursprünglichen Entwurf zufolge, der als sehr Moskau-freundlich galt, sollte die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichten, ihre Streitkräfte verkleinern und den gesamten Donbass im Osten der Ukraine an Russland abgeben – auch Gebiete, die nicht von Russland besetzt sind.
Auf Drängen Kyjiws und seiner europäischen Verbündeten wurde der Plan in zentralen Punkten überarbeitet. Am Mittwochabend schickte die Ukraine eine neue Fassung nach Washington. Nach Angaben aus Regierungskreisen schlägt Kyjiw darin „angemessene Lösungen“ für „problematische Fragen“ vor. Details sollten erst nach einer Reaktion aus Washington bekannt gegeben werden.
„Es geht hier vor allem um die Frage, welche territorialen Zugeständnisse die Ukraine bereit ist zu machen“, sagte Merz am Donnerstag in Berlin mit Blick auf den Entwurf. Dabei handele es sich aber um eine Frage, „die vor allem der ukrainische Präsident und das ukrainische Volk beantworten müssen“.
„Nur Kyjiw kann entscheiden, welche territoriale Regelung es akzeptieren kann“, bekräftigte Merz bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. „Es wäre ein Fehler, den ukrainischen Präsidenten in einen Frieden zu drängen, den sein Volk nach vier Jahren des Leidens und Sterbens nicht mittragen kann.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Montag nach einem Treffen mit Merz, dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in London Gebietsabtretungen an Russland erneut ausgeschlossen.
Noch vor der Übermittlung der neuen Vorschläge führten Merz, Starmer und Macron am Mittwoch ein Telefongespräch mit Trump, das Merz als „sehr ausführlich“ und „sehr konstruktiv“ bezeichnete. Trump sagte dagegen, in dem Telefonat sei „in ziemlich deutlichen Worten über die Ukraine“ gesprochen worden. Es habe zudem „einige kleine Meinungsverschiedenheiten über Personen“ gegeben.
Trump hatte Selenskyj zuvor scharf kritisiert und ihn zu Neuwahlen aufgefordert, die unter dem in der Ukraine geltenden Kriegsrecht derzeit nicht möglich sind. Zudem drängte er Selenskyj dazu, Gebietsverluste in Kauf zu nehmen, um den Krieg mit Russland zu beenden.
Merz sagt am Donnerstag, Starmer, Macron und er hätten Trump vorgeschlagen, die Vorschläge für ein Ende des Ukraine-Kriegs am Wochenende „abschließend“ zu besprechen. Zu Beginn der kommenden Woche werde es dann möglicherweise ein Treffen in Berlin geben. Ob die US-Regierung daran teilnehme, hänge „sehr stark von der gemeinsamen Abfassung der Papiere ab“, sagte der Kanzler. Er sei aber „einigermaßen zuversichtlich, dass uns das gelingt“.
Am Donnerstag wollte die sogenannte Koalition der Willigen zur Unterstützung der Ukraine, der vor allem europäische Länder angehören, in einer Videokonferenz über Sicherheitsgarantien für das von Russland angegriffene Land beraten. Dabei sollte es auch um den Beitrag der USA gehen. (afp)
Zwei Tote nach russischem Beschuss in Ukraine
Immer wieder hat Russlands Angriffskrieg in der Ukraine schwere Folgen. Einmal mehr beklagen Behörden zivile Opfer. In der nordukrainischen Region Sumy sind bei einem russischen Angriff mit Gleitbomben zwei Menschen getötet worden. Die Attacke traf nach Angaben des Militärgouverneurs Oleh Hryhorow ein Geschäft in der Ortschaft Welyka Pyssariwka. Eine Verkäuferin und eine Anwohnerin seien dabei ums Leben gekommen, zwei weitere Personen seien verletzt worden. Die Ukraine verteidigt sich seit fast vier Jahren gegen die russische Invasion. (dpa)
Großer Drohnenangriff Kyjiws legt Moskaus Flughäfen lahm
Zahlreiche russische Flughäfen, darunter auch die vier Moskauer Airports, mussten offiziellen Angaben zufolge in der Nacht den Betrieb wegen eines großen ukrainischen Drohnenangriffs schließen. Nach Angaben der Luftfahrtbehörde Rosawijazija mussten allein in Moskau mehr als 130 Flüge umgeleitet, verzögert oder gestrichen werden. Insgesamt seien die Hauptstadtflughäfen Scheremetjewo, Domodedowo, Wnukowo und Schukowski mehr als sieben Stunden außer Betrieb gesetzt worden.
Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete den Abschuss von fast 300 ukrainischen Drohnen in der Nacht. Mehr als ein Drittel davon wurden demnach in der westrussischen Region Brjansk an der Grenze zur Ukraine vom Himmel geholt. Jeweils 40 Drohnen seien aber auch in den Regionen Kaluga und dem Moskauer Umland abgewehrt worden, teilte das Militär mit. Angaben zu Schäden machte das Verteidigungsministerium traditionell nicht.
Im nordrussischen Gebiet Nowgorod ist nach Medieninformationen ein Brand ausgebrochen. Unbestätigten Meldungen zufolge soll der Angriff einer Düngemittelfabrik gegolten haben, in der auch Ammoniaksalpeter produziert wird. Dieser wiederum wird bei der Herstellung von Sprengstoff genutzt.
Derweil erklärte der Chef des russischen Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin, dass ukrainische Drohnenangriffe bisher in knapp der Hälfte (41) der Regionen des Landes ernsthafte Schäden verursacht hätten. Seit Kriegsbeginn belaufe sich der Schaden auf rund 600 Milliarden Rubel (6,7 Milliarden Euro), sagte er. Moskau werde Schadenersatz dafür von Kyjiw verlangen, kündigte er an.
Russland seinerseits beschießt die Ukraine systematisch mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern. Die insgesamt in der Ukraine angerichteten Schäden durch die russische Invasion liegen nach Einschätzung Kyjiws im dreistelligen Milliardenbereich in Euro. (dpa)
Schwere Kämpfe um Pokrowsk
Die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine ist ungeachtet russischer Siegesmeldungen nach Angaben aus Kyjiw weiterhin heftig umkämpft. Die russische Armee greife mit starken mechanisierten Einheiten an, meldete die ukrainische Armee am Mittwoch. „Die Russen setzten gepanzerte Fahrzeuge, Autos und Motorräder ein. Die Konvois versuchten, von Süden her in den nördlichen Teil der Stadt durchzubrechen.“ In Armeekreisen erfuhr Reuters, Russland habe rund 30 Fahrzeuge eingesetzt. Dies sei der bisher größte Angriff dieser Art innerhalb der Stadt.
Anfang Dezember hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Einnahme von Pokrowsk persönlich bekannt gegeben. Russland will die gesamte Donbas-Region einnehmen, die aus den Gebieten Luhansk und Donezk besteht. Die Eroberung von Pokrowsk wäre ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Die Stadt ist ein Straßen- und Eisenbahnknotenpunkt und von großer Bedeutung für die Logistik der ukrainischen Armee. (rtr)
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