Politische Gefangene in Belarus: Endlich frei
Nach Gesprächen in Minsk lässt Belarus 123 politische Gefangene frei, darunter Bürgerrechtlerin Kolesnikowa. Die USA hoben Sanktionen gegen Belarus auf.
Endlich: Sie ist frei, die belarussische Bürgerrechtlerin Maria Kolesnikowa und mit ihr 122 weitere politische Gefangene. Das berichten die belarussischen Medien Nascha Niwa und Zerkalo sowie die belarussische Menschenrechtsorganisation Vjasna. In einem am Samstag geteilten Video ist zu sehen, wie Kolesnikowa einen Freudenschrei ausstößt und dann Viktor Babariko, der gerade aus einem Bus steigt, um den Hals fällt.
Kolesnikowa hatte 2020 die Wahlkampagne von Babariko geleitet, seine Kandidatur wurde jedoch nicht registriert. Nach Babarikos Festnahme im Juni 2020 – er wurde 2021 wegen Bestechung und Steuerhinterziehung zu 14 Jahren Haft verurteilt – hatte sie mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Tsepkalo die Oppsitionsbewegung in Belarus angeführt.
Am 7. September 2020 war Kolesnikowa vom belarussischen Geheimdienst festgenommen worden. Dem Versuch, sie in die Ukraine zu bringen, widersetzte sich die heute 43-Jährige, indem sie ihren Pass zerriss. Am 6. September 2021 erging in Minsk das Urteil: elf Jahre Haft wegen Extremismus und „Gefährdung der nationalen Sicherheit“.
Die ganze Zeit ihrer Haft über war Kolesnikowa komplett von der Außenwelt und ihrer Familie abgeschnitten. Informationen von Nascha Niwa zufolge war sie vor Kurzen aus einer Strafkolonie in eine Untersuchungshaftanstalt verlegt worden, um zuzunehmen und „vorzeigbarer“ auszusehen.
Auch Friedensnobelpreisträger unter den Freigelassenen
Unter den Freigelassenen, darunter Staatsbürger*innen Polens, Lettlands, Litauens, Großbritannines, der USA, Australiens, Japans und der Ukraine, ist auch Ales Beljatzki, Leiter der Menschenrechtsorganisation Vjasna. Er wurde 2022 mit zwei anderen Organisationen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Beljatzki und acht Ex-Gefangene wurden am Samstag nach Litauen, weitere 114 Personen, darunter Kolesnikowa, in die Ukraine gebracht. Diese Personen seien laut der Pressesprecherin des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko Natalia Esmont gegen verletzte russische Staatsbürger*innen und inhaftierte Belaruss*innen ausgetauscht worden.
Von offizieller Seite in Kyjiw hieß es, nach einer medizinischen Erstversorgung, bekämen sie Unterstützung bei einer Weiterreise nach Litauen oder Polen, wenn sie dies wünschten.
Den Begnadigungen waren zweitägige Gespräche zwischen Lukaschenko sowie John Coale, Sondergesandter von US-Präsident Donald Trump für Belarus, in Minsk vorausgegangen. Nach deren Abschluss kündigte Coale vor Journalist*innen die Aufhebung von US-Sanktionen gegen das belarussische Unternehmen Belaruskali an.
Normalisierung mit Belarus das Ziel
„Ich halte dies für einen sehr guten Schritt der USA für Belarus. Mit der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern werden nach und nach weitere Sanktionen aufgehoben“, sagte Coale. Eine Annäherung zwischen den USA und Belarus, um die beiderseitigen Beziehungen zu normalisieren, sei das Ziel, so Coale weiter.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sprach er von der Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten auch die über 1000 noch verbliebenen politischen Gefangenen in Belarus frei kommen könnten. „Wir sind auf dem richtigen Weg, die Dynamik ist da“, sagte er. Dann könnten auch die meisten Sanktionen aufgehoben werden. „Ich denke, das ist ein fairer Handel“, so Coale.
Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Massenproteste 2020 sowie dem Beginn von Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hatten sowohl die USA als auch die EU Sanktionen verhängt – auch gegen Belaruskali. Diese hatten den Export von Düngemitteln, deren Transport sowie die Möglichkeit von Transaktionen beschränkt.
Nach Coles letztem Besuch in Minsk im vergangenen September waren 52 politische Gefangene frei gekommen. Das US-Ministerium strich die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia sowie den Geschäftsjet Bombardier Challenger 850 von der Sanktionsliste. Diesen nutzen die Familie Lukaschenkos sowie hochrangige belarussische Beamte.
Franjak Wjatschorka, Berater der im litauischen Exil lebenden Politikerin Swetlana Tichanowskaja, nannte die jüngste Freilassung von politischen Gefangenen ein Zeichen der Hoffnung und gutes Fundament für das kommende Jahr. Gleichzeit appellierte er an die EU, ihre Strafmaßnahmen gegen Minsk nicht aufzuheben. Genau das sei aber Lukaschenkos Hoffnung. Die europäischen Sanktionen seien jedoch eine Art Sicherheitsnetz, das nicht verloren gehen dürfe. „Es ist wichtig“, so Wjatschorka, „dass keine weiteren Menschen ins Gefängnis kommen.“
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