Chanukka-Feiern: Ein Licht am Tag des Terrors
Ernste Gesichter und fröhliche Kinder: Ein Blick auf zwei Chanukka-Feiern in Berlin am Tag des Attentats auf jüdische Feiernde in Sydney.
Das achttägige jüdische Lichterfest Chanukka ist eigentlich eine fröhliche Angelegenheit, vor allem für Kinder. Aber nicht an diesem Sonntagabend am Brandenburger Tor, dem ersten Tag von Chanukka, an dem am Berliner Wahrzeichen traditionell die erste Kerze entzündet wird, als ein Zeichen der Zugehörigkeit des Judentums zu Berlin. Es ist aber nicht Berlin, das im Mittelpunkt der Reden der anwesenden Rabbiner steht, sondern Sydney am gegenüberliegenden Punkt des Globus. In der australischen Stadt wurde eine Chanukka-Feier am Strand von Judenhassern überfallen, mindestens 15 Menschen wurden getötet. Die Mienen am Brandenburger Tor sind ernst. Niemand lacht.
Kamil Majchrzak steht unter wenigen hundert Menschen neben einem großen Transparent. „Gegen jeden Antisemitismus“ steht darauf. Seit mehr als zwei Jahren trägt der aus Polen stammende Majchrzak dieses Banner in Berlin. „Ich sehe keine richtige Solidarität in dieser Stadt“, beklagt er die Übergriffe gegen Jüdinnen und Juden. „Menschen verharmlosen den Judenhass“, sagt er. Schon mehrfach seien seine Mahnwachen angegriffen worden.
Die breite Öffentlichkeit bleibt an diesem Abend in Berlin aus Sicherheitsgründen vom Tor ausgesperrt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist zusammen mit seiner Frau Elke Büdenbender gekommen, um seine Solidarität zu versichern. Rabbiner Yehuda Teichtal von der Chabad-Gemeinde dankt für seine Anwesenheit. Dann ruft er: „Wir werden uns nicht einschüchtern lassen!“ Zwischendurch erklingt fröhliche Musik, die nicht zum Ernst der Gesichter passt. Steinmeier spricht nicht.
Chanukka-Feier im Jüdischen Museum
Dies ist die eine Seite der jüdischen Reaktionen auf den mörderischen Anschlag. Die andere, nur wenige Kilometer entfernt, kommt ohne den Bundespräsidenten aus, hat aber dafür einen weiblichen Clown und in deren Hand ein schüchternes Museumsmonster zu bieten. Das Jüdische Museum hat schon vor Wochen zur Chanukka-Feier eingeladen und hunderte Eltern sind mit ihren Kindern gekommen. Die Feier findet statt, Sydney zum Trotz. Wäre ja noch schlimmer, wenn die Judenhasser den Kindern den Spaß verderben dürften. Museumsdirektorin Hetty Berg erwähnt das Attentat kurz. Gemeinsam sei man stärker als der Hass, sagt sie dann, und ruft dazu auf, bei den Liedern kräftig mitzusingen.
Der Clown fasst die Bedeutung von Chanukka für die Kinder zusammen. Böse Menschen hätten den Tempel in Jerusalem besetzt und dort – shocking! – Schweine kredenzt. Als die Juden die Bösen herausgeworfen hatten, fand sich nur noch ein Krug Öl, um die Lichter brennen zu lassen. Das hätte nur für einen Tag gelangt. Da geschah das Wunder. Statt für wenige Stunden reichte das Öl für volle acht Tage!
Und deshalb feiert man heute Chanukka mit dem achtarmigen Leuchter und einem neunten namens Schamasch (Diener), der zum Anzünden der Kerzen dient. Am Brandenburger Tor übernehmen das ein Rabbiner zusammen mit dem Bundespräsidenten. Im Jüdischen Museum waltet Hetty Berg ihres Amtes. Sie spricht dazu ein Gebet. Es gibt Latkes (Reibekuchen) zu essen und Sufganiot (Berliner) – kein Zufall, denn dieses Gebäck wird in Öl gebacken, das vor 2.189 Jahren ziemlich knapp gewesen ist. Die Band Shtetl Berlin spielt, es wird getanzt mit Ringelpiez mit Anfassen. Die Kinder können lachen und spielen, die Eltern sind entspannt. So soll es sein.
Kann es unterschiedlichere Chanukka-Feiern geben? Kaum. Doch am Brandenburger Tor wie im Jüdischen Museum ist eine Botschaft dieselbe. Hetty Berg erinnern an das „Wunder des Lichts“. Und Yehuda Teichtal sagt: „Das Licht wird über die Dunkelheit siegen.“
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