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Anhörung von Ex-Minister Jens SpahnÜber 3 Milliarden Masken für die Tonne

Unionsfraktionschef Spahn steht wegen der Maskendeals als Gesundheitsminister unter Druck. Er selbst sagt in der Corona-Enquetekommission: Habt euch nicht so.

Drei Milliarden verbrannt und scheinbar Spaß dabei, Jens Spahn (CDU) vor der Corona-Enquete-Kommission Foto: Soeren Stache/dpa

Unionsfraktionschef Jens Spahn bemühte sich am Montagnachmittag immer wieder, die Angelegenheit wegzulächeln. Dabei hatte der CDU-Politiker in der öffentlichen Anhörung der vom Bundestag eingesetzten Enquetekommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie eigentlich wenig zu lachen. Denn mehr als Stunden lang ging es hier nur um Spahn und die mit seinem Namen verbundene Maskenaffäre.

Dem früheren Gesundheitsminister Spahn wird vorgeworfen, federführend dafür verantwortlich zu sein, dass der Bund im Frühjahr 2020 kurz nach Beginn der Pandemie völlig planlos und in komplett aus dem Ruder gelaufenen Mengen Schutzmasken beschafft hat. Oder wie die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta es formulierte: Er habe „ohne Verstand Steuergelder durch den Schornstein gejagt“.

Die Geschichte klebt an Spahn, auch vier Jahre nach Ende seiner Ministerzeit. In der Bundestagskommission wiegelte er teils sichtlich genervt ab – nicht zum ersten Mal. „Haben ist besser als brauchen“, sagte der mächtige Mann der Unionsfraktion. Es sei bei der Maskenbeschaffung auch um eine Bevorratung für weitere Corona-Wellen gegangen – und letztlich eine Sache von Angebot und Nachfrage: „Alle auf der Welt wollten das Gleiche. Das führte zu Wildwest.“ Fazit: War halt so, habt euch nicht so.

Das Gesundheitsministerium hatte in jenem Frühjahr 5,8 Milliarden Masken für insgesamt 5,9 Milliarden Euro eingekauft. Davon wurden laut Bundesrechnungshof aber gerade mal 30 Prozent verteilt. Der überwiegende Rest wurde demnach nie gebraucht – und war irgendwann auch nicht mehr zu gebrauchen. Stichwort Verfallsdatum. „Zur Wahrheit gehört, dass 3,4 Milliarden Masken vernichtet werden mussten“, sagte Oliver Sievers, der für den Rechnungshof die Deals des Ex-Ministers untersucht hat.

Vorwurf der massiven Überbeschaffung

Sievers hielt dem direkt neben ihm sitzenden Spahn „eine massive Überbeschaffung“ vor. Aus Sicht seiner Behörde habe das Gesundheitsministerium unter Spahns Ägide „völlig unwirtschaftlich“ agiert. Der Angegriffene maulte zurück: „Es gab keine Überbeschaffung.“ Das habe die Bundesregierung längst festgestellt.

Auch die ebenfalls zur Anhörung geladene Margaretha Sudhof hob nicht gerade Spahns Laune. Die vom früheren Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Sonderermittlerin Sudhof hatte einen 170 Seiten starken, internen Bericht zu den Maskeneinkäufen vorgelegt, der im Mai dieses Jahres an die Öffentlichkeit gelangte.

Der Sudhof-Bericht ist vernichtend. In dem Dokument heißt es, dass Spahn nicht als „Team Staat“, sondern als „Team Ich“ aufgetreten sei. Ex­per­t:in­nen kamen zum Schluss, dass Spahn den Einkauf der damals dringend benötigten Masken aus reiner Profilierungssucht an sich gerissen habe. Tatsächlich zuständig hierfür waren die Beschaffungsämter von Bundeswehr und Innenministerium.

Als mehr als fragwürdig gilt auch die von Spahns Ministerium verantwortete Auswahl der beteiligten Firmen. Ins Zwielicht geraten ist in dem Zusammenhang vor allem die Vergabe an das vergleichsweise kleine Logistikunternehmen Fiege. Für die Abwicklung der Verteilung der Masken sollen 1,5 Milliarden Euro an die Firma geflossen sein, deren Chefetage eng mit der CDU Nordrhein-Westfalen verbandelt ist. Das Unternehmen aus dem Münsterland bestreitet, von dem Münsterländer Spahn bevorzugt worden zu sein. Aus der Enquetekommission hieß es, nicht zuletzt bei Fiege sei es drunter und drüber gegangen, niemand habe hier kontrolliert.

Spahn: „Bin nicht gucken gegangen“

Vor den Abgeordneten bemängelte Sudhof aus ihrer Sicht weiter bestehende Missstände wie die unzureichende Dokumentation der Deals aus der Corona-Zeit – hielt sich ansonsten aber mit Ansagen an Ex-Minister Spahn weitgehend zurück. Spahn wollte von miserabler Dokumentation ohnehin nichts wissen. Seine damaligen Kol­le­g:in­nen im Ministerium hätten „nach bestem Wissen und Gewissen tagelang gearbeitet“. Und er persönlich könne für etwaige Fehler auch gar nicht verantwortlich gemacht werden: „Ich bin doch nicht gucken gegangen, ob die Ordner alle da sind.“

Die Corona-Enquetekommission nahm Anfang September 2025 ihre Arbeit auf. Der Bundestag hatte zuvor deren Einsetzung auch mit Blick auf die Debatte um Spahns Maskendeals beschlossen. Bis zum Sommer 2027 soll die Kommission einen Abschlussbericht vorlegen, „der konkrete Empfehlungen zur besseren Prävention, Bekämpfung zukünftiger Gesundheitskrisen und gesellschaftlichen Resilienz enthalten soll“. Be­ob­ach­te­r:in­nen befürchten, dass es ein Bericht für die Vitrine werden dürfte.

Denn eine Enquetekommission ist im Grunde nur die nahezu zahnlose Schwester eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Anders als im U-Ausschuss mit seinen fast gerichtlichen Beweisbefugnissen, mit Zeu­g:in­nen­be­fra­gun­gen unter Eid und umfangreicher Akteneinsicht, werden in die Kommission nur Anzuhörende geladen. Selbst Falschaussagen bleiben hier ohne Konsequenzen.

Die Grünen- und die Linksfraktion drängen deshalb nach wie vor auf einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Maskengeschäfte. Grünen-Obfrau Paula Piechotta sagte: „Wenn Herr Spahn überzeugt ist, dass alles korrekt war, sollte er vollständige Transparenz unterstützen, statt auszuweichen.“

Sicher ist: Ein Untersuchungsausschuss ließe sich für Unionsfraktionschef Spahn nicht so einfach weglächeln. Für eine Einsetzung müsste allerdings mindestens ein Viertel der Abgeordneten stimmen, ein Quorum, auf das Grüne und Linke allein nicht kommen. Eine Unterstützung der anderen Fraktionen ist nicht in Sicht.

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