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Politische Repression in HongkongTschüss, Demokratie

Fabian Kretschmer

Kommentar von

Fabian Kretschmer

China zieht die Daumenschrauben in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong weiter an. Europa sollte genau hinsehen.

Das letzte was die Demokratie sieht bevor sie verhaftet wird Foto: Stringer/Nexpher/ZUMA Press Wire/dpa

A uch wenn Hongkongs pro-demokratisches Lager bereits am Boden liegt, muss es dieser Tage gleich zwei schmerzhafte Tritte hinnehmen: Die älteste Oppositionspartei stimmte für ihre Auflösung, diesen Montag folgte der Schuldspruch des Peking-kritischen Medienmoguls Jimmy Lai. Beide Fälle legten schonungslos die politischen Verhältnisse in der ehemals britischen Kronkolonie offen.

Dass die „Democratic Party“ so lange existiert hat – wenn auch zuletzt nur mehr auf dem Papier -, ist durchaus überraschend. Unzählige Zeitungen, Nichtregierungsorganisationen und Parteien mussten schließlich in der Vergangenheit ihre Pforten schließen.

Noch überraschender scheint, dass die Parteimitglieder für ihr eigenes Aus votiert haben. Als während der Pressekonferenz ein Journalist die Gründe dafür erfragen wollte, erntete er nur betretenes Schweigen. Denn schon das Benennen der Probleme würde die ehemals pro-demokratischen Politiker in Gefahr bringen.

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Man muss sich das einmal sinnbildlich vor Augen halten: Da wird eine politisch gemäßigte Partei, die mehr als drei Jahrzehnte für demokratische Rechte kämpft, dazu gezwungen, sich das eigene Grab zu schaufeln – und darf bei der Beerdigung nicht einmal den politischen Mörder klar benennen. Doch wie es Leuten ergeht, die ihre Meinung gegenüber der chinesischen Zentralregierung allzu selbstbewusst äußern, musste der 78-jährige Jimmy Lai am eigenen Leib erfahren. Wegen Peking-kritischer Artikel, die in seiner Zeitung „Apple Daily“ erschienen sind, wird Lai wohl Zeit seines Lebens nicht mehr seinen Sohn in Freiheit umarmen können.

Jimmy Lais Schicksal sollte Europa ganz genau verfolgen, denn der 78-Jährige besitzt auch die britische Staatsbürgerschaft. Und sein Fall wirft unangenehme Fragen auf: Wenn man die Standards des nationalen Sicherheitsgesetzes anwendet, wegen dem Jimmy Lai nun hinter Gittern sitzt, dann würde auch dieser Text hier mehrere Strafbestände erfüllen. Wer kann sich in einem solchen politischen Klima noch sicher fühlen?

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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6 Kommentare

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  • Decolonize taz!

    Der Autor beschreibt insgesamt innerstaatliche Angelegenheiten (ausgenommen allenfalls soweit es sich um ausländische Staatsangehörige handelt).

    Die Tatsache, dass der Autor eine Einmischung verlangt ("sollte genau hinsehen." bedeutet im Ergebnis ja nichts anderes), zeigt doch nur auf, wie tief der koloniale Gedanke noch verwurzelt ist. China ist ein unabhängige Land, Hongkong ein Teil davon.

    • @DiMa:

      Ich bewundere den Mut und die Standfestigkeit von Jimmy Lai sehr.

    • @DiMa:

      OMG, zahlt die Kommunistische Partei auch für Kommentare in der taz?



      Jimmy Lay ist ebenfalls ein Britischer Staatsbürger. Ist es Ihnen so egal, dass China sich an die Vereinbarung "zwei Systeme" wirklich Null hält? Was ist mit den Menschen in Hong Kong die sich gefälligst aus allem Politischen raushalten sollen? Entweder volle Zustimmung zu Chinas Knute oder Gefängnis. Dazu sollen wir schweigen?

      • @Hatespeech_is_not_an_opinion:

        Haben Sie den Klammersatz "(ausgenommen allenfalls soweit es sich um ausländische Staatsangehörige handelt)" gelesen? Insoweit kann sich England in diesem Fall gerne einmischen - nur weshalb dann die Unterüberschrift "Europa sollte genau hinsehen."?

        "Ist es Ihnen so egal, dass China sich an die Vereinbarung "zwei Systeme" wirklich Null hält?" Das ist ein Vertrag zwischen England und China, was interessiert mich (repektive Deutschland, repektive die EU) das? Zumal dieser Vertrag ja wohl einen höchst kolonialen Hintergrund hat.

        Die Fage ist doch dann eher, weshalb interessiert Sie das?

        Und btw. meine Kommentare sind allesamt unbezahlt und stellen lediglich meine Meinung dar.

      • @Hatespeech_is_not_an_opinion:

        Wir verbitten uns doch auch politische Einmischung von aussen, oder nicht?



        Meiner Ansicht nach hat DiMa treffsicher den Finger in die Wunde gelegt.



        Unabhaengig davon ist der Ansatz des moralischen Zeigefingers vom hohen Podest noch nie dazu geeignet gewesen, etwas zu verbessern. Schmidt und Merkel waren da viel intellegenter und erfolgreicher.

  • "Wenn man die Standards des nationalen Sicherheitsgesetzes anwendet, wegen dem Jimmy Lai nun hinter Gittern sitzt, dann würde auch dieser Text hier mehrere Strafbestände erfüllen. Wer kann sich in einem solchen politischen Klima noch sicher fühlen?"



    Na denn Herr Kretschmer, umarmen Sie nochmal schnell Ihre Lieben bevor der lange Arm Chinas vielleicht greift...



    Wir brauchen Batteriezellen aus China, seltene Erden - ja selbst Solarplatten, weil die Ampel ohne Not selbst das allerletzte Werk wo PV-Module auf deutschem Boden produziert wurden, vor die Hunde gehen ließ🤷



    Die Politik will das wir CO2 neutral werden - steuert aber so ungelenk den Wagen, dass wir nicht einmal die Basics im eigenen Land herstellen.



    Bravo.



    China und USA sind unsere Lebensadern. Ohne deren Rohstoffe als auch Zulieferungsteile ist ein Umbau auf CO2 Neutralität nicht möglich - schon gar nicht bis 2050.



    Unsere Politiker haben uns selbst diese Mördergrube gebaut. Und jetzt sitzt man da und jammert das Trump sich in Europa einmischt, etc...



    Wir Deppen haben ihm selbst die Druckmittel dafür gegeben.



    Warum sollt es China anders machen und was will die EU dagegen tun?



    Nichts, richtig.



    Wir sind abhängig.



    Selber Schuld