Trump versus BBC: Der „korrupteste Präsident“ verklagt britischen Sender
Donald Trump hat am Montag Klage eingereicht. Er verlangt nicht nur 10 Milliarden Dollar Schadensersatz, sondern verfolgt noch ein anderes Ziel.
Dass Donald Trump kein Freund unabhängiger, kritischer Medien ist, dürfte bekannt sein. Bislang waren von seiner oft mit juristischen Drohungen verbundenen Verachtung vor allem US-Medienunternehmen betroffen. Die Klage des US-Präsidenten gegen die britische BBC hat hingegen eine neue Dimension.
Dass der Staatschef einer Demokratie gegen den öffentlich-rechtlichen Sender einer anderen Demokratie vorgeht, noch dazu einer, zu dem die USA angeblich in einer „special relationship“, einer besonderen Beziehung stehen, das hat es so noch nicht gegeben.
Ob Trump mit der am Montag vor einem Gericht in Florida eingereichten Klage auf insgesamt zehn Milliarden US-Dollar Schadensersatz durchkommt, steht in den Sternen. Er klagt wegen angeblicher Verleumdung durch den nicht gekennzeichneten Zusammenschnitt einer Rede aus dem Jahr 2021, die unmittelbar vor dem Sturm aufs Kapitol gehalten wurde, und wegen eines Verstoßes gegen den Deceptive and Unfair Trade Practices Act, ein Verbraucherschutzgesetz des US-Bundesstaats Florida.
Richtig ist, dass die BBC die Trump-Rede vom 6. Januar 2021 im Beitrag „Trump: A Second Chance?“ so zusammengeschnitten hatte, dass der Eindruck entstand, Trump habe damals direkt und unmissverständlich zum Umsturz aufgerufen. Die aneinander montierten Passagen lagen in der stundenlangen Rede rund 60 Minuten auseinander; der redaktionelle Eingriff wurde in dem eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen im November 2024 ausgestrahlten Stück nicht gekennzeichnet oder thematisiert.
BBC hatte Fehler eingeräumt
Dafür hat sich die BBC entschuldigt, ihr oberster Chef Tim Davie und die Leiterin der Nachrichtensparte BBC News, Deborah Turness, traten zurück. Wie ein so brisanter Schnitzer, noch dazu in „Panorama“, einem journalistischen Aushängeschild des Senders, passieren konnte, wird wohl nie ganz geklärt werden.
Doch wo hier die Verleumdung liegt, dürfte für Trump schwer zu belegen sein. Zum einen hat er zumindest nachträglich den Sturm aufs Kapitol gutgeheißen. Das zeigt die Begnadigung der dafür Verurteilten genauso wie das aktuelle Vorgehen gegen die damaligen Ermittler*innen.
Zum anderen wurde der fragliche BBC-Beitrag nie in den USA, sondern nur in Großbritannien gezeigt. Die BBC schafft es, anders als etwa ARD und ZDF, den Empfang ihres Programms durch Geoblocking von Sendesignalen weitgehend auf das Territorium der britischen Inseln zu begrenzen. Hierauf dürfte sich auch die Gegenargumentation der BBC beziehen.
Selbst der ehemalige Berater und Kritiker der BBC, Michael Prescott, erklärte bereits Mitte November bei einer Anhörung im britischen Parlament, Trump sei durch die Berichterstattung nicht diffamiert worden.
Der britische Premier Keir Starmer und die meisten Minister*innen seiner Labour-Regierung halten sich bisher bedeckt. Den Rücken gestärkt hat der BBC bisher nur der im Kabinett nicht besonders mächtige Gesundheitsminister Stephen Kinnock. Er erklärte, „die Labour Party wird immer für die BBC einstehen“. Andere Spitzenpolitiker wie der Vorsitzende der Liberalen Partei, Ed Davey, forderten Starmer am Dienstag auf, persönlich einzugreifen und die BBC „gegen den empörenden Angriff“ Trumps zu unterstützen.
BBC reagiert mit Selbstzensur
Die BBC selbst lässt sich aktuell nicht in die Karten gucken – ein Sendersprecher sagte am Dienstag lediglich, die BBC werde sich „gegen diese Klage verteidigen“, aber wegen des jetzt laufenden Verfahrens „keinen weiteren Kommentar abgeben“. Doch es gilt als sicher, dass die Anwälte der BBC die Anwendbarkeit des Deceptive and Unfair Trade Practices Act anzweifeln werden. Dieses Gesetz bezieht sich auf den Handel mit Produkten und Dienstleistungen – nicht auf journalistische Inhalte.
Dass Trump in den USA klagt und nicht in Großbritannien, kommt nicht von ungefähr. Um einen Anspruch nach britischem Recht geltend zu machen, hätte die Klage innerhalb eines Jahres nach Ausstrahlung des Beitrags erfolgen müssen. Diesen Termin hat Trump verpasst. Die rechtlichen Aussichten für die BBC stehen nach landläufiger Meinung also gut.
Doch allein Trumps Klageandrohung hat in der BBC schon jetzt massive Folgen: Selbstzensur. Ausgerechnet in der diesjährigen Reith-Lecture, einer Vortragsreihe, mit der die BBC an ihren Gründer John Reith erinnert, wurde dem niederländischen Historiker und Aktivisten Rutger Bregman die Passage, Trump sei der „am öffentlichsten korrupte Präsident der amerikanischen Geschichte“, gestrichen.
Warum tut Trump das? Neben seinem Ego und eigenen Geldbeutel – er bewegte durch ähnliche Klagen bereits die US-Medienkonzerne ABC und Paramount zu Vergleichzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe – zielt der US-Präsident noch auf etwas anderes: den Umbau des britischen Mediensystems. Trump und seine MAGA-Bewegung unterstützen den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage, seine Reform-Party und deren mediale Sprachrohre wie den Kanal GB News, aus dem eine UK-Version von Fox News werden soll. Ein unabhängiger und kritischer Sender wie die BBC stört da nur.
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