Bundesregierung missachtet Experten: Ein Strompreis für alle
Sollte Deutschland mehrere Strompreiszonen bekommen? Nein, sagt das Wirtschaftsministerium und wischt die Empfehlungen Sachverständiger vom Tisch.
Die Bundesregierung will partout an einer einheitlichen Preiszone im deutschen Strommarkt festhalten. Das heißt: Im Großhandel soll es auch weiterhin keine Rolle spielen, wo Strom erzeugt und verbraucht wird. Damit soll in Regionen, in denen Strom knapp ist, auch weiterhin der gleiche Preis gelten wie in Regionen, in denen Überfluss herrscht.
In einem „Aktionsplan Gebotszone“ hat das Wirtschaftsministerium dieses wenig marktwirtschaftliche Konzept, das bereits im Koalitionsvertrag steht, nun gegenüber der EU-Kommission bekräftigt. Die dadurch entstehenden Schieflagen im Netz sollen künftig schlicht durch stärkere Leitungen bekämpft werden.
Ein Beispiel für die bisherige Fehlsteuerung: Heute können Speicherbetreiber in Süddeutschland billig Strom einkaufen, wenn im Norden viel Wind weht – selbst dann, wenn der Strom rein physikalisch gar nicht bis in den Süden fließen kann. Weil am Ende aber stets die Physik siegt, müssen die Netzbetreiber diese Fehlsteuerungen, die das Marktdesign provoziert, anschließend aufwendig und teuer korrigieren.
Die Bundesregierung war in der Pflicht, einen entsprechenden Aktionsplan vorzulegen. Das verlangte die EU-Elektrizitätsbinnenmarktverordnung, nachdem eine Analyse vom Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber im April zu dem Schluss gekommen war, dass Deutschlands Strommarkt idealerweise in bis zu fünf regionale Zonen aufgeteilt werden müsse.
Experten: „Kosten könnten signifikant gesenkt werden“
Doch nicht nur auf europäischer Ebene wird der Ruf nach einer Aufspaltung der deutschen Einheitszone lauter. Auch heimische Strommarktexperten halten einen solchen Schritt für geboten. Erst vergangene Woche legte die Expertenkommission zum Monitoring der Energiewende ihren Bericht vor, der das Thema umfassend beleuchtet. Darin heißt es: „Durch eine Gebotszonentrennung könnten Kosten für das Engpassmanagement und den notwendigen Netzausbau signifikant gesenkt werden.“ Zugleich ließen sich „Standortentscheidungen für neue Erzeuger, Flexibilitäten und zukünftige Stromverbraucher wie Giga-Factories verbessern“.
Gleichwohl verteidigt die Bundesregierung weiterhin das bestehende Marktmodell: „Aus übergeordneten Gründen“ lehne sie eine Neukonfiguration des Strommarkts ab, denn diese würde „die Investitionsunsicherheit in der Energiewirtschaft deutlich erhöhen“. Zudem würde ein solcher Schritt „zu regionalen Kostenunterschieden für Endverbraucher führen“. Die Expertenkommission hingegen betont, regionale Preise hätten in der Summe „ökonomische und systemische Vorteile“.
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