EU-Kommission beerdigt Verbrenner-Aus: Schwarzer Rauch in Brüssel
Fahrzeuge mit Verbrennermotor sollen auch nach 2035 noch neu zugelassen werden dürfen. Es ist eine Abkehr von der „Grünen Wende“ in Brüssel.
Nach massivem deutschen Druck legt die EU-Kommission den Rückwärtsgang beim Umwelt- und Klimaschutz im Straßenverkehr ein. Die deutsche Behördenchefin Ursula von der Leyen (CDU) verkündete am Dienstag im Europaparlament in Straßburg das Aus vom sogenannten „Verbrenner-Aus“.
Das bisher geplante – und von allen 27 EU-Staaten schon 2023 verabschiedete – Verbot der Neuzulassung von Pkw mit Verbrennermotor ab 2035 wird in einer Art Notbremsung gestoppt. Damit fällt auch das Kernstück des „Green Deal“, den von der Leyen 2019 ausgerufen hatte.
Das bisher verfolgte Ziel, den klimaschädlichen CO₂-Ausstoß der europäischen Autoflotten um 100 Prozent auf null zu drücken, wird wie erwartet auf 90 Prozent abgesenkt. Damit rückt die EU auch von dem Plan ab, den Autoverkehr komplett auf Elektromotoren umzustellen.
Die verbleibenden 10 Prozent – also ein erheblicher Teil der Treibhausgasemissionen – sollen durch Nutzung von „grünem“ Stahl aus der EU, E-Fuels und Biokraftstoffen „kompensiert“ werden, teilte die EU-Behörde mit. Wie dieser Ausgleich funktionieren soll, blieb unklar.
Klar ist hingegen, was mit dieser Kehrtwende bezweckt wird. Damit werde sichergestellt, dass sogenannte Plug-in-Hybride, Mild-Hybride, „Range Extender“ und andere angeblich klimafreundliche Technologien auch nach 2035 noch „eine Rolle spielen“ können, so die Kommission.
Umstritten war bis zuletzt, ob nach 2035 auch herkömmliche Verbrenner zugelassen werden dürfen. Über diese Frage gab es Streit in der EU-Kommission, weshalb sich die Bekanntgabe des Vorschlags am Dienstag zunächst verzögerte.
Die Abkehr vom „Verbrennerverbot“ und eine Ausnahme für „hocheffiziente Verbrenner“ hatten CSU-Chef Markus Söder und sein Parteifreund Manfred Weber, Chef der größten Fraktion im Europaparlament, gefordert. Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich für eine Revision ausgesprochen – und dafür bei von der Leyen gekämpft.
Konservative deutsche „Viererbande“
Nun hat sich diese konservative deutsche „Viererbande“ durchgesetzt – gegen den Widerstand aus Spanien, aber auch aus Frankreich und den nordischen Ländern. Unterstützt wurde sie von einem Teil der deutschen Autoindustrie, die bei der E-Mobilität ins Hintertreffen geraten ist.
Von der Leyen verteidigte ihre Kehrtwende mit schönen Worten aus der PR-Abteilung. „Innovation, saubere Mobilität, Wettbewerbsfähigkeit“ – das seien die „Top-Prioritäten“ in diesem Jahr. Europa bleibe trotz der Kehrtwende an „vorderster Front bei der globalen grünen Transition“.
Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Die EU ist im Wettbewerb mit China zurückgefallen, günstige E-Autos aus Fernost wurden mit Strafzöllen künstlich verteuert. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur hält nicht mit. Selbst bei Hybriden fährt Europa der Konkurrenz hinterher.
Michael Bloss, grüner EU-Abgeordneter
Ob sich dieser Trend durch eine Vollbremsung und das Einlegen des Rückwärtsgangs stoppen lässt, ist selbst in der Autoindustrie umstritten. Zunächst war es nur eine Minderheit der Hersteller, die für einen Kurswechsel plädierten. Zuletzt hat vor allem BMW Druck gemacht.
Nun kann der bayerische Konzern einen Sieg feiern. Dabei würden in Bayern nur noch E-Motoren gebaut, wundert sich der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. „Für wen machen Weber und Söder eigentlich ihre Politik?“, fragt er. „Sie machten Europa zur Investitionsruine.“
Alle Motoren auch nach 2035
Demgegenüber erklärte Weber, er sei froh, „dass wir endlich 90 Prozent für das Ziel 2035 bekommen“. Das sei eine klare Forderung der Europäischen Volkspartei gewesen, die Weber leitet. Alle Motoren könnten auch nach 2035 produziert und auf dem europäischen Markt verkauft werden.
William Todts, T&E
Der Geschäftsführer der Umweltorganisation T&E (Transport and Environment), William Todts, äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Hoffnung, dass die Zugeständnisse aus Brüssel der Automobilindustrie helfen können, den Kurs in Richtung einer grünen Wende beizubehalten.
„Ich hoffe, dass sie, wenn sie ein wenig von dem bekommen, was sie wollen, aufhören werden, die politische Debatte zu vergiften“, sagte Todts. Die hitzigen Diskussionen über das sogenannte Verbrenner-Aus hätten zur Verwirrung in der Branche und bei Verbrauchern geführt.
Kritik von FDP und VDA
Nicht weit genug geht die Revision der FDP. „Die Abkehr vom Verbrenner-Aus ist eine Mogelpackung“, sagte der Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen. Denn zugleich würden die Regeln für Dienstwagen verschärft, weil die Kommission den Mitgliedsländern künftig Vorgaben für den Anteil von E-Fahrzeugen bei Firmenwagenflotten machen will. Die versprochene Technologieneutralität werde nicht erreicht.
Auch dem Lobbyverband VDA gingen die Zugeständnisse nicht weit genug. Brüssel enttäusche mit seinem Entwurf, befand VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Die richtigerweise anerkannte Technologieoffenheit muss mehr als ein Lippenbekenntnis sein.“
Der Vorschlag der EU-Kommission muss noch vom Parlament und den 27 Mitgliedsstaaten diskutiert und gebilligt werden. Dabei könnte es nochmals Änderungen geben.
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