Veranstaltungsort in Berlin: Eine Bühne für Terrorversteher
Der Berliner Eventort bUm wurde mit Unterstützung von Betterplace und Google gegründet. Inzwischen ist er ein Szeneobjekt extremistischer Palästina-Aktivisten.
Der Bühnenauftritt in der Kreuzberger Eventlocation bUm dürfte für Hüseyin Doğru ein PR-Coup gewesen sein: Am 8. November lud das Onlinemedium „Gegenwind“ zu einer Konferenz dort mit dem Titel „Mut zur Wahrheit“ ein. Untertitel: „Journalismus in Zeiten von Genozid und Krieg“. Moderiert wurde das Gespräch von Nick Brauns, Chefredakteur der linken Zeitung Junge Welt.
Doğru ist nicht irgendein Journalist, er ist Betreiber des russlandnahen Portals „Red Media“ – ein Nachfolger der nach Putins Überfall auf die Ukraine aufgelösten Propagandaplattform „Redfish“, wie die taz recherchierte. Inzwischen hat die Bundesregierung nach einer Auswertung der Sicherheitsbehörden bestätigt: Hinter „Red Media“ soll Russland stecken, das Portal sei mit dem staatlichen Propagandasender RT „eng verzahnt“. Auch die Europäische Union wurde gegen „Red Media“ tätig: Doğru ist seit Mai offiziell sanktioniert, zusammen mit anderen Kreml-Propagandisten wie Alina Lipp.
Im bUm darf sich Doğru allerdings als „kritischen Journalist im Fadenkreuz“ darstellen. Er behauptet, er sei lediglich wegen seiner „propalästinensischen Berichterstattung“ kriminalisiert worden. Für diese Selbstinszenierung bietet ihm das bUm eine Bühne. Auf die Frage, ob Doğru dafür ein Honorar erhielt – was gegen EU-Sanktionen verstoßen würde –, reagierte der Veranstalter „Gegenwind“ nicht.
Als Raum „für Engagement und solidarisches Miteinander“ – so präsentiert sich das bUm im alten Umspannwerk am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer. 2016 kündigte Google dort die Eröffnung eines Start-up-Campus an. Im Kiez regte sich damals lauter Protest, Aktivist*innen besetzten kurzzeitig das Objekt – und der Techriese übergab zwei Jahre später die Räume an die Sozialgenossenschaft Karuna und die Spendenplattform Betterplace, um auf dem 2.600 Quadratmeter großen Gelände stattdessen einen Ort für „soziales Engagement“ zu schaffen.
Verbindungen zu Hamas und PFLP
2019 wurde die betterplace Umspannwerk GmbH gegründet, kurz bUm – mit einem mietfreien Nutzungsvertrag von Google bis September 2026. Betrieben wird der Ort von einem siebenköpfigen Team. Über 50 Vereine sollen inzwischen dort zu Hause sein, die laut Webseite zu Themen wie Antidiskriminierung, Klimaschutz und politischer Bildung arbeiten.
Doch die Location wird zunehmend auch zum Treffpunkt einer aktivistischen Szene, die der antiisraelischen Boykottbewegung BDS nahesteht, Terrororganisationen wie die Hamas als legitimen Widerstand feiert und mit antisemitischer Hetze auffällt. Eine Szene, in der Figuren wie Hüseyin Doğru offenbar auf Sympathie stoßen.
So im August: Der Neuköllner Bezirksverband der Linkspartei stand in der Kritik, nachdem dieser ein Sommerfest zusammen mit dem „Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitee“ angekündigt hatte – laut Verfassungsschutz eine Gruppe, die den Terrororganisationen Hamas und PFLP nahesteht. Die zunächst gebuchte Location, die Kiezkapelle an der Neuköllner Hermannstraße, sprang daraufhin ab – und das bUm als Ausweichlocation sprang ein.
Laut dem linken Bezirksverband kamen am Ende 500 Menschen. Als Redner trat ein Mann namens Ibrahim I. auf – er gilt als langjähriger Unterstützer der PFLP, die ebenfalls am Hamas-Angriff gegen Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt war und über Jahrzehnte hinweg Anschläge gegen Zivilist*innen verübt hat. „Gaza blutet, aber es bricht nicht. Der Widerstand ist ein Recht, ihr Widerstand ist unser Widerstand!“, sagte er von der Bühne aus – das geht aus einem Transkript der Rede hervor, das der taz vorliegt.
Warnung vor „zionistischer Presse“
Auch Ramsis Kilani, der nach antisemitischen und terrorverherrlichenden Aussagen aus der Linkspartei ausgeschlossen wurde, hielt dort eine Rede. Jemand, der anwesend war, schildert der taz: Ordner*innen hätten Teilnehmer*innen davor gewarnt, dass die „zionistische Presse“ vor Ort sei.
Anfang November wurde im bUm das Unframe Festival durchgeführt – eine dreitägige Konferenz für „sozialistische Ideen und Kultur“. Das Programm liest sich wie ein Who’s who der extremistischen Palästina-Szene in Deutschland.
Aufgetreten ist etwa Yasemin Acar, eine vorbestrafte Berliner Palästina-Aktivistin, die auf Demos aggressiv auftritt und etwa den iranischen Raketenangriff auf Israel feierte. Ebenfalls auf der Bühne: Mitglieder der radikal-antizionistischen und vom Verfassungsschutz beobachteten Randgruppe Jüdische Stimme oder der trotzkistischen Politsekte Klasse gegen Klasse, die sich mit dem „Befreiungsschlag“ der Hamas am 7. Oktober solidarisierte. Auch Kilani trat als Redner auf.
Mitte November fand eine Veranstaltung der neu gegründeten Arbeitsgruppe „Palästinasolidarität“ der Linkspartei im bUm zur antiisraelischen Boykottkampagne BDS statt mit dem Titel: „Boykott als Widerstand“. Ziel des Events war, die Partei dazu zu bringen, BDS zu unterstützen. Etliche jüdische Organisationen weltweit sowie der Deutsche Bundestag halten die Kampagne für antisemitisch.
Und Mitte Dezember hielt im bUm die trotzkistische Splittergruppe Sozialismus von unten, eine Abspaltung von Marx21, einen dreitägigen Kongress ab: Die Organisation bezeichnet das Massaker vom 7. Oktober als „Ausbruch aus dem Freiluftgefängnis“, hält die Einstufung der EU und anderer Staaten der Hamas als Terrororganisation für eine „Delegitimierung des Widerstandes“ und lehnt die Zweistaatenlösung in Nahost ab.
Bangen um die Zukunft
Auf taz-Anfrage sagte ein Vorstandsmitglied der gemeinnützigen gut.org aAG, dem Dachunternehmen der Spendenplattform Betterplace, dass die bUm Berlin GmbH seit einem Jahr komplett eigenständig und nicht mehr gesellschaftsrechtlich mit ihr verbunden sei – das bUm-Team habe die Anteile von gut.org vollständig übernommen. Der Veranstaltungsort heißt inzwischen offiziell nur „bUm“ und nicht mehr „betterplace Umspannwerk“, wie aus einem Gesellschaftsvertrag im Handelsregister hervorgeht.
Die Sozialgenossenschaft Karuna sagte der taz, sie sei seit 2022 nicht mehr Teil des Ortes und seiner Veranstaltungen und habe keinerlei Kenntnisse über die Nutzung der Räume. Eine Sprecherin von Google will die Events am Veranstaltungsort nicht kommentieren und verweist auf die Vertreter*innen des bUm.
Eva Mörchen, Geschäftsführerin vom bUm, will einen Fragenkatalog der taz nicht beantworten, sondern verweist auf das „Awareness-Konzept“ auf dessen Webseite. Dieses wurde am 18. Dezember überarbeitet, erst nach der taz-Anfrage. Welche Änderungen vorgenommen wurden – dazu bekommt die taz keine Antwort. Eine archivierte Version gibt es nicht.
Im aktuellen Konzept vom bUm heißt es: „Wir stellen Räume bewusst zur selbstbestimmten Gestaltung zur Verfügung. Das heißt nicht, dass wir jede vertretene Position teilen, sondern dass wir Austausch ermöglichen, ohne uns die (moralische) Deutungshoheit anzumaßen.“ Das bUm lehne Gewalt sowie menschenfeindliche und autoritäre Ideologien ab, heißt es weiter, „insbesondere von Ableismus, Queerfeindlichkeit, Antisemitismus, antischwarzem, antimuslimischem und antipalästinensischem Rassismus“.
In der Zwischenzeit bangt das bUm um seine Zukunft nach Ende des Google-Vertrags. Noch neun Monate sind es bis dahin. Die künftige Miete liege deutlich über den bisherigen Einnahmen, heißt es auf der Webseite. „Damit das solidarische Modell weiterbestehen kann, braucht es Unterstützer:innen und starke Partner:innen, die gemeinsam mit uns ein tragfähiges Zukunftsmodell entwickeln.“
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