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Berliner LandeshaushaltDas Schlimmste abgewendet – vorerst

Das Abgeordnetenhaus verabschiedet diesen Donnerstag den Rekord-Haushalt für 2026 und 2027. Solide und soziale Finanzplanung sieht anders aus. Der taz-Überblick.

Hängen gelassen: Kai Wegner und Ute Bonde hissen eine Flagge zum Tag gegen Gewalt an Frauen Foto: Manuel Genolet/dpa

Etwa 90 Milliarden Euro will Berlins schwarz-rote Koalition in den kommenden beiden Jahren ausgeben. Den entsprechenden Rekord-Doppelhaushalt verabschiedet das Abgeordnetenhaus aller Voraussicht nach an diesem Donnerstag.

Das Paket ist wohl auch ein Wahlkampfhaushalt. Kritik an massivem Kahlschlag wollten CDU und SPD im Wahljahr 2026 wohl dringend vermeiden – und blähten die Ausgaben gerade im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf noch einmal ordentlich auf. Die Reform der Schuldenbremse und das Finanzpaket des Bundes kamen da nur gelegen.

Trotzdem: Von Geldregen kann in Berlin nicht die Rede sein. Was jetzt ausgegeben wird, könnte die Probleme in zwei Jahren weiter verschärfen. Und auch bereits heute sind viele Bereiche der Stadt am Limit. Der neue Haushalt im taz-Überblick.

Bescherung für die Polizei

Der Bereich Inneres gehört traditionell zu jenen, die auch in Zeiten leerer Kassen kaum beschnitten werden. Das gilt umso mehr, wenn die Law-and-Order-Parteien CDU und SPD den Knüppel schwingen. Senatorin Iris Spranger (SPD) darf „ihrer“ Polizei 80 neue Einsatzwagen für 6,5 Millionen Euro spendieren, durch Intervention der Koalitionsfraktionen kamen sogar noch 20 hinzu. Als Geschenk darf auch die Hochstufung mit entsprechend höherer Besoldung für Führungskräfte bei Polizei und Feuerwehr gelten.

Zusätzliches Geld gibt es auch für ID-Geräte in den Funkwagen für eine schnelle Personen-Identifizierung, für neue Blitzer, Personal in der Bußgeldstelle und für je zwei Stellen pro Bezirk für den Katastrophenschutz und die zivile Verteidigung. Hinzu kommen 12 Millionen Euro für Videoüberwachung und 1,6 Millionen für Drohnen und Drohnenabwehr.

Ursprünglich geplante Kürzungen bei der Landeskommission Berlin gegen Gewalt wurden zurückgenommen, je eine halbe Million Euro jährlich gibt es für das Deradikalisierungsprogramm Rechtsextremismus. Entgegen ersten Planungen werden Maßnahmen aus dem Sicherheitsgipfel, wie Parkläufer, Drogen- und Sozialarbeit weiterfinanziert.

Freuen darf sich der Sport über 1,5 Millionen Euro zur Beheizung der Freibäder und eine temporäre Hülle, die das Olympiabad ganzjährig nutzbar machen soll; 6 Millionen Euro sind für die Olympia-Bewerbung eingeplant. (epe)

Ein bisschen Fügung

Beim Haushaltskapitel Verkehr und Umwelt, für das im Senat Ute Bonde (CDU) verantwortlich zeichnet, haben zähe Nachverhandlungen das Schlimmste verhindern können. So sieht es jedenfalls Linda Vierecke, umweltpolitische Fraktionssprecherin der SPD. Sie hatte sich über den ursprünglichen Entwurf bitter beklagt, der aus ihrer Sicht den Bereich Umwelt und Klima regelrecht skelettierte.

Jetzt wurden viele Streichungen rückgängig gemacht: Die Klimaschutzprogramme BEK und BENE 2 sind vorläufig gerettet und damit auch der drohende Wegfall von EU-Fördermitteln abgewendet. Auch kleine, aber wichtige Posten wie die „Parkläufer“ oder der Reparaturbonus bleiben erhalten. Eine riesige Stange Geld – 700 Millionen für mehr Stadtgrün und 300 Millionen für Regenwassermanagement – beschert Berlin freilich die Kombination aus Baumentscheid und Bundes-Sondervermögen. „Das war schon auch ein bisschen Fügung“, findet Vierecke.

Für den Verkehr ist viel Geld da – für Fuß und Fahrrad allerdings eher nicht. Die Mittel für diese Verkehrsarten wurden erst stark beschnitten, dann wieder ein wenig aufgestockt. Ganz weggefallen ist der – mit 1,5 Millionen ohnehin bescheidene – Posten für die Förderung des Leihradsystems.

BUND-Sprecher Nicolas Šustr meint: „Die kleinen Korrekturen ändern nichts an der Abkehr von der Verkehrswende und mehr Verkehrssicherheit unter dieser Koalition. Wer mit der schwarz-roten Koalition in die Zukunft blickt, blickt in den Abgrund.“ (clp)

Diffamiert und herausgedrängt

Bei der außerschulischen Bildung ist der zwischenzeitlich drohende Kahlschlag nicht so groß wie befürchtet. Wohl auch dank des Drucks, den Initiativen und Träger aufgebaut hatten, sagt Louis Krüger, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Aber das hat Spuren hinterlassen. Die Verwirrung und das Hin und Her ist für die Träger sehr aufreibend.“ Ein Erfolg sei, dass die Projekte wieder einzeln im Haushalt aufgeführt und nicht mehr in Clustern zusammengefasst seien, betont Krüger. Doch das habe viel Mühe gekostet: „Ich nehme eine Müdigkeit wahr angesichts des jährlichen Ringens um die Frage, wie es im kommenden Jahr weitergeht“, sagt er.

Einige etablierte Projekte fallen jedoch komplett raus. Darunter sind etwa die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, das Projekt Meet2Respect, bei dem ein Imam und ein Rabbi Workshops in Schulen durchführen, und das intersektionale Bildungswerk in der Migrationsgesellschaft, dessen Arbeit sich gegen Antisemitismus und türkischen Rechtsextremismus richtet. „Ich nehme der Bildungsverwaltung ab, dass sie Antisemitismusprävention ernst meint“, sagt Krüger. Doch sie bevorzuge klar bestimmte Akteure, während andere diffamiert und aus der Förderung herausgedrängt würden. (usch)

Weiter zu wenig Schutz vor Gewalt

Die Zahl der Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt in Berlin steigt. Laut Innenverwaltung wurden 2024 rund 43.000 Flinta* (Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre, trans*, und agender* Personen) Opfer von Gewalt, 2020 waren es noch 31.833. Das Dunkelfeld dürfte um ein Vielfaches höher sein. Trotzdem plante der schwarz-rote Senat zunächst, den ohnehin massiv unterfinanzierten Bereich um fast 40 Prozent zu kürzen.

Vorgesehen waren Kürzungen in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro bei der Gewaltprävention und Opferhilfe. Dazu drohte den Projekten der Anti-Gewalt-Arbeit eine pauschale Kürzung – und 50 Millionen Euro für die Tariferhöhungen der Mit­ar­bei­te­r*in­nen sollten gestrichen werden.

Kurz vor dem internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen am 25. November kündigten die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD jedoch an, alle Kürzungen in dem Bereich zurückzunehmen. Zudem sollen weitere 10 Millionen Euro aus dem Sondervermögen des Bundes in den Bereich fließen; weitere 16 Millionen sind demnach für den Ausbau von Frauenhausplätzen vorgesehen.

Insgesamt begrüßten Träger aus dem Gewaltschutzbereich den Entschluss. Die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen warnt jedoch: „Die Ankündigung kam leider zur spät, um die betriebsbedingten Kündigungen zurückzunehmen, die viele Einrichtungen bereits aussprechen mussten.“ Sie fordert schnelle Klarheit für Träger, damit die Strukturen nicht weiter Schaden nehmen. (ls)

Nicht erhöht heißt gekürzt

Auch im Sozialbereich hat die Koalition ein paar krasse Kürzungen zurückgenommen. So wollte man etwa bei der mobilen Stadtteilarbeit und der unabhängigen Sozialberatung sparen – das war den rot-schwarzen So­zi­al­po­li­ti­ke­r*in­nen angesichts zunehmender Armut und Wohnungsprobleme dann doch zu dicke. Eine Vielzahl kleinerer Projekte wurde in letzter Minute „gerettet“, darunter Obdachloseneinrichtungen, psychosoziale Beratungsangebote für Geflüchtete, Hilfen für Sexarbeiterinnen. „Erratisch und wenig auf Planbarkeit und Verlässlichkeit orientiert“ nennt Katina Schubert, Sprecherin für Soziales der Linksfraktion dieses Hin und Her.

Zudem sind Nicht-Erhöhungen in überlasteten Bereichen wie der Schulden- und Insolvenzberatung de facto natürlich Kürzungen, darauf weisen sowohl Schubert hin als auch Taylan Kurt, Sozialpolitiker der Grünen-Fraktion. „Die Armut hat zugenommen, darum müssten die Mittel eigentlich steigen“, sagt er. Was steigen wird, ist der Preis für das Sozialticket, das ab 1. Januar 27,50 Euro kosten wird – nachdem es erst im April von 9 auf 19 Euro verteuert wurde. Da die Grundsicherung nicht erhöht wird, bedeutet dies eine Mehrbelastung für Haushalte, die von Transferleistungen leben.

Auch die Obergrenzen der AV Wohnen werden nicht angehoben – die „Ausführungsvorschrift“ gibt die Mieten an, die vom Staat übernommen werden. Schon jetzt müssen viele Berliner*innen, die in „zu teuren“ Wohnungen leben, einen Teil des Regelsatzes für die Miete ausgeben. Mit dem teureren Sozialticket dazu haben sie also noch weniger Geld in der Tasche. (sum)

Geplatzte Hoffnungen

Berlin ist am Ende, aus, kaputt, vorbei. So schallte es im letzten Jahr aus Ateliers, Proberäumen, von Nebenbühnen und Podien. Die Proteste waren laut, farbenfroh und deprimierend. Unter dem Hashtag #BerlinIstKultur trat ein Bündnis dem überproportionalen Kulturabbau entgegen.

Hoffnungen, die einige nach dem Rücktritt von Ex-Kultursenator Joe Chialo (CDU) hegten, lösten sich alsbald in Luft auf. Dessen Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson (parteilos, für CDU) hatte noch im Sommer verkündet, statt 160 Millionen Euro Kürzungen im Kulturhaushalt 110 Millionen herausgehandelt zu haben. Nun sind es doch ernüchternde 150 Millionen Euro weniger.

Erstmals fällt der Kulturbereich damit unter 2 Prozent des Gesamtetats. Nochmals überproportional gekürzt wird bei Förderungen der Freien Szene. So stehen erneut 9 Millionen Euro weniger für die Bestandssicherung von Atelier- und Proberäumen fest. Der kostenlose Museumssonntag wird nicht wiederkommen, Ausstellungshonorare in den kommunalen Galerien kehren zwar zurück, dafür gibt es insgesamt weniger Mittel. Und auch Gelder für Mindesthonorare und -gagen, beispielsweise an den Kinder- und Jugendtheatern, werden gestrichen.

Doch es trifft auch große Häuser. So müssen Volksbühne und Maxim Gorki Theater zusätzlich zu den fast überall verhängten 3 Prozent Kürzungen nochmals 500.000 beziehungsweise 250.000 Euro jährlich einsparen. Auch die Finanzierung der Art Week ist in den nächsten zwei Jahren nicht gesichert. (hd)

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3 Kommentare

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  • Wenn Sinnvolles finanziert werden soll, muss man gucken wo Reserven sind und derer gibt es viele., z.B. Wasserköpfe in öffentlichen Unternehmen. Aus eigener Erfahrung: Man fragt sich z.B. warum in einem öffentlichen Schwimmbad 8 Angestellte ein Becken absichern, während in einem öffentlichen Bad in Stuttgart 3 Becken mit 4 Leuten und Video-Überwachung bestückt sind, oder warum in einer VHS ein Italienisch-Sprachkurs keine 14 Leute aufnehmen kann (mit mehr Einnahmen), weil Begrenzung auf 12 festgelegt wurde usw.

  • Vielleicht wäre es mal angebracht ernsthaft zu analysieren, warum bestimmte Dinge in Berlin nie funktionieren, die überall anders funktionieren und warum Berlin immer mehr Geld braucht und letztlich angeblich nichts hinbekommt.



    Es gibt mit Sicherheit viele strukturelle Besonderheiten, die es mal zu erfassen und untersuchen gilt um den Ursachen auf die Spur zu kommen. So viele Jahre nach Wegfall der Mauer müsste es sich ja mal normalisieren.

  • Ist schon traurig zu sehen wie die angeblichen Wirtschaftsexperten von CDU und SPD den einzigen wirklichen Standortfaktor dieser Stadt gnadenlos wegkürzen: die Kultur.