Wahlkampf in Berlin: SPD-Kandidat Krach rollt Linker Eralp den roten Teppich aus
In einer Diskussion über die Zukunft der Jugend in Berlin finden Linke und SPD viele Gemeinsamkeiten. Die CDU dagegen scheint schon Vergangenheit zu sein.
Die Jugend zu fördern ist wichtig. Dem stimmen wohl die meisten zu. Doch es erstaunt dann doch, wie harmonisch die Spitzenkandidat*innen Elif Eralp (Linke) und Steffen Krach (SPD) am Mittwochabend über die Zukunft von Jugendlichen in Berlin diskutieren. Es ist das erste Mal, dass die beiden in dieser Rolle aufeinandertreffen. Und die Einigkeit zwischen ihnen könnte kaum größer sein.
Schon am Anfang knüpft Steffen Krach direkt an die gemeinsame Geschichte rot-roter Politik im Land Berlin an. Denn auch wenn vieles zu verbessern sei, gäbe es in der Jugendhilfe bereits viele „Superprojekte, auf die wir richtig stolz sein können“, sagt er, viele von denen seien „schon in den letzten Jahren oder Jahrzehnten zum Beispiel auch von der Linken, von uns gemeinsam auf den Weg gebracht“ worden.
Ein großes Problem aber sei, dass diese eben nur temporär als Projekte finanziert seien und nicht institutionell gefördert würden. Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen hätten von Jahr zu Jahr die Unsicherheit, wie es im kommenden Jahr weitergehe. „Davon müssen wir wegkommen, da müssen wir die Träger entlasten“, denn diese seien sonst zu sehr mit Anträgen beschäftigt, sagt Krach.
Das sieht Elif Eralp genauso. Und sie weist darauf hin, dass die Linke vor der Wiederholungswahl bereits angestoßen hatte, Projekte statt nur ein oder zwei Jahre lieber über drei oder vier Jahre zu bewilligen. Das würde Träger entlasten, und sie könnten Mitarbeiter*innen längerfristig beschäftigen. „Das Demokratiefördergesetz, das institutionelle und strukturelle Absicherung von Demokratiearbeit auch bei Jugendlichen schaffen soll, hängt im Moment bei Kai Wegner“, sagt sie.
Einnahmen steigern
Eralp fordert außerdem, dass das Land die Mittel für Hilfen zur Erziehung vollständig übernehmen soll. Die Bezirke müssen die Hilfen verpflichtend zahlen, und sind bisher gezwungen, bei ihren freiwilligen Leistungen zu kürzen. „Da müssen wir gucken, wie wir die Einnahmen steigern“, sagt sie. Krach stimmt ihr zu, sieht bei den Einnahmen aber den Bund in der Pflicht. „Das Land hat das Geld ja auch nicht“, sagt er.
Steffen Krach, SPD
Während Krach souverän nach vorne und in eine rotere Zukunft Berlins denkt, bleibt Eralp teils noch in ihrer Rolle als Oppositionspolitikerin verhaftet. Etwa wenn sie wiederholt auf Dinge hinweist, die CDU und SPD hätten umsetzen können, wie die Ausbildungsplatzumlage, eine höhere Grunderwerbssteuer, die Gewerbesteuer oder eine Steuer auf unbebauten Boden, wo sie teils auch sehr ins Detail geht.
Krach weist sie sehr entspannt darauf hin, dass ja seine Partei mit der Partei von Eralp vor noch gar nicht so langer Zeit gemeinsam regiert hatte. „Und da haben wir es auch nicht gemacht“, sagt er. Mehr als einmal macht er an diesem Abend diesen Schwenk, es sei etwas zu einfach, zu sagen, jetzt sei alles schlecht und damals, als die Linken mit an der Regierung waren, war alles gut.
Doch es überwiegt die Einigkeit. „Bei Kindern und Jugendlichen werde ich nicht sparen“, sagt Krach. Jeder Euro, „das hat Elif auch gerade gesagt“, für Kinder und Jugendliche, sei ein sinnvoll ausgegebener Euro. Doch tatsächlich müssten sie sich über die Ausgabenseite unterhalten und überlegen, wie Berlin „seriös sparen könne“.
Auch 2001, als Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister war, gab es eine ähnlich schwierige Finanzsituation, sagt Krach. Es sei „komisch, immer dann, wenn kurz vorher ein CDU-Politiker Regierender Bürgermeister war, hinterlässt er ruinierte Finanzen und die müssen wir dann hinbekommen“, wagt er sogar schon einen kleinen Ausblick auf eine Abwahl von Kai Wegners CDU-SPD-Koalition.
Argumente wie von Grünen und Linken
Wissenschaft und Kultur, wo am meisten gespart worden sei, das seien die Bereiche, in denen Berlin Weltrang habe, führt Krach aus. Die Art und Weise, wie politisch unliebsame linke Theater oder Projekte gestrichen worden seien, anstatt mit Uni-Präsident*innen oder dem Kulturbereich zu reden, „da verliert man das Vertrauen der Bevölkerung“, sagt Krach. Denn einmal abgeschaffte Strukturen seine nicht mehr wieder aufzubauen. Er schließt damit nahtlos an Argumente an, die linke und grüne Fachpolitiker*innen in den letzten Monaten hoch- und runtergebetet haben.
Und am Ende, als Elif Eralp sich für Partizipation von Jugendlichen, selbstverwaltete Jugendzentren und für Jugendparlamente in allen Bezirken stark macht, blickt Krach schon auf die Zeit nach der Wahl. „Bei dem Punkt können wir uns glaube ich bei Koalitionsverhandlungen relativ schnell einigen“, sagt er und führt Eralps Idee weiter: Ein Jugendparlament bräuchte es auch auf der Landesebene.
Eingeladen hatte die Diakonie, die mit ihren Bürger*innentalks zur Zukunft Berlins bis zur Wahl im September in allen Bezirken mit Berliner*innen ins Gespräch kommen will. Sie hatten auch Vertreter*innen aus der Praxis mit aufs Podium geladen. Die Talks werden als Podcast veröffentlicht. Beim nächsten Termin am 27. Januar in der Stadtmission wird es ums Ehrenamt gehen.
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