Rechte in Spanien: Stimmung gegen Migration
Die Rechtskonservativen in Spanien setzen vor allem auf ein Thema: Immigration. Ob sie damit bei den Wahlen 2027 Erfolg haben, ist noch offen.
S paniens Rechte streitet um die Hegemonie in ihrem politischen Lager – und gleichzeitig um Wählerstimmen. Das Thema, das sich die rechtskonservative Partido Popular (PP) und die kleinere rechtsextreme Vox dazu ausgesucht haben, ist die Immigration. So haben sie im Parlament gemeinsam, aber trotzdem erfolglos, für einen Gesetzentwurf gegen die Legalisierung von Migranten ohne Papiere gestimmt und machen mit der Angst vor „den Anderen“ Politik. Sie setzen Einwanderung mit Unsicherheit und Kriminalität gleich, obwohl diese in den vergangenen Jahren trotz steigender Einwanderung zurückgegangen ist. Das interessiert PP und Vox indes nicht, beide Parteien versuchen einander zu übertreffen. Sie nutzen Fake News, die Immigranten Verbrechen zuschreiben und unterstützen offen rassistische Ausschreitungen wie etwa vergangenen Sommer in der Mittelmeerregion Murcia.
Die PP verabschiedete ausgerechnet dort Ende September die Richtlinien für ihre Einwanderungspolitik, sollten sie bei den kommenden Wahlen 2027 an die Macht kommen. Die Konservativen wollen eine Art Punktesystem einführen. Kommen soll nur, wer in eine Branche will, in der die Spanier nicht jobben möchten. Menschen aus kulturell nahestehenden Ländern sollen dabei bevorzugt werden. Hinzu kommt die Anforderung an die Herkunftsländer, mit Spanien in Sachen Immigration – und wohl auch Verhinderung der Immigration – zusammenarbeiten. Wer sich strafbar macht, soll sofort in seine Heimat abgeschoben werden können. Sozialhilfe soll, ginge es nach dem Willen von PP, nicht beantragt werden dürfen.
Mit diesen Maßnahmen soll, so PP-Chef und Oppositionsführer Alberto Feijóo, „Recht und Ordnung wiederhergestellt werden“, damit „unsere Grenzen geschützt und die Mafia bekämpft werden kann“. Das Leitmotiv: „Etwas beitragen, muss eine Bedingung für den Verbleib sein.“ Und genau hier setzt Vox an, die für die PP als Koalitionspartner notwendig sein wird, sollte es bei den kommenden Wahlen zu einer rechten Mehrheit reichen. Für die Rechtsextremen sind Immigranten vor allem ein schlechtes Geschäft. Sie würden, so glauben sie, mehr kosten, als sie zum Allgemeinwohl beitragen und der Staat durch sie einnimmt – da sie schlecht verdienen und öffentliche Leistungen beanspruchen, etwa Krankenversorgung oder Schulbesuch ihrer Kinder. Außerdem seien die Sozialsysteme, wie etwa das Gesundheitssystem, durch den unkontrollierten Andrang von Immigranten überfordert, vertreten sowohl Vox als auch PP.
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Laut dem Statistikamt leben in Spanien – Stand April dieses Jahres – 6,9 Millionen Ausländer. Das entspricht 14 Prozent der Bevölkerung. Hinzu kommen 2,5 Millionen Menschen, die mittlerweile die spanische Staatsangehörigkeit haben, aber außerhalb Spaniens geboren wurden. Vox hat sich mit der Rechnung der teueren Einwanderung, ähnlich wie die AfD in Deutschland, der „Remigration“ verschrieben. Vergangenen Juli erklärte ein Parteisprecher, dass sie, einmal an der Regierung, acht Millionen Immigranten abschieben wollen. Auf diese Zahl kommt nur, wer auch einen Teil derjenigen mitrechnet, die einen spanischen Pass haben und damit Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten sind. In jüngsten Erklärungen verspricht die Partei, aus Kostengründen, gar alle 2,5 Millionen außerhalb Spaniens geborenen Staatsbürger wieder wie Ausländer zu behandeln.
Während andere europäische Länder die Zuwanderungsbestimmungen verschärfen, hat die liberale Haltung der Linksregierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez, die von der spanischen Rechten kritisiert wird, dem Land nicht geschadet, sondern genutzt. Seit 2022 verzeichnet Spanien einen durchschnittlichen jährlichen Nettozustrom von rund 600.000 Einwanderern. Bereits heute kommen – so wie es die PP fordert -mehr als zwei Drittel dieser Menschen aus dem kulturell nahestehenden Lateinamerika. Die meisten davon sind im erwerbsfähigen Alter und decken damit die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften ab. Das kommt vor allem Branchen wie der Landwirtschaft sowie dem Hotel- und Gaststättengewerbe und damit dem Tourismus zugute.
Noch nie waren so viele Menschen in Spanien sozialversichert wie heute. Anders als andere europäische Länder hat Spanien keinen gravierenden Fachkräftemangel, etwa im Handwerk. Die Einwanderer machen 23 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung in Spanien aus. 90 Prozent der zwischen Januar 2024 und März 2025 neu geschaffenen Arbeitsplätze werden von Einwanderern besetzt.
Spanien wächst stärker als das restliche Europa. Seit Anfang 2024 liegt die Rate jährlich bei um die 3 Prozent, knapp dreimal soviel wie die gesamte Eurozone. Ausländische Arbeitnehmer haben, so die spanische Zentralbank, seit 2019 zu 80 Prozent Wachstum des Brutto-Inlandsproduktes beigetragen.
Auch wenn es PP und Vox nicht wahrhaben wollen – die Zuwanderung wirkt sich in Spanien weitgehend positiv aus. Eine Studie der Universität im südostspanischen Cartagena kommt zum Schluss, dass Einwanderer 70 Prozent mehr an den Staat geben, als sie zurückerhalten. Sie liegen damit 30 Prozent über dem, was in Spanien geborene Menschen beitragen. Außerdem ist das Bevölkerungswachstum durch Zuwanderung notwendig, um die Rentensysteme auch für die Zukunft sicher gestalten zu können.
Stimmung gegen die Zuwanderung zu machen, lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Was Vox und auch PP gerne verschweigen: Ginge es nach den beiden Rechtsparteien, würden die Arbeitskräfte in schlecht bezahlten Jobs – viele von ihnen Einwanderer – noch zu Steuerabgaben und Sozialversicherung beitragen. Die Linksregierung erhöhte den gesetzlichen Mindestlohn in den vergangenen sieben Jahren in mehreren Schritten um insgesamt 60 Prozent. PP und Vox stimmten gegen jede einzelne dieser Erhöhungen. Und in den Regionen, in denen PP und Vox gemeinsam regieren, kürzen sie im Bildungs- und Gesundheitswesen. Nicht die Einwanderer, sondern diese Sparpolitik hat Schuld daran, dass die Sozialsysteme überfordert sind.
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