Neuauszählung der Bundestagswahl: Wagenknecht-Partei wittert große Verschwörung
Auch das Parlament lehnt die BSW-Einsprüche gegen das Ergebnis der Bundestagswahl ab. Die Partei ist schwer empört und zieht nun nach Karlsruhe.
afp/dpa/taz | Der Bundestag hat die vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geforderte Neuauszählung der Bundestagswahl endgültig abgelehnt. Mit großer Mehrheit folgten die Abgeordneten am Donnerstagabend einer entsprechenden Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses aus der vorvergangenen Woche.
Die Wagenknecht-Partei spricht von „einem Skandal“ und will nun vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. „Spätestens beim Bundesverfassungsgericht wird sich hoffentlich der Rechtsstaat durchsetzen, sonst leben wir wirklich in einer Bananenrepublik“, sagte Parteigründerin Sahra Wagenknecht zu der Entscheidung der Abgeordneten. Mit der Formulierung „Bananenrepublik“ geht die Ex-Parteivorsitzende seit Wochen hausieren. Auch den versprochenen Gang nach Karlsruhe hat das BSW schon länger im Repertoire.
Das BSW war bei der Wahl am 23. Februar äußerst knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert. In einigen Wahlkreisen wurde das Ergebnis dann zwar nachträglich noch etwas nach oben korrigiert. Trotzdem fehlten am Ende 9.500 Stimmen für den Einzug in den Bundestag. Das BSW ist überzeugt, dass da noch mehr zu holen sein muss, und fordert seither eine flächendeckende Neuauszählung der Wahlzettel.
Wagenknecht und ihre Getreuen erklärten landauf, landab, bereits unmittelbar nach der Wahl „auf fundierteste Weise Fehler nachgewiesen“ zu haben. Eine Bundestagsmehrheit sah das nun endgültig anders. Von 557 Abgeordneten votierten am Donnerstag 427 für die Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses und damit die Ablehnung der Einsprüche, 129 stimmten dagegen, eine Person enthielt sich. In der Plenardebatte hatten zuvor mehrere Redner:innen die Ablehnung gefordert. Einzig die extrem rechte AfD kündigte an, gegen die Empfehlung zu stimmen.
SPD: „Es gab keine Zählfehler“
„Die selbst ernannte demokratische Mitte zeigt ihr zutiefst undemokratisches Gesicht“, mokierte sich im Anschluss Sahra Wagenknecht, die seit zwei Wochen nicht mehr Parteivorsitzende, sondern Chefin der BSW-Grundwertekommission ist. Ähnlich ihr Nachfolger an der Parteispitze, der EU-Abgeordnete Fabio De Masi. Er sieht durch die Entscheidung „die Demokratie schwer beschädigt“. Der Bundestag „gehört bei der Wahlprüfung entmachtet“, forderte De Masi.
Der Justiziar der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, hielt dagegen: „Es gab keine Wahlfehler, es gab keine Zählfehler, die eine Neuauszählung begründen könnten.“ Allen Hinweisen auf Verwechslungen sei nachgegangen und die Ergebnisse bei Bedarf längst korrigiert worden.
Das sei alles ein abgekartetes Spiel, behauptet das Bündnis Sahra Wagenknecht. Und wittert die große Verschwörung. Denn: „Deutschland hat womöglich einen Kanzler ohne legitime Mehrheit“, sagte Fabio De Masi. Und: „Nur noch Karlsruhe kann jetzt unsere Verfassung schützen.“ Richtig ist: Sollte das BSW vor Gericht tatsächlich eine Neuauszählung durchsetzen und dann auch noch den Einzug in den Bundestag schaffen – was nicht gesagt ist –, hätte die schwarz-rote Koalition von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) keine Mehrheit mehr.
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